ist Autorin mehrerer wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Artikel und hat für ihre Arbeit eine Reihe angesehener Auszeichnungen und Stipendien erhalten. Seit 2015 ist sie darüber hinaus als Illustratorin, Comicautorin und kreative Beraterin für verschiedene Kunsterziehungs- projekte tätig. Bis heute entfaltet sich ihr Werdegang um die Thematik interkultureller Bildung und einen Dialog mit fast vierzig Ländern herum, darunter Niger, Mexiko, Kambodscha und Indonesien. Seit 2020 arbeitet sie am Collège Ahuntsic als pädagogische Beraterin für Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion.
Deutsche Übersetzung
1.
Ellen Gabriel
Territorium
2.
Michèle Audette
Anerkennung
3.
Sébastien Brodeur Girard
Zusammenleben
4.
Marie-Eve Bordeleau
Regieren
5.
Prudence Hannis
Befähigung
6.
Jacques Kurtness
Weitergabe
7.
Anna Mparachee
Icikici8e8inan
8.
Geneviève Sioui
Ausbildung
9.
Melissa Mollen-Dupuis
Die Versöhnung ist tot, es lebe die Versöhnung!!
Wie vor allem der 2015 vorgelegte Bericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission Kanadas (Truth and Reconciliation Commission, TRC) gezeigt hat, ist die Geschichte der Beziehungen Kanadas zu den indigenen Völkern des Staatsgebiets von ungewöhnlicher Gewalt durchdrungen.
Unter den Assimilierungsmaßnahmen, die im Zuge des Ethnodzids (d.h. kulturellen Völkermords) unter den aufeinanderfolgenden Regierungen zur Agenda wurden, sind besonders hervorzuheben die Strategien territorialer Enteignung, die erzwungene Reservatbildung, die Aufoktroyierung des von Kanadiern beschlossenen Rechts (in einem ehemals l’Acte des Sauvage= Wildengesetz genannten Edikt), sowie das Umerziehungssystem der Internate, das Massaker an Schlittenhunden, die Razzien der sechziger Jahre usw.
Auch heute noch müssen die Ureinwohner gegen die institutionellen, systemischen und intergenerationellen Auswirkungen dieser Gewalt ankämpfen, um den Heilungsprozess auf individueller und kollektiver Ebene in Gang setzen zu können. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Frage der (Wieder-)Versöhnung ein komplexes Unterfangen ist, das unbedingt durch Prozesse der authentischen Anerkennung vorangetrieben werden muss, vor allem aber durch echte Veränderungen und Entschädigungen, die über bloße Lippenbekenntnisse hinausgehen.
Die umstrittenen Ereignisse des Jahres 2020 haben einmal mehr gezeigt, dass der Weg zu diesem Ziel kein geradliniger ist, sondern einer, der manchmal in eine Sackgasse zu führen scheint oder ein Zurückfallen hinter schon Erreichtes erzwingt - vor allem, wenn es um die wirtschaftliche Nutzbarmachung der Territorien geht, die man heute Kanada nennt.
Trotz großer Enttäuschungen und einer erneuerten Skepsis leisten weiterhin viele Akteure der professionellen und zivilgesellschaftlichen Szene – darunter autochthone und allochthone – jede/r auf seine Weise einen Beitrag zur Bekräftigung territorialer, politischer, sprachlicher, kultureller und identitätsbezogener Ansprüche der First Nations, der Inuit und der Métis.
Diese Widerstandskraft soll in meiner Zeichnung gewürdigt werden, indem sie in nicht erschöpfender Weise einige der maßgeblichen Persönlichkeiten zitiert und gleichzeitig auf der Beteiligung, der Stärke und der Führungsqualität indigener Frauen beharrt.
Als Bürgerin Quebecs, als Kanadierin, Weiße und Trägerin vielfältiger Privilegien bin ich zutiefst davon überzeugt, dass alle Bewohner*innen des Gebiets sich von Fragen des Zusammenlebens, der Gleichheit und der sozialen Gerechtigkeit angesprochen und betroffen fühlen sollten. Wie Richter Murray Sinclair, Kommissar der TRC und Anishinaabe-Senator, zu Recht in Erinnerung ruft, ist Versöhnung kein Problem der Autochthonen, sondern ein Problem der Kandier*innen. Wir sind daher alle Teil des Problems, aber ebenso sind wir auch alle gemeinsam Teil der Lösung, wenn es eine gibt.
