Leben

Feminismus in Buchform

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Jenny Unger und Paula Bolyos gründeten Ende Januar 2012 den Buchladen ChickLit in Wien. Foto: © chicklit

Im Jahr 2011 wurde in Wien AUF. Eine Frauenzeitschrift eingestellt, das Frauenzimmer, eine feministische Buchhandlung, wurde 2007 endgültig geschlossen – beides nach über 30 Jahren. Um dem Feminismus wieder ein Gesicht beziehungsweise eine Plattform zu geben, haben Jenny Unger und Paula Bolyos den Buchladen ChickLit gegründet. Zu finden gibt es feministische Unterhaltung und Literatur von, für und über Frauen.

Die Kleeblattgasse im ersten Bezirk ist (nicht nur) in der feministischen Szene Wiens ein Begriff. Dort, wo mehr als 30 Jahre AUF. Eine Frauenzeitschrift geschrieben und herausgegeben wurde, ist seit Ende Januar 2012 ChickLit zu Hause. Die Buchhandlung füllt nun die Räume damit, was AUF früher von dort in die Welt hinausgetragen hat: Feministischen Lesestoff und Unterhaltung.

Buchhandlung zum Verweilen

ChickLit liegt zwar nicht weit von den Touristenmagneten Graben und Stephansplatz entfernt. Laufkundschaft verirrt sich dennoch selten hierher. „Im Sommer merkt man, dass an der Straßenecke ein Eisgeschäft geöffnet ist. Dann schlendern viele durch die Gasse und werden durch die Schaufenster auf uns aufmerksam“, erklärt Jenny, die gemeinsam mit Paula die Buchhandlung führt. Damit dürfte sie wohl recht haben, auch ich habe ChickLit auf diesem Wege entdeckt. Ansonsten kommen die KundInnen sehr bewusst in ChickLit. Und das sind vor allem feministisch, politisch aktive Frauen aus dem deutschsprachigen Raum und Studentinnen aus den entsprechenden Studienrichtungen: Gender Studies, Politikwissenschaft oder Soziologie. „Manchmal kommen auch Männer“, erklärt Jenny, „aber das ist eine sehr geringe Minderheit“.

Foto: © Magdalena Schluckhuber
ChickLit: Ein Buchladen zum Verweilen, Foto: © Magdalena Schluckhuber

Wer kommt, bleibt auch gerne etwas länger: Zum Schmökern, Tratschen oder auf eine Tasse Kaffee, manche kommen, um die Ruhe zu genießen und machen es sich in der Sitzecke gemütlich. Es gibt immerhin viel zu entdecken, in dem ca. 50 m² großen Raum: Feministische Magazine, FrauenLesbenTrans-Romane, Graphic Novels, Kinder- und Jugendliteratur, Literatur zu feministischer und lesbischer Theorie oder Belletristik von Frauen. „Uns war auch wichtig, zu zeigen, welchen Anteil Frauen an der Literatur und an den Neuerscheinungen haben“, sagt Jenny. Sie stelle immer wieder fest, dass hauptsächlich Werke von Männern rezensiert würden und dadurch viel mehr im Bewusstsein der Menschen seien.

Es reicht noch nicht zum Leben

Die Buchhandlung wird vom Verein zur Förderung feministischer Projekte betrieben, der zuvor AUF herausgegeben hatte. Jenny und Paula sind die Hauptverantwortlichen, sie teilen sich die Arbeit mit ChickLit. Paula kümmert sich um den Bucheinkauf, Jenny übernimmt die Buchhaltung. Immer wieder werden sie auch von Freundinnen unterstützt. Noch können sie nicht ausschließlich davon leben, Paula arbeitet nebenbei als Lektorin, Jenny ist Abfallberaterin. Idealismus und der Kindheitstraum von Paula und Jennys Wunsch, „ein eigenes Geschäft zu haben“, ist für die beiden ausschlaggebend, warum sie die Doppelbelastung weiterhin auf sich nehmen. „Bücher sind das einzig Sinnvolle, das man verkaufen kann“, ist sich Jenny sicher.


Copyright: Goethe-Institut Prag
April 2013
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