„Wer sind diese Deutschen?“ fragt Firas Alshater auf seinem Youtube-Kanal „Zukar“. Ein Gespräch mit dem syrischen Filmemacher, der als Flüchtling in Berlin lebt, über Akzeptanz, Heimat und Humor.
Herr Alshater, seit Anfang 2016 haben Sie mit Ihrem Youtube-Kanal „Zukar“ in den sozialen Netzwerken Furore gemacht. In den Medien werden Sie häufig als „Flüchtlings-Youtuber“ kategorisiert. Wie würden Sie sich selbst bezeichnen?
Ich bin einfach nur jemand, der versucht, Probleme darzustellen – für die deutsche Gesellschaft und für Flüchtlinge. Ich bekomme Feedback von Leuten, die meine Videos mögen aber auch von Rechtsextremisten. Damit erreiche ich sehr unterschiedliche Zielgruppen. Aber es ist nicht mein Traumjob, Flüchtling in Deutschland zu sein, ich habe mir das nicht ausgesucht.
In Ihrem ersten Video stellen Sie sich mit den Worten vor: „In Syrien habe ich Filme gemacht, wenn ich nicht gerade im Gefängnis war, weil ich Filme gemacht habe“. Seit Mai 2013 sind Sie in Deutschland. Wie gehen solche unterschiedlichen Leben zusammen?
Ich habe von Anfang an entschieden, dass ich – unabhängig davon, wie die Gesellschaft hier ist – die Menschen akzeptieren muss, damit sie auch mich akzeptieren. Ich muss weitermachen und tun, worauf ich Lust habe. Das ist mein Recht.
In diesem Video, das Sie mit einem Schlag bekannt machte, stehen Sie mit verbundenen Augen auf dem Alexanderplatz, neben sich ein Schild: „Ich bin syrischer Flüchtling. Ich vertraue dir – vertraust du mir? Umarme mich“. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Als im Herbst 2014 so viele Menschen bei den Pegida-Demonstrationen in Dresden „Ausländer raus“ gerufen haben, habe ich mich gefragt: Sind alle Deutschen so? Um das herauszufinden, habe ich mich auf den Berliner Alexanderplatz gestellt und das Video gedreht.
So läuft die Integration
Zu welchem Fazit sind Sie denn gekommen?
Die Deutschen – das sind 80 Millionen Menschen, eine große Gesellschaft. Man kann nicht sagen: Sie sind so oder sie sind anders. Genauso ist es mit den Flüchtlingen. Sie kommen ebenfalls aus großen Gesellschaften mit ganz unterschiedlichen Menschen. Ich muss die Menschen akzeptieren, wie sie sind und umgekehrt. So läuft die Integration. Das will ich mit meinen Videos erzählen.
Ihre Web-Clips sind bis ins kleinste Detail professionell umgesetzt. Welches Team steckt dahinter?
Das Team besteht aus Produzent und Co-Autor Jan Heilig, einem Cutter, einem Kameramann und mir. Wir schreiben das Skript zusammen, tauschen uns aus und entscheiden gemeinsam, was wir am besten finden. Meine Videos drehe ich auf Deutsch, aber ich biete auch mehrere Sprachversionen an – Afghanisch, Arabisch, Englisch – damit sie alle meine Fans verstehen können.
Es ist nicht meine Aufgabe, Politiker zu sein
Sie greifen gesellschaftliche Debatten und Probleme mit viel Witz und Ironie auf. Nach den Ausschreitungen gegen Flüchtlinge in Clausnitz im Februar 2016 thematisieren Sie in dem Video „Workshop: Mein erster Flüchtling“ in Form einer Satire Berührungsängste. Welche Bedeutung hat Humor für Ihre Arbeit?
Humor ist eine gute Art, Herzen zu erreichen und zu öffnen. Ich versuche, mit Humor zu zeigen, wie ich mit bestimmten Problemen als Mensch, als Firas umgehe – und nicht als Flüchtling, als Syrer.
Verstehen Sie sich als politischer Comedian?
Es ist nicht meine Aufgabe, Politiker zu sein oder über politische Themen zu reden. Ich versuche einfach nur, mit Humor meine Message zu erzählen: Es ist wichtig, dass wir uns ohne Vorurteile begegnen. Menschen sind einfach Menschen, egal woher sie kommen.
Gerade Vorurteile spielen in der gesellschaftlichen Debatte über die Flüchtlingsfrage aber eine große Rolle.
Ich finde die Situation eigentlich gar nicht so kritisch. Doch die Medien zeigen vor allem die Problematiken. Momentan hören wir kaum von Leuten, die Flüchtlingen helfen, sondern mehr von Rechtsextremisten. Wir vergessen, dass es noch immer viele Menschen gibt, die Flüchtlinge willkommen heißen.
Heimat ist ein Ort, wo ich mich als Mensch wahrgenommen fühle
Nach den Attentaten in Brüssel im März 2016 stellten Sie das Video „Brüssel, wir alle!“ ins Netz. Darin heißt es: „Araber in Deutschland! Dies ist deine neue Heimat.“ Sie selbst leben im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Was bedeutet für Sie Heimat?
Heimat ist ein Ort, wo ich mich wohlfühle, als ein Teil der Gesellschaft. Es ist der Ort, wo ich mich als Mensch wahrgenommen fühle und keine Angst haben muss, wenn ich meine Meinung sage. In Syrien genügt es schon, sich mit Posts oder Videos gegen Assad zu äußern, und man kommt ins Gefängnis.
Nach Berlin sind alleine im Jahr 2015 fast 80.000 Menschen geflohen, viele davon aus Syrien. Sind Sie Anlaufstelle und Kontaktperson für Ihre Landsleute?
Ich habe viele Kontakte zu Flüchtlingen, vor allem zu Leuten, die ich noch aus Syrien kenne. Viele wenden sich mit Fragen an mich, ich werde gebeten, zu helfen, zu übersetzen. Durch meine Youtube-Arbeit kennen mich mittlerweile sehr viele Menschen.
Was sind Ihre weiteren Pläne?
Wir wollen natürlich die nächste Zukar-Staffel produzieren, ich habe einen Studienplatz im Fach Montage an der Filmhochschule in Babelsberg, und im Herbst erscheint mein erstes Buch. Es gibt viele Möglichkeiten für mich zu arbeiten, viele Türen sind geöffnet. Jetzt muss ich schauen, was am besten für mich passt.
#PromisedLand
Firas Alshater (Jahrgang 1991) wuchs in Damaskus auf, wo er Schauspiel studierte. Er war Mitorganisator der ersten Demonstrationen gegen das Assad-Regime und für ein freies Syrien. Als Aktivist und Filmemacher dokumentierte er die Entwicklung in seiner Heimat, wurde inhaftiert und gefoltert. Seit 2013 lebt Firas Alshater als anerkannter Asylant in Berlin.