Geprägt von einem doppelten Hintergrund - in der Anthropologie und in der Kunst - arbeite ich seit fast zehn Jahren auf dem Gebiet First Nations und Bildung. Die hier präsentierte Zeichnung ist von der verzahnten Methode (Recherche und künstlerische Weiterentwicklung) meiner Doktorarbeit inspiriert - Des histoires à raconter : d’Ani Kuni à Kiuna (Geschichten, die es zu erzählen gilt: Von Ani Kuni bis Kiuna): ein nachdenklicher, relationaler und gesprächsoffener Comic, der sich seit 2016 dank der Beiträge von mehr als fünfzig autochthonen und allochthonen Künstler*innen (darunter den neun hier vorgestellten Persönlichkeiten) weiterentwickelt hat.
Jeder der farbigen Hintergründe auf dieser Seite stellt eine der kommunizierenden Seiten derselben zentralen Figur – die der Begegnung - und eröffnet dadurch gewissermaßen wie ein Fenster einen Blickpunkt auf das Werk, das Engagement und die Leistungen dieser lokalen Persönlichkeit.
Die Überschriften basieren auf den Beiträgen und Zitaten, die ich während meiner Recherchen sammeln konnte, aber auch auf den Tätigkeitsbereichen der in den Vordergrund gerückten Persönlichkeiten. Diese Wahl wurde selbstverständlich – genauso wie die des jeweiligen Porträts – mit der dargestellten Person besprochen und ihre Zustimmung eingeholt.
Ellen Gabriel (Katsi'tsakwas) ist eine Kanien'kehá:ka (Mohawk)-Aktivistin aus Kanehsatà:ke mit einem Bachelorabschluss in Kunst von der Concordia-Universität. Sie fungierte als Sprecherin der Kanehsatà:ke-Gemeinde während der Oka-Krise von 1990. Ihr Wirken entfaltete sie insbesondere als Kunstlehrerin und als Präsidentin der Vereinigung der Autochthonen Frauen Quebecs (Femmes Autochtones du Québec, FAQ). Sie ist Empfängerin mehrerer prestigeträchtiger Preise und Ehrungen, die ihren Aktivismus und ihr Engagement auszeichnen. Im Mittelpunkt ihres politischen Handelns steht seit jeher die Verteidigung des traditionellen Territoriums der Kanehsatà:ke.
Me Marie-Ève L. Bordeleau ist Mitglied der Cree Nation von Waswanipi des Territoriums Eeyou Istchee. Sie hat einen Bachelorabschluss in Rechtswissenschaften an der Universität Laval erlangt und wurde 2007 als Anwältin in Quebec zugelassen. Unter anderem war sie Mitbegründerin der Clinique de médiation mobile (Praxis für mobile Mediation) für autochthone Gemeinschaften und politische Einrichtungen, die es sich zum Ziel gemacht hat, deren Zugang zur Justiz zu fördern. Marie-Ève L. Bordeleau, die mit der Médaille du souverain pour les bénévoles (Medaille für zivilgesellschaftliches Engagement) ausgezeichnet wurde, ist seit Januar 2018 Kommissarin der Stadt Montreal für die Beziehungen zu den autochthonen Völkern.
Anna Mapachee ist eine Anicinape und Pikogan Cree. Während ihres Universitätsstudiums an der Université de Montréal spielte sie eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Cercle Ok8api (Interessengemeinschaft der autochthonen Studierenden) und bei der Einrichtung von Serviceangeboten speziell für autochthone Studierende (des Salon Uatik). Mit Abschluss ihres Bachelor-Studiums erhielt sie den Claude-Kistabish-Preis und wandte sich der Lehre der Anicinape-Sprache an der Concordia-Universität und späteran der Bildungseinrichtung Institution Kiuna zu.
Darüber hinaus arbeitet sie als Rednerin und Beraterin für verschiedene kulturelle und linguistische Projekte.
