Bekannte Schriftsteller und Literaturkritiker diskutieren über die deutsche Literatur – und empfehlen deutschsprachige Bücher, sowohl moderne Bestseller als auch antiquarische Perlen. Für unterschiedliche Stimmungen, aus unterschiedlichen Epochen.
Jacek Dehnel – Schriftsteller und Übersetzer, ein scharfsinniger Kommentator des öffentlichen Lebens mit einer besonderen Leidenschaft für die Kriminalistik der Zwischenkriegszeit und alte Fotografien, hat 10 deutschsprachige Bücher gewählt, die der Lektüre wert sind – um in fremde Welten einzutauchen oder mehr über die eigene zu erfahren.
Zunächst kommt eine Reise in die abgelegenen Inseln von Judith Schalansky und das von einem Gemälde Bruegels inspirierte Buch von Gert Hofmann. Weitere Titel folgen bereits im Spätsommer.
Jacek Dehnel empfiehlt Ceci n'est pas une nouvelle de Kehlmann
Das Thema des letzten Beitrags von Jacek Dehnel in dieser Reihe ist „Bildnis eines Dichters“ von Wolfgang Hildesheimer – die Geschichte eines Kritikers, der einen Dichter erfindet, um ihn zur Zielscheibe für seine vernichtenden Rezensionen zu machen.
Jacek Dehnel empfiehlt Weiche
Uwe Johnsons Roman „Mutmaßungen über Jakob“ ist ein Traktat über Freiheit und Unterdrückung in der DDR, und – wenn man die Vergangenheit des Autors selbst bedenkt, der in die Bundesrepublik floh – vielleicht auch eine Metapher für sein eigenes Schicksal.
Ein Buch über nichts
Der Protagonist von Esther Kinskys „Am Fluss“ ist der Londoner Fluss Lea. Die Autorin beschreibt Un-Orte, es gibt hier keine Geschichte und die Figuren sind ganz normale Leute, schreibt Jacek Dehnel und entdeckt, dass auch das Über-Nichts-Schreiben es in sich hat.
Klebrig
„Leyla“ von Feridun Zaimoglu, dem wohl wichtigsten deutschen Schriftsteller türkischer Abstammung, ist die Geschichte einer einzelnen Familie, aber es ist auch die Geschichte der gesamten Türkei im 20. Jahrhundert – schreibt Jacek Dehnel.
Leben und Ansichten von Adolf Cholonek, Gentleman
In Janoschs Roman, der vor dem zweiten Weltkrieg im deutschen Teil Schlesiens spielt, „Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm“, ist alles eine schreckliche Parodie. „Für mich ist es eines der unsentimentalsten Bücher überhaupt, nicht nur, was unsere jeweilige »Heimat«, sondern auch, was die Menschheit allgemein betrifft“, schreibt Jacek Dehnel.
Ménage à trois
Jeder Text ist eine Begegnung von Dichter und Leser. Bei Übersetzungen schaltet sich hier noch eine Person ein: der Übersetzer. Den Gedichtband von Hans Magnus Enzensberger „Spotkanie innego rodzaju“ in der polnischen Übersetzung von Ryszard Krynicki zu lesen ist wie einem einem Paar von Zirkusakrobaten zuzusehen, die sich auf meisterhafte Weise von Trapez zu Trapez schwingen.
Gnadenlose Schönheit
Die polnische Ausgabe von „Sonety do Orfeusza i inne wiersze“ [Sonette an Orpheus und andere Gedichte] von Rainer Maria Rilke schlägt uns bereits mit ihrem Umschlag in ihren Bann, in diesem Fall jedoch bleibt der Inhalt nicht hinter der Form zurück. Dank der überwältigenden Gedichtauswahl von Adam Pomorski nimmt diese Lektüre ihren Leser für ganze Jahre gefangen.
Chronik eines Wahns
Der nach 80 Jahren entdeckte Roman von Ulrich A. Boschwitz „Der Reisende“ ist eine überraschend treffende Diagnose der Ereignisse im nationalsozialistischen Deutschland nach 1938 – und zeigt das ganze gesellschaftliche Panorama des Dritten Reiches.
Ein Sextett, nein: Septett
Im „Blindensturz“ beschreibt Gert Hofmann einen Tag aus dem Leben der Männer auf dem Gemälde von Pieter Bruegel. Doch Hofmanns Blinde, das sind nicht nur sechs sehbehinderte Männer – es ist auch, oder sogar vor allem, die Menschheit en miniature, wie sie versucht, das Wesen der Welt zu erfassen.
