Das strukturelle Problem der Objektifizierung
Könntest du uns sagen, was du mit deinem Werk vermitteln möchtest? Was waren die Inspirationen und Ideen, die bei, Schaffen des Werkes ausschlaggebend waren?
In meinem Comic geht es einerseits um eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit meiner Essstörung und dem eigenen verzerrten Körperbild, andererseits um das strukturelle Problem der Objektifizierung (...dieses Wort kennt Word übrigens nicht mal. Warum wohl...) der Frau. Die Massenmedien transportieren frauenfeindliche und unrealistische Schönheitsideale, denen wir Frauen nicht entsprechen können.
Eine ganze Industrie fußt auf dem geringen Selbstbewusstsein von Frauen, die durch Gesichtscremes, Rasierer und Diätdrinks verzweifelt versuchen dem auch nur ansatzweise zu genügen. Frauen haben schön auszusehen, zu Hause, im Alltag und besonders im Beruf. Das führt zu Ungleichheit und Ungerechtigkeit.
Dünne Frauen werden eher eingestellt als dicke Frauen, weil letzteren das Stigma der Faulheit anheftet. Schwarze Frauen werden seltener eingestellt als weiße Frauen und um doch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben, passen sie ihr Äußeres weißen Schönheitsidealen an.
Letztendlich sollen Frauen lediglich aufs Äußere reduziert werden, um sie gefügig zu halten, um sie von ihren Fähigkeiten abzulenken und davon, dass sie in den männerdominierten Gesellschaftsbereichen etwas sinnvolles zu sagen haben und mitmischen könnten. Der Körper der Frau ist dazu da, um zu gefallen.
Und wenn die Frau dem nicht entsprechen kann, sind Body-shaming und Misogynie die Folge. Und wenn sie zu sehr gefällt, ist Slutshaming die Folge. Innerhalb dieses systematisierten Paradoxons ist es nicht nur schwierig, einen Ausweg zu finden, es ist auch schwierig ein normales Verhältnis zum eigenen Körper aufzubauen und sich dieser Gehirnwäsche zu entziehen.
Warum ist das Thema der Versöhnung für dich wichtig?
Das Thema Versöhnung mit dem eigenen Körper spielt für mich im Alltag eine überlebenswichtige Rolle. Meine Essstörung hat zu großen gesundheitlichen Problemen geführt, die ich nur durch Therapie in den Griff bekommen habe. Sie ist aber immer noch ein Teil von mir. Wie kann ich mich also wohl fühlen in meinen Körper, mich gar mit ihm versöhnen, damit ich ein zufriedeneres Leben führen kann? Und muss ich dafür meinen Körper gleich lieben, wie es die „Body positivity“-Bewegung anregt oder kann ich auch einfach meinem Körper dankbar dafür sein, dass er mich trägt, und versuchen mich von der obsessiven Körperfokussierung wegzubewegen?
Kann Versöhnung vielleicht erst dann stattfinden, wenn ich mich mehr meinen Fähigkeiten und Talenten zuwende, die positivere Gefühle erzeugen?
Wie war der kreative Prozess bei der Schaffung dieses Kunstwerks? Planst du viel im Voraus, und entsteht erst der Text oder die Illustration oder umgekehrt? Welche Medien und Methoden hast du angewendet?
Ich habe zuerst den Text geschrieben. Anschließend zeichnete ich eine grobes Storyboard und plante, wie ich Text und Bild auf der Seite verteile. Danach machte ich eine Bleistiftskizze und eine Reinzeichnung mit dem Bleistift. Im Anschluss scannte ich die Seite ein. In diesem Fall habe ich mit Adrian vom Baur kollaboriert – er hat die Colorierung des Comics mit Photoshop gemacht.
Was wäre sonst noch in Zusammenhang mit Ihrem Werk wichtig zu wissen?
Neben diesem Comic mache ich hauptsächlich autobiographische Comics, die auf meinem Blog „blattonisch-diary.blogspot.de“ und auf Instagram erscheinen. Autobiografische Comics zum Thema Feminismus wurden 2018 im Buch Girlsplaining beim Reprodukt Verlag veröffentlicht.
Biographie
Katja Klengel, Jahrgang 1988, ist eine deutsche Comiczeichnerin und Drehbuchautorin aus Berlin. Mit Manga groß geworden, hat sie zu einem ganz eigenen Zeichenstil gefunden, in dem sie den Einfluss der Sailor-Moon- Comics von Naoko Takeuchi mit der Ästhetik amerikanischer Independent-Comics verbindet. Von 2008-2014 studierte sie Kunst an der HfBK Dresden und anschließend Drehbuch an der Dffb (Deutsche Film-und Fernsehakademie Berlin).
Ihren Drehbuchabschluss machte sie mit dem Fantasy- Serienprojekt Vesta , das im Rahmen der Akademie für Kindermedien mit einem Förderpreis geehrt wurde und im selben Jahr für den First Steps Award im Bereich Drehbuch nominiert wurde.
Auf Instagram veröffentlicht sie autobiographische Tagebuchcomics unter dem Titel Blattonisch. Ältere Comics wurden im Jahr 2012 beim Verlag Schwarzer Turm veröffentlicht. Im selben Jahr erschien auch ihr Fortsetzungs-Comic Als ich so alt war mit 100 Folgen in der F.A.Z.
2018 wurde der Comic beim französischen Verlag Casterman unter dem Titel Quand j'avais ton âge veröffentlicht.
2017 schrieb und zeichnete sie für das Online-Magazin Broadly ihre Comic-Kolumne Girlsplaining, die 2018 als Buch beim Comicverlag Reprodukt herauskam.