Michèle Taïna Audette ist eine Innu und Quebecoise. Sie wurde in Wabush (Labrador) geboren und wuchs zwischen Schefferville, Mani-Utenam und Montreal auf. Sie studierte Bildende Kunst an der Université du Québec (UQAM) und anschließend Kunstpädagogik an der Concordia-Universität, und erhielt schließlich einige Jahre später, im August 2018, die Ehrendoktorwürde der Université de Montréal für ihr politisches und soziales Engagement bei der Verteidigung der Rechte autochthoner Frauen.
Sie war u.a. Präsidentin der FAQ (Femmes Autochtones du Québec) und der Vereinigung Autochthoner Frauen Kanadas (Association des Femmes Autochtones du Canada, AFAC) sowie Kommissarin der nationalen Untersuchung über verschwundene und ermordete indigene Frauen und Mädchen (National Inquiry into Missing and Murdered Indigenous Women and Girls). Seit den Herbst 2019 hat sie den Posten der leitenden Beraterin für Versöhnung und indigene Bildung an der Universität Laval inne.
Prudence Hannis ist ein Mitglied der Wabanaki-Gemeinschaft in Odanak. Akademisch ausgebildet durch ein Studium der Soziologie (an der UQAM) und der öffentlichen Verwaltung (am ÉNAP), wurde sie bei Gründung des Centre d’études collégiales des Premières Nations - Kiuna – im Feburar 2011 durch den Bildungsrat der First Nations (Conseil en Éducation des Premières Nations) zur Dirketorin ernannt und hat seither diesen Posten inne.
Angetrieben von ihrer Vision gesunder Gemeinschaften, die sie aufzubauen hilft und ihrer Passion für die Verteidigung indigener Rechte hat sie über die letzten zwanzig Jahre ihren Wirkungskreis in vielen verschiedenen autochthonen Organisationen gefunden: Ob als Angestellte oder als externe Beraterin – ihr kommt eine Schlüsselposition bei der Erarbeitung zahlreicher Strategien und politischer Handlungspläne für Regierung und autochthone Institutionen zu, und das sowohl auf der Provinz- als auch auf nationaler Ebene.
Den verschiedenen Initiativen, die sie umzusetzen wusste, verdankt sich ihre enge Zusammenarbeit mit jeder der First Nations Quebecs, sowie mit vielen Akteur*innen autochthonen wie allochthonen Ursprungs, die teils in der Zivilgesellschaft verwurzelt sind, teils in Gemeindegruppen oder sogar in den Regierungsbehörden Quebecs und anderer Provinzen.
Geneviève Sioui ist eine Angehörige der Wendat und Quebecerin. Sie ist in Quebec City aufgewachsen und hat dann ihren Bachelor in Anthropologie sowie einen DESS-Abschluss in Gesellschaft, öffentlicher Politik und Gesundheit an der Université de Montréal erworben. Unter ihren Tätigkeiten ist insbesondere ihre Arbeit als Aushilfskraft im Unterricht am Centre d’Amitié Autochtone von Lanaudière und am Cégep Régional in Lanaudière hervorzuheben.
Darüber hinaus hat sie am Kiuna-Institut Anthropologie gelehrt. Derzeit ist Geneviève an der Concordia-Universität für den Aufbau und das Management von Partnerschaften mit den Interessenvertretungen indigener-Gemeinschaften zuständig.
Sébastien Brodeur-Girard ist in Saint-Hyacinthe geboren und aufgewachsen. Er ist Mitglied der Anwaltskammer und Professor am l’École d’études autochtones der Université du Québec en Abitibi-Témiscamingue (UQAT), wo er unter anderem das Recht und die Rechtssysteme der verschiedenen First Nations lehrt.
Seinen Doktor in Geschichte hat er am École des Hautes Études en Sciences sociales de Paris gemacht und dann mehrere Jahre auf diesem Gebiet gearbeitet. Er ist Verfasser von populärhistorischen Werken, Lehrbüchern und Lehrmaterialien.
Vor kurzem beteiligte er sich als Forschungs-Co-Direktor an der Arbeit der Commission d’enquête sur les relations entre les Autochtones et certains services publics : écoute, réconciliation et progrès (Untersuchungskommission über die Beziehungen zwischen Ureinwohnern und bestimmten öffentlichen Diensten: Zuhören, Versöhnung und Fortschritt).
