Geräuschemacher
Die Kunst der Geräusche
Knarrende Türen, singende Schwerter und knirschender Schnee – Geräusche machen die Geschichten lebendig. Der Geräuschemacher Max Bauer spricht im Interview über seinen Beruf und erklärt, wie er bei Zuhörer*innen ein Kopfkino entstehen lässt und für Gänsehaut sorgt.
Von Marta Krus
Max Bauer, wie klingt eigentlich dein Beruf?
Max Bauer: Mein Beruf klingt sehr vielfältig. Ich mache alles, was in Hörspielen oder auch in Filmen gewünscht wird, also alles, was klingen kann. Mein Beruf klingt, wie die ganze Welt klingt und manchmal sogar noch ein bisschen mehr. Manchmal darf ich mir Sachen ausdenken, die nicht real sind, zum Beispiel wie ein schlimmer Traum klingt.
Braucht man in Zeiten riesiger digitaler Archive mit Sounds und Geräuschen heutzutage noch Geräuschmacher*innen?
Die Frage höre ich ganz oft. Ich sage mal so, rein theoretisch bräuchte es Geräuschemacher nicht, weil es alle Töne schon gibt und man diese verändern kann. Aber richtig passen tut es so nie. Wenn im Hörspiel ein Schwert zu Boden fällt und der Regisseur oder die Regisseurin sagt: Das Schwert muss so klingen, wie wenn gleich jemand damit getötet werden könnte – oder das muss so klingen, als ob keiner Fliege etwas zu Leide getan werden könnte – noch viel schwieriger vielleicht – dann braucht es ein Geräuschemacher, der das Schwert herunterwirft.
Wie wird man Geräuschemacher*in?
Der häufigste Weg geht über das Studium oder den Beruf des Sounddesigns. Zu meiner Zeit, also vor 30 Jahren, war es noch so, dass das Geräuschemachen nur im Lehrer-Schüler-Verhältnis überliefert wurde. Ich hatte meinen Meister, bei dem ich drei Jahre Assistent war. Wir saßen nebeneinander und haben oft zeitgleich an einer Film- oder Hörspielsequenz gewerkelt.
Varietékünstler*innen, die mit Geräuscheffekten das Bild vertont haben, waren im Grunde die ersten Geräuschemacher*innen.
Jack Donovan Foley war der erste, der die bildsynchrone Vertonung professionalisierte und spezialisierte und er war einer der ersten Geräuschemacher in Hollywood. Deshalb heißt dieser Beruf heutzutage im Englischen auch Foley-Artist. Das war 1929. In Amerika gab es schon in den 1890er-Jahren die ersten Filmvertonungsversuche und auch in Deutschland gab es damals schon Leute, die auf der Bühne standen und als Varietékünstler oder als Showeinlage auftraten und so mit Geräuscheffekten das Bild vertont haben. Das waren im Grunde schon die ersten Geräuschemacher. Sie hießen damals noch Geräuschimitatoren. In Amerika hießen sie Effektboys, weil sie Geräuscheffekte zum laufenden Bild produziert haben.
Wie wurden damals die Geräusche in Hörspielen gemacht?
Im Radio wurde lange Zeit versucht, die Klänge eigentlich immer von den Protagonisten oder Protagonistinnen selbst herstellen zu lassen. Es gibt ein berühmtes Hörspiel von, ich glaube es war Arnolt Bronnen, ein Dramatiker und Hörspielregisseur aus den 1920er-, 1930er-Jahren, der Wallensteins Lager als Hörspiel gemacht hat. Die Schauspieler und Schauspierinnen haben in voller Montur gespielt, um die Geräuschebene zu bedienen. Heutzutage würden Geräuschemacher*innen diese besonderen Geräusche umsetzen und nicht die Schauspieler*innen. Im Hörfunk hat das Handwerk eigentlich weniger Verankerung oder Bedeutung erlangt als im Bewegtbild.
Wie hat sich das Handwerk in Bezug auf Radio und Hörspiele weiterentwickelt?
