Future Perfect
Die üblichen und die unüblichen Verdächtigen

Brad Henderson and Roger Johnson
© CivicAction

Führungskräfte der größten Banken Kanadas taten sich mit anderen Unternehmen, Vermietern, Behördenvertretern und Freiwilligen zu einer Race to Reduce zusammen. In diesem „Reduktionswettrennen“ sparten sie die Menge an Kohlendioxid-Emissionen ein, die wegfiele, wenn 4.200 Autos plötzlich von den Straßen Torontos verschwänden.

Dass man altmodische Glühbirnen gegen moderne Energiesparlampen austauscht, dass man Jahrzehnte alte Heizungs- und Klimaanlagen modernisiert und Büros so einrichtet, dass sie das Sonnenlicht nutzen, mag sich banal anhören. Aber diese Maßnahmen können dramatische Veränderungen bewirken.

Vermieter und Unternehmen aus dem Großraum Toronto in Kanada trafen im Rahmen einer Initiative namens Race to Reduce – zu deutsch etwa „Reduktionswettrennen“ – solche Maßnahmen, um zu sehen, welche Firma ihren Energieverbrauch schneller würde senken können. Zusammen reduzierten sie ihre Kohlendioxid-Emissionen so sehr, dass es auf das Gleiche herauskäme, wenn man über 4.200 Autos von den Straßen Torontos entfernen würde. Gleichzeitig sparten sie 13,7 Millionen Kanadische Dollar ein und gehörten zu den 15 Finalisten der 2015 Energy Globe Awards, für die 2.000 Bewerbungen eingegangen waren.

Von der Zögerlichkeit zum durchschlagenden Erfolg


Als CivicAction, eine Organisation, in deren Rahmen Wirtschaftsführer und Lokalpolitiker gemeinsam auf die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen des Großraums Toronto reagieren wollen, im Jahr 2011 die Race to Reduce ins Leben rief, waren die Verantwortlichen nicht sicher, ob sie ein Erfolg werden würde. Einige große Immobiliengesellschaften und Großunternehmen beäugten die Idee mit Vorsicht, erläutert Brad Henderson, Kovorsitzender des Leitungsgremiums der Race to Reduce. Ein paar von ihnen meinten, sie trügen bereits ihr Scherflein bei. Andere erwarteten – fälschlicherweise –, der Wettbewerb würde mehr kosten als einsparen.

„Wir hatten die Hoffnung, dass unsere Bemühungen dauerhafte Verhaltensänderungen herbeiführen würden ... eine andere Perspektive auf das Handeln der Menschen und ihre Interaktionen mit dem physischen Raum sowie den daraus resultierenden Energieverbrauch“, erinnert sich Henderson. „Das war ein hoch gestecktes Ziel.“

Trotz allem war klar, dass diese Initiative – einer der größten regionalen Energiewettbewerbe der Welt – beträchtliche Auswirkungen haben könnte. Ein Professor für Bautechnik an der Universität Toronto schätzte damals, dass die Büroflächen für ein Fünftel der Kohlendioxid-Emissionen der Stadt verantwortlich seien.

Henderson war damals geschäftsführender Regionaldirektor der Niederlassung Toronto von CBRE Limited, einer Immobiliengesellschaft, und wollte die Herausforderung gern annehmen. Die Race to Reduce, die sich zum Ziel gesetzt hatte, den Energieverbrauch der Büros in Toronto von 2011 bis 2014 um zehn Prozent zu senken, wuchs unter seiner Federführung, um schließlich mehr als 196 Gebäude zu umfassen, die zusammen über 42 Prozent der Büroflächen Torontos ausmachen.

Ende 2014 hatte der Wettlauf sein Ziel sogar übertroffen: Die Büros verzeichneten einen Rückgang um 12,1 Prozent beziehungsweise fast 193 Millionen kWh gegenüber dem Jahr 2011. In 21 Gebäuden wurde der Energieverbrauch um mehr als 20 Prozent gesenkt, und im Archiv der Stadt Toronto sank der Verbrauch um satte 59 Prozent.

