Deutsches Gegenwartstheater
Acht repräsentative Regisseure
Luk Perceval (*1957)
Bekannt wurde der flämische Schauspieler und Regisseur 1999 mit seinem vielfach ausgezeichneten, zwölfstündigen Königsdramen-Marathon „Schlachten!“ nach Shakespeare. Als leitender Regisseur des Thalia Theaters Hamburg inszeniert er sowohl klassische Stücke als auch eigene Roman-Adaptionen und thematisiert stets die gesellschaftliche Dimension der verhandelten Stoffe. Sein Blick ist, trotz installativer Bühnenbilder, fokussiert auf das Menschliche seiner Hauptfiguren. Perceval arbeitet international und erhielt zahlreiche Preise.
Stephan Kimmig (*1959)
Er inszeniert Klassiker und zeitgenössische Stücke stilistisch immer wieder ganz „eigensinnig“. Nicht zuletzt deshalb wird er häufig zum Berliner Theatertreffen eingeladen. 2008 zum Beispiel reiste er mit seiner Inszenierung von Schillers „Maria Stuart“ nach Berlin. Inszeniert hatte er für das Hamburger Thalia Theater und einmal mehr im Klassiker den aktuellen Bezug gesucht. Das elisabethanische Königshaus wirkte wie ein heutiges Einfamilienhaus, in dem jeder jeden bespitzelt. Stephan Kimmig arbeitet an vielen Theatern, Hausregisseur ist er am Deutschen Theater, Berlin.
René Pollesch (*1962)
Er steht als Autor und Regisseur für ein ganz eigenes Diskurstheater der Postmoderne. René Pollesch bearbeitet Themen wie Kapitalismuskritik, Stadtplanung und den Selbstzweifel des Repräsentationsschauspielers. Das Ergebnis: Ein hyperschnelles, aggressives Revuetheater, in dem er Slapstick und philosophische Theoreme, Boulevard und Telenovela, Filmzitate und ökonomische Theorien mixt. Polleschs Theatertexte entstehen während der Proben mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, die an den jeweiligen Theatern mit ihm zusammen arbeiten.
Karin Beier (*1965)
Bekannt wurde sie 1995 mit ihrer Inszenierung von Shakespeares „Sommernachtstraum“, den sie für das Düsseldorfer Schauspielhaus als vielsprachiges Klangereignis mit Schauspielern aus neun Ländern auf die Bühne gebracht hat. Mit dieser Inszenierung wurde sie genauso zum Berliner Theatertreffen eingeladen wie 2010 mit der Filmadaption von Ettore Scola/Ruggero Maccaris „Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen“. Heute leitet Karin Beier das Hamburger Schauspielhaus, die größte Sprechbühne Deutschlands.
Michael Thalheimer (*1965)
Im Jahr 2000 mit einer umstrittenen Inszenierung von Ferenc Molnárs „Liliom“ bekannt geworden, setzt Michael Thalheimer auf Reduktion und starke formale Setzungen durch die Raumgestaltung seines Bühnenbildners Olaf Altmann. Konzentration auf die Essenz eines Stückes, Textkürzungen und präzise Verlagerungen ganzer Akte in ein (Bühnen-)Bild bestimmen seine Formsprache. Thalheimer inszeniert die kanonische Literatur von der Antike bis hin zu zeitgenössischen Texten. Zuletzt wurde er 2013 mit Euripides’ „Medea“ zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
Thomas Ostermeier (*1968)
Nach dem Regiestudium übernahm er 1996 die Baracke am Deutschen Theater Berlin, gründete das Festival für internationale neue Dramatik (F.I.N.D.) und wurde schlagartig bekannt. In seinen Anfängen noch der Radikalität der neuen englischen Dramatik verpflichtet, setzt Thomas Ostereier als Regisseur und Mitglied der Künstlerischen Leitung der Schaubühne Berlin zunehmend auf kanonische Stücke wie Shakespeares „Hamlet“ oder Ibsens „Ein Volksfeind”. In den letzten Jahren sind seine Inszenierungen häufig in Koproduktion mit Festivals entstanden.
Nicolas Stemann (*1968)
Auf ihn aufmerksam wurden die Theater 2002, als seine „Hamlet“-Inszenierung am Staatstheater Hannover zum Theatertreffen eingeladen wurde. Sein Markenzeichen: Er dekonstruiert Klassiker wie Schillers „Die Räuber“, inszeniert einzelne Figuren als Chor, steht selbst auf der Bühne und montiert hochmusikalische Klassikerkompilationen. Inzwischen ist Nicolas Stemann Elfriede Jelineks bevorzugter Regisseur und hat unter anderem ihre Textfläche zur Finanzkrise „Die Kontrakte des Kaufmanns” inszeniert, als sei es eine performative Lesung.
Friederike Heller (*1974)
Kurz nach dem Regiestudium wurde Friederike Heller für ihre Inszenierung von Peter Handkes „Untertagblues“ zur Nachwuchsregisseurin des Jahres gewählt. Fest an der Berliner Schaubühne engagiert, inszeniert sie an vielen großen deutschsprachigen Theatern. Sie zeichnet sich durch kluge Romanadaptionen wie die von Iwan Turgenjews „Väter und Söhne“ aus. Mit der Nachinszenierung gerade uraufgeführter Stücke hat sie gezeigt, wie man Theatertexte mit einem unverstellten „zweiten Blick“ zu ihrem Recht verhelfen kann.