Jacques Kurtness ist ein Angehöriger der Ilnu und stammt aus Maschteuiatsch. An der Universität Laval promovierte er in Psychologie. Unter seinen Tätigkeiten und Positionen sind unter anderem sein Direktorat am Collège Manitou und seine Forschung und Lehre an der Université du Québec (Chicoutimi) von 1979 bis 1999 zu nennen, sowie sein Wirken als Verhandlungsführer beim Conseil Attikamekw-Montagnais und beim Conseil tribal Mamuitum zwischen 1991 und 1997.
Eine weitere wichtige Station war seine Arbeit als Regionaldirektor bei der Aushandlung und Implementierung von Verträgen für das Ministerium für indianische und nördliche Angelgenheiten (Indigenous and Northern Affairs Canada), Region Quebec.
Geschätzt und gefragt ist seine Expertise darüber hinaus im Rahmen verschiedener Forschungsgruppen und –Projekte, etwa am Centre interuniversitaire d’études et de recherches autochtones (CIÉRA) und am Réseau Dialog. Außerdem war er Teil verschiedener wissenschaftlicher Ausschüsse für eine Vielzahl kultureller Projekte -darunter die indigenen Ausstellungsräume (Les Espaces autochtones) des Musée de la civilisation de Québec (MCQ), die Ausstellung Génie autochtone des Centre des sciences und diverse Projekte der Organisation La Boîte rouge vif.
Melissa Mollen Dupuis ist eine multidisziplinäre Innu-Künstlerin aus Ekuanitshit. Sie zählt zu den Mitbegründerinnen der Idle No More Québec Bewegung, zusammen mit Widia Larrivière. Seit 2014 ist sie Vorstandsvorsitzende von Wapikoni mobile und darüber hinaus seit 2018 verantwortlich für die Waldkampagne der David Suzuki Foundation. Für ihr Engagement erhielt sie zahlreiche Ehrungen, darunter die Auszeichnung als „Botschafterin des Gewissens“ von Amnesty International.
Zu sehen und zu hören ist sie in der Sendung „Parole autochtones avec Melissa Mollen Dupuis“, die zur Programmreihe Espaces autochtones von Radio Canada gehört.
Danke an alle Mitwirkenden sowie an Annie Ouellette und Arij Riahi für das Leihen von Fotografien. Danke auch an Kijâtai-Alexandra Veillette-Cheezo, die man unter den trommelnden Demonstranten auf dem Bild erkennen kann.
Emanuelle Dufour
Emanuelle Dufour ist gebürtige Quebecerin und lebt in Montreal. Sie ist dort Doktorandin der Kunstpädagogik an der Concordia-Universität und hat einen Master-Abschluss in Anthropologie von der Université de Montréal (UdeM). Ihre Bemühungen haben dazu beigetragen, dass an der UdeM ein Serviceangebot für First Nations-Studierende eingerichtet wurde. Darüber hinaus hat sie ein Zertifikat als Filmdrehbuchautorin (an der UQAM) und einen interdisziplinären Master-Abschluss in Kunst (an der Université Laval) erworben.
Seit 2011 arbeitet sie als Koordinatorin und Projektmanagerin, als Hilfskraft und später wissenschaftliche Mitarbeiterin sowie als Beraterin an verschiedenen Projekten mit, die sich mit der Sicherung autochthoner Kultur und mit den Begegnungsprozessen zwischen den autochthonen und allochthonen Bevölkerungsgruppen befassen.
Sie ist Autorin mehrerer wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Artikel und hat für ihre Arbeit eine Reihe angesehener Auszeichnungen und Stipendien erhalten.
Seit 2015 ist sie darüber hinaus als Illustratorin, Comicautorin und kreative Beraterin für verschiedene Kunsterziehungsprojekte tätig. Bis heute entfaltet sich ihr Werdegang um die Thematik interkultureller Bildung und einen Dialog mit fast vierzig Ländern herum, darunter Niger, Mexiko, Kambodscha und Indonesien. Seit 2020 arbeitet sie am Collège Ahuntsic als pädagogische Beraterin für Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion (Equity, Diversity and Inclusion - EDI).