Mit dem Finger reisen
„Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde“ – so lautet der Untertitel zu Judith Schalanskys „Atlas der abgelegenen Inseln“. Und somit verhält es sich hier völlig anders als bei den zehn Texten, an die ich mich ab heute setzen werde: Ich war auf allen diesen zehn Inseln – deutschsprachigen Büchern.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt
Die Schriftstellerin, Journalistin und Kulturliebhaberin Agnieszka Drotkiewicz ist in die deutsche Literatur eingetaucht und gibt zehn ganz persönliche Buchempfehlungen. Für unterschiedliche Stimmungen, aus unterschiedlichen Epochen, Sachliteratur und Belletristik ... Agnieszkas Liste zeigt, dass die deutsche Literatur wesentlich mehr zu bieten hat als die Bestseller von Günter Grass und die klassischen Werke Goethes. Jeden Monat bieten wir einen neuen, originellen Lesetipp.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt Lob oder Parodie?
Der Titel des Buches von Sibylle Berg, „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“, könnte den Eindruck erwecken, dass man es mit einem Ratgeber zu tun hat. Ganz falsch. Es ist ein starkes, brutales Buch, dem aber ein schneidender Sinn für Humor nicht fehlt.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt Der Sommer des Jahrhunderts
In seinem Buch „1913. Der Sommer des Jahrhunderts“ nimmt uns Florian Illies mit auf eine Reise durch Städte, in denen die Quellen des intellektuellen und künstlerischen Lebens sprudeln, wie Wien, Berlin oder Paris, im Schatten des nahenden Ersten Weltkriegs.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt Glaubensbekenntnis an das Leben
Im Buch „Der Himmel in den Pfützen: ein Leben zwischen Galizien und dem Kurfürstendamm“ blickt Anatol Gotfryd auf sein Leben zurück – von der vom Krieg geprägten Kindheit in Lemberg bis zur Berliner Welt der großen Kunst. Dabei behält er stets die Empathie und die Liebe zum Leben.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt Zauberkekse und Naturmächte
Backen ist die reinste Magie! Ein Apfelkuchen, gebacken nach dem Rezept der Hexe Petronella Apfelmus aus der gleichnamigen Bücherserie kann sogar einer ganzen Familie Glück bringen.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt Ein Buch-Geschenk
„Am Fluss“ von Esther Kinsky ist ein persönliches Notizbuch oder ein Reiseführer, in dem uns die Protagonistin durch Londoner Seitengassen und Läden mit Waren aus verschiedenen Ecken der Welt führt. Sie unterhält sich auch mit Menschen, denen sie auf kürzeren und längeren Reisen begegnet.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt Ratgeber für schlechte Zeiten
Brillant beschriebene Spaziergänge durch das nächtliche Paris der Zwischenkriegszeit – so sieht die Szenerie von „Arc de Triopmhe“ von Erich Maria Remarque aus. Ein wichtiges Thema dieses Romans ist aber auch eine nach wie vor aktuelle Frage: die Situation von Flüchtlingen.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt Die Lebensfreude wiederfinden
Wie findet man die Lebensfreude nach dem Holocaust wieder? Der Roman „Fuck America: Bronskys Geständnis“ von Edgar Hilsenrath erzählt die Geschichte eines Juden, der den Krieg überlebte und nach New York zog, wo er versucht, sich mit seinem Trauma auseinanderzusetzen, indem er schreibt.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt Ich will heim
In ihrem Roman „Heimsuchung“ beschreibt Jenny Erpenbeck, wie in einem Haus am See in der Nähe von Berlin während der knappen 100 Jahre seines Bestehens die Einwohner wechseln und die turbulente detusche Geschichte des 20. Jahrhunderts ihre Spuren hinterlässt.
Agnieszka Drotkiewicz empfiehlt Ein phantasievolles Lehrbuch
„Das geheime Netzwerk der Natur“ von Peter Wohlleben liest sich wie ein phantasievolles Lehrbuch für Biologie. Es bietet einen Überblick über die Abhängigkeiten innerhalb des Ökosystems, aber auch einfach zeigt, wie man im Einklang mit der Natur leben kann.
Agnieszka Drotkiewicz
Agnieszka Drotkiewicz veröffentlichte vier Romane („Paris London Dachau“, „Dla mnie to samo“, „Teraz“, „Nieszpory“) und mehrere Interviewsammlungen („Jeszcze dzisiaj nie usiadłam“ und „Piano rysuje sufit“ sowie gemeinsam mit Anna Dziewit „Głośniej! Rozmowy z pisarkami“ und „Teoria trutnia i inne“). Sie führte ein ausführliches Interview mit Dorota Masłowska, das unter dem Titel „Dusza światowa“ erschien. Gemeinsam mit Ewa Kuryluk veröffentlichte sie das Buch „Manhattan i Mała Wenecja“, das mit dem Preis Warszawska Premiera Literacka ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit Tessa Capponi-Borawska veröffentlichte sie das Buch „Smak kwiatów pomarańczy“. Außerdem verfasste sie ein Drama mit dem Titel „Daleko od Wichrowych wzgórz“. Sie schreibt für die Zeitschriften „Przekrój“ und „Dwutygodnik“ sowie für das Teatr Wielki in Warschau. Außerdem organisiert sie Veranstaltungen zum Thema Kultur für die Modemarke „Risk made in Warsaw“.