Durch den Kontakt mit anderen Menschen erlangt ein Profikiller einen Moment der Ruhe. Die Geschichte der Rückkehr zur Menschlichkeit wird mit fantasievollem Blick auf eine Welt von Zufall und Schicksal gezeichnet.
In eine andere Welt
Die Geschichte beginnt in einem Ausgehviertel in Taiwan, wo Gangster miteinander plaudern und dann ein Blutbad geschieht. Nachdem er seinen Auftrag erledigt hat, kehrt der Profikiller Long (Chang Chen) in sein Hotelzimmer zurück, wo er sich in einer Schüssel mit Wasser das Blut von den Händen wäscht. Anschließend beginnt er auf demselben Tisch mit der Herstellung von gedämpften Teigtaschen.
Sein nächster Auftrag ist in Roppongi, und der Schauplatz wechselt ins nächtliche Tokio. Die Hochhäuser Tokios bei Nacht, das grelle Neonlicht der Ausgehviertel, die schrille Szenerie der Nachtclubs - die Nächte von Taiwan und Tokio scheinen sich zu ähneln, und doch gibt es große Unterschiede. --- Bis hier ist es eine Geschichte aus dem Untergrund voller Gewalt.
Doch Long kann seinen Auftrag nicht erfolgreich ausführen.
... Bitte was?? Es ist schief gegangen!? Er kann es selbst kaum fassen. Von Yakuza-Gangstern gelyncht zu werden ist grausam, und doch nutzt Long im nächsten Moment die Gelegenheit, die ihm Kenji bietet, als dieser auftaucht, um seine Geliebte Lily (Yiti Yao) von den Yakuza zurückzuholen. Long gelingt die Flucht. Versteckt in einem LKW, von Wunden bedeckt, landet er schließlich an irgendeinem Ort in Japan - nein, genau in dem abgelegenen Nest, in dem Lily lebt.
Begegnung mit Fremden
Manchmal wird unser Schicksal vielleicht von den Händen anderer Leute in eine ungeahnte Richtung gelenkt. Ein kleiner Anlass ändert das Schicksal eines Menschen, was sich wie eine Kette auf das Schicksal vieler weiterer Menschen auswirkt. Und diese Kette setzt sich unendlich fort - diesen Gedanken legt jedenfalls die unerwartete Wendung der Geschichte nahe. Ein Junge bringt, ohne ein Wort zu verlieren, für Long Wasser, Kleidung und Gemüse, das er vermutlich irgendwo von einem Feld gestohlen hat. Long, der sich in einer verfallenen Hütte das Gesicht gewaschen hat und endlich zu Atem gekommen ist, beginnt mit einer gefundenen Kelle und einem Topf, das Gemüse zuzubereiten. (Das Bild des Profikillers, der mit Kelle und Kochtopf hantiert, ist irgendwie schräg und passt nicht so recht.) Unerwartet sprechen sich Longs Kochkünste unter den Dorfbewohnern herum. Schließlich eröffnet Long einen Stand mit taiwanesischer Nudelsuppe, und diese Suppenküche wird zu einem riesigen Erfolg. Der Hergang dieser Geschichte ist sehenswert und bringt die Zuschauer zum Lachen.
Long und Lily
Vielleicht hat sie das Schicksal zueinander geführt, ohne dass sie davon eine Ahnung hatten. Oder war es doch eher die starke Liebe Kenjis, die Long zu Lily, der Mutter des Jungen, geführt hat? Auch Lily versucht, eine schlimme Vergangenheit hinter sich zu lassen. Die Bilder von ihr, wie sie mit aller Kraft durch die Straßen Tokios läuft, wie sie ihr Bestes gibt, um ihr Kind aufzuziehen, sind schön und traurig zugleich. Beide, Long und Lily, versuchen alles, um vor ihrer Vergangenheit zu fliehen, aber sie offenbaren sich gegenseitig ihre Vergangenheit nicht. Sie reden kaum, und doch finden ihre Herzen nach und nach zueinander. Es kommen Momente der Ruhe auf, in denen sich Gesichtsausdruck und Gestik des Killers Long ändern und Lily entspannt wirkt. Umso schockierender ist das alles entscheidende Ende der Flucht.
Eine Beziehung, die gerade deshalb entsteht, weil es keine Worte gibt. Für die Beziehung zwischen Long und den Dorfbewohnern braucht es keine Worte. Die Fürsorglichkeit der Dorfleute kommt einseitig von ihrer Seite, ohne dass Long sie auch nur mit einem Wort gewürdigt hätte. (Long kann sich auf Chinesisch gerade mal mit dem Jungen ein bisschen verständigen.) Auch zwischen Long und Lily werden kaum Worte gewechselt.
Der Regisseur SABU hat die Dialoge auf ein Minimum beschränkt und vor allem auf die Kraft der Schauspieler gesetzt.
Seine Werke wurden fünf Mal in die Sektion Forum und zwei Mal in die Sektion Panorama gewählt, und in der Sektion Wettbewerb ist er nach
Chasuke's Journey (2015) nun zum zweiten Mal vertreten. Manchmal führen ungeahnte Begegnungen in eine ungeahnte Zukunft. Sowohl
Chasuke's Journey als auch
Mr. Long lassen dieselbe Fantasie erkennen.