Filme und die Festivals, die sie an einen Ort bringen, erfüllen seit langem eine wichtige Aufgabe: Sie helfen, den Graben zu überwinden, der die Zuschauer aus unterschiedlichsten Teilen der Welt trennt. Die Verbreitung von Kultur durch die vielen länderspezifischen Festivals in Australien unterstreicht genau diesen Punkt. Während eine Reise nach Deutschland für viele weder realistisch noch praktikabel ist, bedarf es, um Filme aus und über Deutschland zu sehen, oftmals nur den kurzen Weg zu einer der Vorführungen dieser Festivals.
Natürlich ist es nicht das gleiche, als wenn man tatsächlich im jeweiligen Land wäre. Aber die 24 Einzelbilder pro Sekunde, die von der Kinoleinwand flimmern, können nah genug sein. Filme sind ein Fenster in ein Land mit seinen Geschichten, die selbst jemandem, der tatsächlich vor Ort ist, entgehen könnten. Sie bieten den Zuschauern die Möglichkeit, zu entdecken - ohne weit zu reisen und haben gleichzeitig mehr Parallelen zu einer eigentlichen Berlinale-Reise als man auf den ersten Blick annehmen würde.
Ein Festival-Programm vollgepackt mit über 400 Filmen macht es unmöglich, sich alle anzuschauen. Und während man fast den ganzen Tag und die ganze Nacht im Berlinale Palast, Cinemaxx oder CineStar verbringt, ist es implausibel das komplette Spektrum Berlins und Deutschlands kennenzulernen. Das ist auch der Grund, warum jedes Mal, wenn einer der Spielfilme eine Referenz zu Stadt oder Land macht, das Publikum von einem interessierten Buzz infiziert scheint. Bald scheint es die Natur der Sache zu sein, nach solchen Referenzen zu suchen. Egal aus welchem Land ein Film kommt, die Bezüge zu Deutschland überschlagen sich.
Return to Montauk © Wild Bunch Germany 2017 / Ann Ray
Manche sind offensichtlich. Der Eröffnungsfilm Django schickt seinen Protagonisten während des zweiten Weltkriegs auf Tour durch Deutschland, Der junge Karl Marx umreißt die formativen Jahre zweier deutscher Denker und Return to Montauk erzählt die Geschichte einer deutschen Frau, die in New York lebt (gespielt von der unnachahmlichen deutschen Schauspielerin Nina Hoss). Manche Referenzen sind subtil. So zum Beispiel, wenn in Freak Show das Verhalten eines Lehrers, der nichts gegen Mobbing unternimmt, mit dem während des Krieges verglichen wird. Beide sind in ihrer eigenen Art aufschlussreich. Egal ob es darum geht, dass die erste Hälfte des Films On the Beach Alone at Night in Hamburg spielt oder der spähende Blick eines Touristen auf den Berliner Fernsehturm in Berlin Syndrome. Zusammen formen sie auf der Leinwand einen flüchtigen Eindruck der Gegend und der Nation inmitten derer die Berlinale Zuschauer sitzen, die sie aber nicht immer selbst erleben können. So vergehen die Tage und formen beim Festival-Besucher eine Perspektive, die bedingt, wie diese ihre Umgebung mit den Menschen, Meinungen und Orten, wahrnehmen.
Interessenterweise funktioniert diese Formel auch umgekehrt für Film Festival Reisende in fremden Ländern. Die Augen leuchten und die Ohren spitzen sich jedes Mal, wenn bekannte Bilder oder Klänge aus der Heimat auftauchen. Und für eine Australierin in Berlin sind das einige. Fünf Spielfilme und vier Kurzfilme aus Australien laufen 2017 im Programm der Berlinale, unter ihnen Red Dog: True Blue, Emo the Musical, Casting JonBenet und Monsieur Mayonnaise sowie eine retrospektive Ausstrahlung von Dark City. Geoffrey Rush spielt in Final Portrait und Hugh Jackman in Logan – wenn auch ohne australischen Akzent.
Dies sind die erwartungsgemäßen Assoziationen. Andere, überraschendere kommen auch zum Vorschein. So zum Beispiel, wenn Emily Brownings Aussie Protagonistin in Golden Exits von Zuhause erzählt oder, wenn man herausfindet, dass Spoors Patricia Volny in Australien aufgewachsen ist. Und dann ist da noch Ana, Mon Amour– nur aufgrund eines Songs, der kaum hörbar ist und es dennoch schafft, den Berlinale Mitbewerber direkt mit dem Land Down Under in Verbindung zu bringen.