Mit dem Vorwurf herausgekehrter Tugendhaftigkeit werden häufig wichtige Meinungsäußerungen verunglimpft, doch bei all der missbräuchlichen Verwendung handelt es sich dennoch um ein echtes Phänomen: Während der Progressivismus auf politischer Ebene weltweit deutlich an Boden verliert, birgt er wohl mehr kulturelles Kapital als je zuvor, was bedeutet, dass die richtige Meinung in bestimmten Kreisen zu einer harten Währung wird.
Die verbale Äußerung der eigenen Toleranz ist eine Möglichkeit, sich Ansehen unter den Nachbetern zu verschaffen, auch wenn die eigenen Taten insgeheim im krassen Gegensatz dazu stehen. Wie sehr sie auch bei vielen Fragen im Recht seien mögen – das Auftreten von Liberalen umgibt zumeist ein Hauch von Selbstgerechtigkeit.
Sally Potters The Party setzt das Messer mit einiger Kraft genau bei diesen Haltungen an, auch wenn die Klinge dann und wann stumpf ist. Der Titel des Films birgt ein Wortspiel – einerseits bezeichnet The Party die politische Partei, der Kristin Scott Thomas’ Janet angehört, andererseits spielt er auf die Dinnerparty an, zu der Janet anlässlich ihrer Ernennung als Gesundheitsministerin des Schattenkabinetts lädt. Die von ihr geladenen Gäste sind weitgehend platonische Abbilder dessen, was die Zeitung Daily Mail provokativ als „liberale Elite“ bezeichnen würde. Es gibt da einen Verfechter des nationalen Gesundheitswesens aus der Politik, einen gefeierten atheistischen Intellektuellen, ein lesbisches Paar – eine der beiden eine Professorin mit einer ebenfalls atheistischen Weltanschauung – und einen alternden Hippie (dargestellt von Bruno Ganz).
Und dann geht alles schief.
Die Situationskomik entsteht aus einer Reihe Enthüllungen, mit denen die zur Schau gestellten Überzeugungen der Gäste unterminiert werden. Nach und nach entpuppt sich jedes Mitglied der Gruppe als Blender, Heuchler oder Lügner. Noch schlimmer ist, dass der vollgekokste Banker, der den Zorn vieler
Guardian-Leser auf sich ziehen würde, sich letztlich als einer der sympathischsten Charaktere herausstellt.
Inmitten all dessen bewegt sich gelassen Patricia Clarksons April, die ziemlich am Anfang erklärt, dass die Demokratie tot ist. Immer mit einer abschätzigen Herabwürdigung oder einer ätzenden Bemerkung auf der Zunge ist Clarkson von Anfang bis Ende eine Freude, da sie den Zynismus großer Teile des Publikums widerspiegelt.
Potters Ziel ist weder grausam noch in einer politisch rechts orientierten Gehässigkeit gegenüber diesen Charakteren begründet. Ihr Film voll bissigen Humors ist nichts weiter als ein Elixier für die Selbstherrlichkeit einer hoffnungslos geschlagenen Opposition. Diese eine kleine Partei reflektiert die große Politik auf breiter Ebene, wo die Linke ratlos mit der Frage zurückbleibt, wie alles so fürchterlich schieflaufen konnte. April (und, wie man vermutet, Potter selbst) zieht den Schluss, dass bitteres Lachen die einzige Antwort darauf sein kann. Unsere Politik wird uns nicht retten.