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Antirassistisches Mahnmal in Köln
Radikales Zuhören

Digitales Modell für das Mahnmal an der Keupstraße
Digitales Modell für das Mahnmal an der Keupstraße | © Studio Ulf Aminde 2019

Ulf Aminde arbeitet als Künstler mit Betroffenen und mit solidarischen Menschen an der Realisierung des antirassistischen Mahnmals Herkesin Meydanı – Platz für Alle. Das Mahnmal, das einen physischen und einen digitalen Teil haben wird, soll erinnern an die durch den NSU begangenen Bombenattentate in Köln (2001 in der Probsteigasse und 2004 in der Keupstraße).

Von Ulf Aminde

Als Gegenposition auf die dem zweiten Anschlag folgenden rassistischen Verdächtigungen, mit denen sich die Migrant*innen konfrontiert sahen, basiert das Mahnmal auf vielen Gesprächen mit Bewohner*innen und Initiativen der Nachbarschaft. Es vereint das Konzept des Gedenkens mit einer Zukunft, die konstant von einer ‚Gesellschaft der Vielen‘ (visuell) erneuert werden muss.

Radikales Zuhören

Zuhören ist die Grundhaltung, die den Entwurf des Antirassistischen Mahnmals in der Keupstraße prägt, das seit Jahren erfolgreich von der Stadt Köln und einigen wenigen Investoren verhindert wird. Betroffene von rassistischer Gewalt und Ausgrenzung sollen in dem Mahnmal, das als Lern- und Gedenkort geplant ist, zu Wort kommen und ihre Perspektive teilen. Das Mahnmal soll kontinuierlich erweitert und ergänzt werden – so beweglich wie eine Gesellschaft, in deren Mitte Migration als treibende Kraft angekommen ist.
Herkesin Meydanı – Platz für Alle, Keupstraße Herkesin Meydanı – Platz für Alle, Keupstraße | © Dörthe Boxberg
Radikales Zuhören ist die Haltung, die ich – als weiß positionierter Künstler – einzunehmen versuche, wenn ich mit Betroffenen zusammenarbeite und wir das Mahnmal auf Veranstaltungen und Demonstrationen einfordern. In jedem Beitrag, jedem Posting, in Diskussionen und auf Panels schaffen wir Strukturen, in denen jene zu Wort kommen, die in einer Gesellschaft, in der Rassismus angeblich „nicht existiert“, sonst nicht gehört werden. Radikales Zuhören bringt die Perspektive der Betroffenen rassistischer Gewalt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Ihre Erfahrungen werden zur Grundbedingung für sozialen Wandel. Gesellschaftliche Veränderungen werden möglich, wenn strukturelle Verhältnisse, die fortwährend Rassismus reproduzieren, eingestanden werden, um zugleich den Entschluss zu fassen, diese Verhältnisse zu ändern.

Orte des Zuhörens

Radikales Zuhören führte mich letztlich auch zu Monument Lab – und dem damit verbundenen Projekt Shaping the Past (Gestaltung der Vergangenheit), einem Zusammenschluss von Antirassistischen Künstler*innen, Designer*innen, Aktivist*innen aus Kanada, USA, Berlin, die meisten von ihnen of Color. In den Treffen teilen sie großzügig Erfahrungen antirassistischer Kämpfe und Debatten in und um Erinnerungskultur, Wissen und Perspektiven der widerständigen Kämpfe im Umgang mit Gedenken, Mahnmälern, Statuen und der Verhandlung von Öffentlichem Raum und Stadtplanung. Die Treffen sind für mich in erster Linie Ort des Zuhörens. Sie sind es, von denen ich lerne.

Räume zwischen Dir und mir

Die globalen und lokalen Ereignisse rund um Black Lives Matter haben den Auseinandersetzungen um ein Gedenken of Color eine aktuelle Dynamik verliehen. Nicht nur werden endlich die Statuen entfernt, die an Sklaverei, weiße Vorherrschaft und weiße Gewalt erinnern. In den Gesprächen bei Monument Lab werden außerdem Konzepte beschrieben, die ein neues Verständnis von Gedenken erfordern.

In den USA gibt es eine lange Geschichte der Community based Art, die einen Kunstbegriff hervorgebracht hat, der soziale Relevanz und Formen der Gemeinschaft aus gestalterischer Perspektive verhandelt. Diese Fragen sind auch für mich zentral: Gibt es künstlerische Arbeitsweisen, die gesellschaftlich relevante Prozesse nicht nur abbilden, sondern auch gestalten? Welches Wissen benötigen wir dafür? Können zeitgemäße Erinnerungsorte noch aus festgeschraubten Skulpturen oder Plaketten bestehen? Sollten sie nicht vielmehr in der Lage sein, sozialen Bewegungen gerecht zu werden und sie im besten Falle zu initiieren?

Erinnerungsorte der Zukunft sollten von den Wünschen der Betroffenen getragen sein. Dafür benötigen wir flexible Gestaltungen, die sich mit den Menschen verändern.
Tribunal „NSU-Komplex auflösen" – Keupstraße / Ecke Schanzenstraße Tribunal „NSU-Komplex auflösen" – Keupstraße / Ecke Schanzenstraße | © Jasper Kettner
Ada Pinkston aus Baltimore ist Künstlerin, Aktivistin und Lehrerin und eine der Fellows des Monument Lab. In ihrem Projekt Landmarked fragte sie über 300 Personen aus Baltimore, Washington DC und Dallas – nach Denkmälern der Zukunft in einer Zeit in der die Statuen der Konföderierten und die damit verbundene Repräsentanz von rassistischer Gewalt aus dem öffentlichen Raum entfernt werden. Viele wünschen sich den Einsatz von neuen Technologien, um den Anforderungen der Gegenwart zu entsprechen. Nicht wenige wünschen sich mehr Statuen von Frauen und Personen of Color. Ihr Fazit dabei ist, dass ein Denkmal mit fest installierten Figurenskulpturen – sich letztlich derselben Mittel bedient wie die derjenigen Autorität, die es zu überwinden gilt. Sie sagt, Gedenkorte müssen flexibel bleiben, um dauerhafte Bedeutung für Personen und Gemeinschaften zu erzeugen. Sie müssen sich bewegen können. Danke, Ada.

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