Musikbibliothek in Nürnberg
„Wir können uns ungestört ausprobieren“
Die ehemalige Lehrerin Renate A. übt einmal jede Woche im Musikraum der Nürnberger Stadtbibliothek für ihren Chor. Für sie ist das wie Schule – nur mit umgekehrten Vorzeichen.
Seit ungefähr drei Jahren bin ich im Ruhestand. Und seither komme ich jeden Montag für zwei Stunden in den Musikraum, immer von 17 bis 19 Uhr, dann schließt die Bibliothek. Gemeinsam mit meiner Freundin und Chorkollegin Brigitte übe ich hier für den Chor im Bildungszentrum gleich nebenan. Die Probe dort beginnt um 20 Uhr. Brigitte hat mich in die Musikbibliothek eingeführt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, denn das ist für uns beide ein wunderbarer Begegnungsort, um unsere Chorstücke zu vertiefen.
Im Chor haben Brigitte und ich gemerkt, dass uns bestimmte Stellen schwerfallen. Deshalb beschlossen, wir, noch vor der eigentlichen Probe zu üben. Der Aufenthaltsraum des Bildungszentrums eignete sich nicht, da hat Brigitte mich auf den Musikraum der Nürnberger Stadtbibliothek aufmerksam gemacht: „Du musst dich nur anmelden, dann bekommst du dort den Schlüssel.“
Am Anfang haben wir im Chor in der gleichen Stimmlage, im Sopran, gesungen. Dann habe ich angefangen, herumzuexperimentieren. Ich wollte herausfinden, welche Stimmlage zu mir passt. Inzwischen singe ich bei den Tenören, was heißt, dass wir jetzt zweistimmig üben. Für mich ist das ein erkennbarer Fortschritt, den ich vor allem auch den Besuchen im Musikraum verdanke.
Mit dem Singen im Chor will ich die im Ruhestand neugewonnenen Freiräume nutzen. Das Singen ist für mich vor allem ein Selbsterfahrungsexperiment. Der Leistungsanspruch ist weg, ich probiere mich in Ruhe aus und genieße es, etwas Neues zu lernen. Das ist für mich wie früher in der Schule, nur dass ich jetzt nicht unterrichte, sondern selbst Schülerin bin.
Als meine beiden Kinder noch klein waren, sind wir oft gemeinsam in die Bibliothek gegangen. Für sie war das ein Abenteuer, sie konnten Bilderbücher ausleihen oder auch mal eine Sams-Aufführung sehen. Dann habe ich meine Bibliotheksbesuche längere Zeit eingestellt und erst mit der Entdeckung des Musikraums wieder angefangen. Brigitte nutzt den Bestand übrigens noch vielfältiger: Sie singt ehrenamtlich mit Senioren in einem Seniorenheim, dafür besorgt sie sich hier die Noten.
Bei den Proben im Musikzimmer verbinden wir zwei Bluetooth-Lautsprecher mit unseren Handys. So können wir über die WLAN-Verbindung der Bibliothek die Stücke hören, die Chorleiter Markus per E-Mail an uns Chormitglieder schickt; jede Stimme ist einzeln eingespielt. Mit dem E-Piano, das im Musikzimmer steht, spielen wir die Töne an. Da hat man schon etwas zu tun, bis ein neues Lied sitzt, vor allem rhythmisch. Die extra Proben in der Musikbibliothek helfen uns sehr dabei, voranzukommen und uns weiterzuentwickeln.
Die Bibliothek bietet noch mehr Annehmlichkeiten: In dem Gebäude gibt es ein sehr schönes Café, benannt nach dem Schriftsteller Hermann Kesten. Es ist nur durch die Bibliotheksräumlichkeiten zugänglich. Dorthin gehe ich ab und zu gerne.
Renate A. (Jahrgang 1954), war Lehrerin an einem Sonderpädagogischen Förderzentrum. Seit 2014 ist sie im Ruhestand. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder, vor kurzem kam das erste Enkelkind auf die Welt.
Die Musikbibliothek der Stadtbibliothek Nürnberg ist die größte Musikbibliothek Nordbayerns. Sie stellt rund 50.000 Medien zur Verfügung, darunter 21.500 Noten und 18.000 audio-visuelle Medien. Ein Schwerpunkt ist die Weltmusik. Zum Musizieren steht ein Musikraum mit E-Piano zur Verfügung, außerdem ein weiteres E-Piano zum kurzen Anspielen mitten in der Musikbibliothek. Ihr Einzugsbereich erstreckt sich über die gesamte Metropolregion.
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