Zusammenspiel im Sandkasten


In einer Zeit, da zahllose Umweltprobleme ungelöst bleiben, weil die betroffenen Menschen nicht zusammenarbeiten, wurde die Race to Reduce ein Erfolg, weil sie verschiedene Akteure in einem – so nennt es CivicAction – „neutralen Sandkasten“ zusammenführte. Der Wettlauf funktionierte, weil er in einem Raum stattfand, in dem sich Wirtschaftsführer und Führungspersönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen zusammenfanden, um auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, ohne dass jemand den Platz am Kopfende des Tisches beanspruchte.

„Der Energieverbrauch eines Bürogebäudes wird zu 50 Prozent von der Nutzung durch die Kunden – die Mieter – bestimmt, nicht bloß vom Gebäude an sich“, erklärt Sevaun Palvetzian, die Geschäftsführerin von CivicAction. Es sei unüblich, dass sich Mieter und Vermieter regelmäßig treffen, erläutert sie – geschweige denn, dass sie Möglichkeiten planen, gemeinsam Energie zu sparen.
  • Brad Henderson bei der Preisverleihung der Race to Reduce am 5. November 2015 © Alyssa K. Faoro
  • Sevaun Palvetzian, Geschäftsführerin von CivicAction © CivicAction
  •  Roger Johnson bei der Preisverleihung der Race to Reduce © CivicAction
  • PWC Building © CivicAction
  • Rogers Building South Exposure © CivicAction
  • Toronto Dominion Centre © CivicAction
  • Toronto Richmond Adelaide Centre © CivicAction

Die Konkurrenz zwischen den Teilnehmern – vor allem die Beteiligung der großen Banken Kanadas – trug dazu bei, dass in der Race eine kritische Masse zustande kam, und motivierte zum aktiven Handeln. „Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Die fünf größten Banken des Landes befinden sich alle in Abständen von 100 Metern in der Innenstadt von Toronto“, erklärt Roger Johnson, der andere Kovorsitzende des Führungsgremiums von Race to Reduce, außerdem Senior Vice President der Toronto Dominion Bank Group – einer der Großen Fünf. „Und natürlich konkurrieren wir miteinander. Die Umwelt ist den Kanadiern wichtig, und wir alle wollen unser Bestes geben.“

Gemeinsam besser werden


Die Banken, die in Toronto immense Büroflächen mieten, zogen ihre Vermieter und benachbarte kleinere Mieter hinzu. Auch verschiedene behördliche Ebenen kamen ins Boot, während die Versorgungsunternehmen den Teilnehmern bei der Planung halfen und einen Teil der Kosten übernahmen. Angestellte erinnerten einander gegenseitig daran, am Ende des Arbeitstags die Lichter und die Computer auszuschalten, und verschiedene Unternehmen tauschten untereinander die Tricks aus, mit denen sie den Energieverbrauch senken. Große Firmen wie die erwähnte TD Bank, die eine Mieterversammlung der Immobiliengesellschaft Cadillac Fairview organisierte, stellten ihre Strategien auch kleineren Unternehmen mit weniger Ressourcen zur Verfügung.

„Wir sind in dem, was wir tun, alle gemeinsam besser geworden“, erklärt Johnson. Tatsächlich ergab eine Umfrage von CivicAction, dass 62 Prozent der Teilnehmer die durchgeführten Veränderungen nicht vorgenommen hätten, wenn sie nicht an der Race to Reduce beteiligt gewesen wären.

Laut Palvetzian wirkte die Zusammenarbeit der „üblichen und der unüblichen Verdächtigen“ als Auslöser für Maßnahmen, die andernfalls unter den Tisch gefallen wären. Jetzt blickt das Team über den Zaun, teilt seine Ressourcen mit anderen kanadischen Städten sowie mit dem kanadischen Verband der Gebäudeeigentümer und Gebäudeverwalter und blickt auch ins Ausland. „Alle müssen dabei sein, die Ärmel hochkrempeln und auf das gleiche Ziel zumarschieren“, ist Palvetzian überzeugt.