Keine Angst vor den Mondnazis
Es wirkt wie eine wilde Verschwörungstheorie: In Timo Vuorensolas überdrehter Nazi-Trash-Fantasie konnten die schlimmsten Schurken der Weltgeschichte nach 1945 fliehen und in den unbeleuchteten Räumen des Weltalls ihre „reinrassige“ Gesellschaft aufbauen. Die metallene Festung der Mondnazis ist eine retro-futuristische Ausgabe von Hitlers Bauprojekt Germania, und auch an den Zielen hat sich wenig geändert: die Entfesselung eines dritten Weltkriegs soll der nationalsozialistischen Ideologie zum wirklich endgültigen Endsieg verhelfen. Mit an Bord des wahnsinnigen Unternehmens sind der neue „Führer“ Kortzfleisch, der schneidige SS-Mann Klaus Adler und seine blonde Geliebte Renate Richter, eine idealistische Lehrerin mit geschichtlichen Wissenslücken: Sie hält die eigene NS-Propaganda tatsächlich für eine Botschaft des Friedens.
Nazis im Weltall – eine Parodie auf Hollywoodklischees
In Deutschland verbuchte der finnische Film mit knapp 130.000 Zuschauern am ersten Start-Wochenende ordentliche Einspielergebnisse. Dass sich darunter überdurchschnittlich viele Rechtsradikale und Neonazis befanden, ist eher unwahrscheinlich. Das von einer weltweiten Internet-Community sehnsüchtig erwartete – und finanziell geförderte – Projekt ist eine Parodie auf bekannte Darstellungs-Klischees von Hollywoodnazis und US-amerikanische Weltallabenteuer von Star Wars bis Independence Day. Filmhistorische Zitate, etwa aus Charlie Chaplins Hitler-Satire Der große Diktator treffen auf die Trash-Elemente billiger Exploitation-Filme wie Surf Nazis Must Die. Zwar wird die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten kaum konkretisiert – die größenwahnsinnigen Welteroberer verkörpern eher „das Böse an sich“. Dennoch ist die Kritik, die sich auch einige Seitenhiebe auf die aktuelle US-amerikanische Kriegspolitik erlaubt, klar erkennbar. Frühe Online-Werbetrailer des Films zeigten eine weiße Taube, die auf dem Kopf des stählernen Reichsadlers ihren Kot entleert.Darf man das? – Nur noch eine rhetorische Frage
Die eigentlich obligatorische Frage der Verharmlosung stellte sich in der deutschen Kritik nur rhetorisch. Allgemein wurde der Film nicht euphorisch, aber doch positiv aufgenommen, als „ganz großes Trash-Vergnügen“ (Der Spiegel), harmlose Unterhaltung oder zumindest willkommene Abwechslung. Dass man über Nazis lachen dürfe, sei schließlich seit Chaplin erwiesen. Zudem ziele das Zeichenspiel mit Hakenkreuzen und SS-Uniform nicht auf Provokation, sondern auf „unser aller Faszination für totalitäre Ästhetik“ (Der Tagesspiegel). Lediglich Einzelstimmen warnten, eben damit stricke der Film „sicher ungewollt, an kryptofaschistischen Legenden“ (Die Zeit). Dass Iron Sky kaum mehr bietet als harmlosen Klamauk und dieser Humor in der zweiten Hälfte auch noch an Fahrt verliert, war allerdings unter fast allen Zeitungskritikern Konsens, und zwar in konservativen wie liberalen Medien.Eine „ernsthafte“ politische und ästhetische Diskussion fand hingegen kaum statt. Dies war im Falle von Quentin Tarantinos künstlerisch ungleich höherwertiger Hollywoodproduktion Inglourious Basterds noch anders. Dass die oft bemühte Formel vom „Spiel mit dem Entsetzen“ diesmal unterblieb, lässt eine weitere „Normalisierung“ im Umgang mit Vergangenheitstabus vermuten. Eher scheint es allerdings, dass die deutschen Kritiker recht froh waren, das schwere Ideologiebesteck einmal beiseite zu legen. Iron Sky, ließe sich zusammenfassen, ist nun mal Trash; für Trash jedoch ist man hierzulande nicht zuständig. Dass deutsche Darsteller daran mitwirken, ist man hingegen gewohnt – die Schauspieler Udo Kier und Götz Otto etwa wurden nicht zuletzt als Nazidarsteller in Hollywoodfilmen bekannt.
„Crowdfunding“ – Filmförderung per Internet
Große Aufmerksamkeit erfuhr dagegen die ungewöhnliche Finanzierung des Films. Denn nicht nur europäische – darunter auch deutsche – Fördermittel flossen in Vuorensolas Liebhaberprojekt. Von den lediglich 7,5 Millionen Euro Produktionskosten des Films wurde knapp eine Million über ein sogenanntes Crowdfunding im Internet organisiert. Die allseits gelobten Spezialeffekte des Sternenabenteuers verdanken sich nicht zuletzt einer weltweiten Fan-Gemeinde. Diese ließ sich zuerst von Vuorensolas längst legendären Star-Wreck-Kurzfilmen, dann von seinen klug positionierten Marketingtrailern begeistern. Gespendet wurden nicht nur kleinere Geldbeträge, sondern auch Ideen für Handlung und Figuren. In der deutschen Kulturlandschaft, wo die offizielle Filmförderung gerne als schwerfällig und mutlos getadelt wird, löst ein solch innovatives Vorgehen noch mehr Faszination aus als riesige Raumschiffe im Nazi-Punk-Design. „So wie Iron Sky sieht also einer der Wunschfilme des Publikums aus“, schreibt die Berliner Zeitung anerkennend. Noch wohlwollender könnte man sagen: Ein junges netzaffines Publikum bringt sein Interesse an der Vergangenheit auf seine Weise zum Ausdruck. Es lebt nicht hinterm Mond – eine gute Nachricht.ist freier Filmjournalist und Autor von Filmheften der Bundeszentrale für politische Bildung.
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Mai 2012