Das aktuelle Jahresgutachten des Sachverständigenrats für Integration und Migration zeigt es deutlich: Das deutsche Gesundheitssystem funktioniert nur mit Fachkräften aus dem Ausland. Was brauchen Mediziner*innen, Pflegekräfte und Therapeut*innen, um am Arbeitsplatz erfolgreich zu kommunizieren?
Wer in einem Gesundheitsberuf arbeitet, braucht neben dem Fachwissen auch unterschiedlichste sprachliche Kompetenzen. Wie stellen sich Pflegekräfte beispielsweise den Patient*innen gegenüber vor? Wie schreiben sie einen Pflege- oder Therapiebericht? Wie schaffen sie es, das Vertrauen der Menschen gewinnen, Verständnis für ihre Bedürfnisse zu entwickeln, sich ein Standing im Team zu erarbeiten und vielleicht auch am Arbeitsplatz persönliche Kontakte zu knüpfen? Nachdem der Arzt seinen Patienten untersucht hat, erklärt er ihm zum Beispiel die Diagnose. Er berichtet dem Hausarzt in einem Arztbrief, spricht bei der Übergabe mit der Oberärztin über seine Befunde und beteiligt sich anschließend in der Pause vielleicht am Smalltalk im Kollegenteam, wo auch dialektale Ausdrucksweisen und Umgangssprache verwendet werden. Jede dieser Situationen bringt ihre eigenen kommunikativen Herausforderungen mit sich. „Wenn die Ärztin die Patientin zur Begrüßung fragt ‚Wie geht’s denn so im Moment?‘, antwortet diese vielleicht wie in der Alltagskommunikation gewohnt mit ‚ja, im Moment, ganz gut‘. Wenn sie kurz darauf ernsthafte Beschwerden wie Atemnot schildert, kann das auf den ersten Blick paradox anmuten“, gibt Dr. Theresa Schnedermann vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache ein Beispiel. In ihrer Dissertation hat sie sich intensiv mit medizinischer Terminologie auseinandergesetzt. Und als Koordinatorin im DFG-Netzwerk „Linguistik und Medizin“ hat sie kürzlich gemeinsam mit zwei Kolleginnen einen Sammelband zu dem Thema herausgegeben.
Sprachliche Vorbereitung von medizinischen Fachkräften
Die Gesundheitsministerkonferenz hat schon 2014 das Papier „Eckpunkte zur Überprüfung der für die Berufsausübung erforderlichen Deutschkenntnisse in den akademischen Heilberufen“ veröffentlicht. Darin ist festgelegt, wie Ärzte und Ärztinnen, aber beispielweise auch Psychotherapeut*innen und Apotheker*innen, die nicht mindestens zehn Jahre lang eine allgemeinbildende deutschsprachige Schule besucht oder nach dreijähriger Ausbildung in deutscher Sprache einen Abschluss erworben haben, die notwendigen Kompetenzen nachweisen können. Ärzt*innen müssen eine Fachsprachprüfung der Ärztekammer ablegen. „Die Vielfalt der Kommunikationsformen, mit der Ärzte und Ärztinnen im Beruf konfrontiert werden, kann eine solche Prüfung aber genauso wenig abbilden wie ein vorbereitender Sprachkurs. Dafür braucht es jahrelange Sprachpraxis“, sagt Regine Grosser. Sie nimmt an der Berliner Ärztekammer Fachsprachprüfungen ab, bietet auch Kommunikationskurse für Mediziner*innen an der Charité International Academy in Berlin an und bereitet zudem ausländische Ärzt*innen an der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane auf die Kenntnisprüfung der Landesärztekammer Brandenburg vor.
Fachkräfte aus anderen Gesundheitsberufen wie etwa Pflegekräfte müssen bisher Deutschkenntnisse auf B2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens nachweisen, um hierzulande in ihrem Beruf arbeiten zu können. Weil diese allgemeinsprachliche Prüfung allerdings nicht die Sprachkenntnisse abdeckt, die in den Berufen gefordert sind, hat sich die Gesundheitsministerkonferenz 2019 ebenfalls in einem Eckpunktepapier darauf geeinigt, hier für die verschiedenen Berufsgruppen jeweils einheitliche Standards zu schaffen. Berufsspezifische Sprachprüfungen wie der „Goethe-TestPro Pflege“ (B2), „Telc Deutsch B1 B2 Pflege“ und das Sprachprüfungsformat für den Pflegebereich vom Träger der IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch, passage gGmbH setzen diese Anforderungen um.
Nicht nur Gespräche mit Patient*innen erfordern sprachliches Feingefühl
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Qualifizierung in der Heimat und in Deutschland
Die Goethe-Institute und andere Institutionen engagieren sich schon seit Jahren in unterschiedlichsten Projekten für die sprachliche Qualifizierung von Fachkräften für den Gesundheitsbereich. Die Goethe-Institute in Vietnam beispielweise kooperieren in ihrem Fachsprachenprogramm „Vivantes Pflegeprojekt“ bereits seit sieben Jahren mit einem Berliner Krankenhausbetreiber. In Deutschland gibt es ebenso zahlreiche Anbieter, die Zuwanderer und Zuwander*innen für eine berufliche Tätigkeit in einem Gesundheitsberuf qualifizieren. Und auch unser deutschsprachiges Nachbarland ist aktiv: Der Österreichische Integrationsfonds arbeitet im Projekt „Online-Kurs: Deutsch für die Pflege“ derzeit an einem fachspezifischen Deutschkurs, der Interessierten online kostenlos zur Verfügung gestellt werden soll. An der Erstellung und als Autorin ist auch Regine Grosser beteiligt: „Von Fach- und Transfersprache über die Kommunikation mit pflegebedürftigen Personen, Kolleg*innen und Angehörigen bis hin zur pflegerischen Dokumentation wird das Angebot vielfältige Kompetenzen vermitteln“, verspricht die Expertin. Für Sprachlehrkräfte bieten solche Portale eine Fülle an Materialien und Informationen, die auch im Unterricht eingesetzt werden können. Und für Sprachwissenschaftler*innen wie Theresa Schnedermann bieten die sprachlichen Herausforderungen von Fachkräften in Gesundheitsberufen weiterhin ein vielseitiges Forschungsfeld.