Yukiko Watanabe
Die Komponistin der Geräusche
Die japanisch-deutsche Komponistin Yukiko Watanabe arbeitete im Rahmen ihrer Residenz in Montreal mit dem japanischen Pianisten Kimihiro Yasaka. Während ihrer Proben im Goethe-Institut Montreal hatten wir die Gelegenheit, uns mit ihr über das Komponieren, ihre Musik und Umweltgeräusche zu unterhalten.
Von Webredaktion Goethe-Institut Montreal
Die Residenz für neue Musik, die das Goethe-Institut Montreal jedes Jahr in Zusammenarbeit mit dem Conseil des arts et des lettres du Québec und der Gruppe Le Vivier vergibt, ging im Jahr 2019 an die japanisch-deutsche Komponistin Yukiko Watanabe. Yukiko hatte zunächst Komposition und Klavier an der Toho Gakuen School of Music studiert, und zog im Jahr 2008 nach Graz, wo sie mit dem Komponisten und Dirigenten Beat Furrer an der Kunstuniversität Graz studierte. 2014 zog sie nach Köln, und setzte dort ihr Studium an der Hochschule für Musik unter Johannes Schöllhorn fort.
Ich würde gar nicht sagen, dass ich „experimentelle Musik“ komponiere. Ich komponiere Musik, aber ich weiß eigentlich gar nicht, wie ich die nennen würde.
Yukiko Watanabe
Mir ist es vor allem wichtig, intuitiv denken zu können. Das bedeutet für mich nicht nur spontan oder automatisch, sondern auch logisch. Diese Logik basiert auf den verschiedensten Erfahrungen – was ich gehört, gegessen, gelesen habe, mit wem ich mich getroffen habe, alles, was ich erlebt habe. So beginne ich die Musik zu denken, aus meinem täglichen Leben heraus. Ich habe zum Beispiel ein Stück mit dem Thema Müll geschrieben. Unweit von meiner Wohnung gibt es eine Müllverarbeitungsanlage, und wenn ich dort mit dem Zug vorbeifahre, faszinieren mich die immer neuen unregelmäßigen Farben und Texturen des auf die Verarbeitung wartenden Rohstoffes.
Auszug aus der Partitur zu „Aqua Houses“ | © Yukiko Watanabe Haben deine Kompositionen inhaltliche Themen, oder sind alle Entscheidungen musikalischer Natur? Sind Stücke wie „Fanfare für Straßenbau“ Reaktionen auf deine Umwelt oder erzählen sie eine Geschichte?
Geräusch ist ein großes Thema für mich, und die Frage, wie ich alltägliche Geräusche in meiner Musik verwenden kann. Ganz allgemein ist es ein faszinierender Gedanke, Umweltgeräusche wie z.B. die von Wind oder Wasser als Musik zu begreifen. Aber in unserer modernen Gesellschaft haben Geräusche viele Bedeutungen. Ich finde beispielsweise das Hupen von Autos oder das Geräusch der Müllverarbeitungsanlage spannend. Es ist eine interessante Frage, warum mir diese Klänge gefallen, obwohl es sich gar nicht um objektiv „schöne“ Geräusche handelt. In dem Stück „Fanfare für Strassenbau" geht es unter anderem um das Thema der Autohupen.
Wie bist du in deiner Jugend zur Musik gekommen? Und wie zur Komposition?
Ich habe bereits als kleines Kind angefangen Klavier zu spielen, da meine Mutter Klavierlehrerin ist. Und schon vom Anfang an habe ich gerne improvisiert und hatte ein großes Interesse am Komponieren, daher habe ich auch damit früh begonnen, ich glaube mit 9 oder 10 Jahren. Meine erste Kompositionlehrerin hieß Keiko Harada, die ein sehr großer Einfluss für mich ist. Ich habe mehr als 10 Jahre bei ihr in Japan gelernt, bevor ich im Jahr 2008 nach Europa gezogen bin, um meine Studien fortzusetzen.
Hast du dich schon immer für experimentelle Musik interessiert, und gibt es andere Musikstile, die dich beeinflussen?
Weil ich am Anfang Klavier gerlernt habe, mag ich gerne Klassische Musik, wie Beethoven, Mozart, Debussy, Schubert. Aber ich habe in meiner Jugendzeit neben Klassischer Musik z.B. Jazz-Orchestra Schlagwerk gespielt, oder mit Freunden zusammen Poplieder komponiert. Ich glaube, all diese unterschiedlichen Dinge, die ich gemacht habe, finden sich in meinen Kompositionen wieder. Ich würde gar nicht sagen, dass ich „experimentelle Musik“ komponiere. Ich komponiere Musik, aber ich weiß eigentlich gar nicht, wie ich die nennen würde.
Hast du Vorbilder oder wichtige Einflüsse?
Michiko Toyama. Die japanische Komponistin ist geboren 1913 und gestorben 2006. Sie gehörte zu der ersten Generation japanischer Komponisten, die im Ausland studiert haben. Die Komponistin war als Mutter und als Komponistin sehr aktiv, ist aber in Japan nicht sehr bekannt geworden. Durch sie weiß ich aber, dass die Vereinbarung von Familie und dem Beruf als Komponistin nicht leicht, aber doch machbar ist!
Ist Musiktheorie/Harmonielehre für dich ein Thema, oder bewegst du dich außerhalb theoretischer Erwägungen? Im Jazz z.B. wäre es sehr schwierig, jede Theorie zu ignorieren, da gemeinsam improvisiert wird. Das ist in der neuen Musik und in deinem Fall ja nicht so. Fühlst du dich deswegen freier in deinen Entscheidungen?
In die eigenen Kreationen fließen immer alle Kenntnisse ein, nicht nur Musiktheorie und Harmonielehre. Man weiß gar nicht, was wichtig ist und was nicht – ich finde, man muss sich mit vielen Dingen beschäftigen, auch wenn sie gar nichts mit Musik zu tun haben. Musiktheorie und Harmonielehre habe ich schon vor sehr langer Zeit aus eigenem Antrieb und in der Schule gelernt, bevor mir klar wurde, wie wichtig das ist. Aber heute weiß ich, dass die Theorien und Gedanken der Vergangenheit wertvolle Erfindungen darstellen, die mir auch heute noch gute Hinweise für meine Arbeit geben können.
Wie gefällt dir Montreal? Hast du schon Zeit gefunden, dir die Stadt außerhalb der Arbeit anzusehen?
Ich mag Montreal wirklich sehr. Es gibt hier eine sehr viele unterschiedliche Kulturen, die friedlich in der Stadt koexistieren. Das finde ich wirklich toll.
Yukiko Watanabe und der japanischen Pianist Kimihiro Yasaka präsentieren am 14. Dezember 2019 um 17:30 Uhr im Goethe-Institut Montreal die Ergebnisse der Musikresidenz 2019. Mehr Informationen hier.
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