Das Radio oder das Hörspiel hat sich sehr schnell und sehr früh zu einem künstlerischen Medium entwickelt. Das hat in den 1950er-Jahren angefangen, als man in Hörspielen mit spannender Musik, mit Klanggestaltung, spannenden Schnitttechniken oder Sprüngen und ästhetischen Verfremdungen gearbeitet hat. Das macht man auch heute noch. Das macht künstlerisch sehr viel Spaß, aber bietet eher Raum für Musik, Komposition und Sounddesign als für das Geräuschmachen an sich.
Hörspiele, wo jemand zum Beispiel zur Tür reinkommt, die Tür geht auf und zu, und man hört „klack, klack“, das gab es eine Zeit lang gar nicht mehr. Es gab eine Phase, wo ich das Gefühl hatte, dass man den Beruf im Radio gar nicht mehr braucht. Aber jetzt fängt das Hörspiel wieder an, eher sozialdramatisch zu werden und weniger postdramatisch, performativ und klanggestalterisch. Es geht mehr um Realismus und Überhöhung. Da macht das Handwerk wieder Spaß und wird gebraucht.
Das Hörspiel ist für mich die Königsdisziplin des Geräuschemachens.
Ich habe mit einer Autorin und Hörspielmacherin aus Wien an einem sehr spannenden Hörspiel gearbeitet, das in Deutschland in Koproduktion mit dem Hessischen Rundfunk entstanden ist. Da ging es um eine sehr abstrakte Situation eines Textes, der von jemandem gesprochen wird, der gleichzeitig Leichenteile stapelt. Das war sowohl handwerklich als auch textlich sehr abstrakt. Ich musste umsetzen, dass man spürt und versteht, dass es in dem Hörspiel um ein Massaker geht und um die Frage, warum so etwas passiert und wo es klanglich herkommt und hingeht. Das war eine große Herausforderung. Dafür braucht man einen erfahrenen Geräuschemacher, denn es stellt sich die Frage: Wo ist der Unterschied zwischen Zombie und Realismus?
Das Hörspiel ist für mich die Königsdisziplin des Geräuschemachens, weil du Geschichten erzählen musst, die nicht vom Bild gedeckt werden. Der Geräuschemacher muss sehr genau und präzise sein. Auge und Ohr gemeinsam lassen sich leicht täuschen, das Ohr allein ist viel genauer und lässt sich nicht so leicht betrügen.
Da kennen wir vieles schon aus unserer eigenen Lebenserfahrung. Für manche Menschen ist es schlimm, wenn Kreide auf einer Tafel quietscht. Es gibt Töne, die lösen erstmal Unbehagen, Gänsehaut oder Schrecken aus. Da fängt die Psychoakustik an. Es gibt im Tiefbassbereich einen ganz tiefen Ton, der eine Situation unheimlich und gefährlich macht. Im Theater mache ich das gerne, die Zuschauer wissen nicht genau „höre ich was oder höre ich nichts“. Aber da passiert was mit der Wahrnehmung der Zuhörer und Zuhörerinnen. Das ist schon aufregend. In meiner Arbeit versuche ich aber Töne und Frequenzen, die wehtun zu vermeiden, denn die Menschen sollen ja nicht weghören, sondern zuhören.
Was macht eine*n gute*n Geräuschemacher*in aus?
Ein Geräuschemacher muss die Geschichte oder die Figur spüren und inhaltlich verstehen, aber auch psychologisch verstehen. Das ist für mich das Wichtigste. Ich fühle mich oft wie ein Schauspieler. Ich gehe in die Rolle hinein, versuche sie zu verstehen und bewege ich mich dann so wie diese Figur. Ich kämpfe wie sie und ziehe die Waffe so wie sie. Das ist eigentlich Schauspiel und auch ein psychologisches Spiel. Ich denke, das ist die hohe Kunst des Geräuschemachens.
Im Interview verrät Max Bauer einige Tricks, wie man Klänge herstellen kann. Knirschende Schritte im Schnee lassen sich zum Beispiel mit Stärke gefüllten Stoffbeuteln, die geknetet werden, erzeugen.