„Ein Vibrator ist ein Produkt wie eine Zahnbürste“
Auch ein Sexspielzeug ist letztlich nur ein Produkt: Mit dieser Einstellung versucht die junge Designerin Anna Marešová, ihr Masterprojekt in die Realität umzusetzen. Unter dem Label „Whoop.de.doo“ hat die 34-Jährige Sexartikel für Frauen entwickelt. Bis Ende des Jahres wil sie die „Venus Balls“ und einen Vibrator auf den Markt bringen. Im Interview spricht Anna Marešová über die Prototypen, ihre Recherchen über weibliche Erotik und die Präsentation ihrer Diplomarbeit vor einem Komitee aus überwiegend männlichen Professoren.
Anna, andere Designabsolventen gestalten in ihrem Abschlussprojekt Verpackungen oder Webseiten. Wie bist du auf die Idee gekommen, ausgerechnet Sexspielzeug zu entwickeln?
Ich hatte ja zuvor als Bachelorprojekt eine Straßenbahn für Prag designt. Als Abschlussprojekt wollte ich etwas Kleineres machen, und auch etwas weniger Männliches. Die Idee dazu kam mir eigentlich im Gespräch mit einem Freund. Mich hat schon immer gestört, wie geschmacklos und vulgär die meisten Produkte auf dem Sexartikelmarkt gestaltet sind. Meistens sehen sie nach Porno und Plastikspielzeug aus. Ich war unsicher, aber dieser Freund hat mich sehr ermutigt. Schließlich dachte ich: Ein Vibrator ist auch nur ein Produkt – wie eine Zahnbürste oder ein Stuhl.
Wie hat dein Masterbetreuer auf den Vorschlag reagiert, Sexspielzeug zu designen?
Mein Betreuer war zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt und ich konnte mir nicht vorstellen, was er von der Idee halten würde. Doch er hat den Vorschlag zu meiner eigenen Überraschung akzeptiert. Er kannte ja mein Straßenbahn-Projekt und wusste, dass ich mich auch mit dem nächsten Produkt ernsthaft auseinandersetzen würde. Bei der Straßenbahn, genauso wie bei einem Windrad, das ich während meines Studiums entworfen hatte, musste ich meine Designs vor Expertenkomitees verteidigen, die ausschließlich männlich besetzt waren, und erklären, warum dies oder das auch in der Wirklichkeit funktionieren würde. Seit ich mit dem Designen der Sexspielzeuge begonnen hatte, konnte ich es nicht erwarten, mit meinen Produkten in die Prüfung zu gehen und zu fragen: „Meine Herren, woher genau wollen Sie eigentlich wissen, dass das nicht funktionieren wird?“
Wie lief die Prüfung dann tatsächlich ab?
Das war wirklich eine sehr kuriose Situation. Tatsächlich gab es eine Frau innerhalb des Expertenkomitees. Die Männer haben mich alle richtiggehend angestarrt, als ich meine Prototypen, Poster und das Gussmodell präsentierte. Nach meiner Präsentation herrschte erst mal Stille. Niemand hat eine Frage gestellt. Irgendwann habe ich dann gesagt: „Ich bin jetzt fertig. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!“ Als ich weggegangen bin und nochmal nach hinten schaute, sah ich, wie alle zu den Prototypen gingen und mit ihnen spielten.
Wie kann man sich eigentlich die einzelnen Entwicklungsschritte bis zum Design eines Sexspielzeugs vorstellen?
Ich habe zuerst eine historische Recherche gemacht. Das war wirklich sehr interessant, weil ich dabei zum ersten Mal festgestellt habe, dass jede Epoche ihr erotisches Zubehör hatte. Außerdem wurde mir bewusst, wie sehr technische Entwicklungen auch die Funktionalität von Sexspielzeug beeinflussen. Zum Beispiel hat sich mit der immer stärkeren Technologisierung auch die Menge an Applikationen erhöht, die ein einzelner Vibrator hat. Dabei besteht danach gar kein Bedarf. Das habe ich in meinem zweiten Entwicklungsschritt festgestellt. Ich habe eine Umfrage unter Frauen durchgeführt und sie gefragt, was sie sich von einem Vibrator wünschen, wie er aussehen sollte und so weiter. Dabei kam heraus, dass Frauen im Allgemeinen helle Farben bevorzugen und die Oberfläche des Geräts aus medizinischem Silikon sein sollte.
Außerdem waren für viele Frauen neben den erotischen auch medizinische Faktoren wichtig. Auch hier war es wieder interessant zu sehen, wie sehr sich die weibliche und männliche Wahrnehmung unterscheiden: Die Männer, die ich befragt habe, hätten alle einen schwarzen, kantigen Gegenstand bevorzugt, noch dazu mit allen möglichen Funktionen. Dabei wollen das die Frauen gar nicht, sie mögen weiße oder saubere Farbtöne und organische Formen. Mein Anspruch ist es, einen Vibrator anzubieten, der einfach zu bedienen ist, funktioniert, und schön aussieht. Es gibt so viele Frauen auf der Welt, die gern ein Sexspielzeug hätten, aber abgeschreckt sind von der Idee, sich eines zu kaufen. Das ist ja auch kein Wunder. Der Markt ist voll von Kitsch. So mancher Vibrator sieht eher aus wie ein Apparat zur Sprengvorrichtung mit tausenden Funktionen, den man nach Benutzen gleich im untersten Teil der Unterwäscheschublade verstecken will, als ein intuitives Gerät, das Körper und Geist gut tun soll.
Das Design ist ja nur der eine Teil der Entwicklung. Wie hast du herausgefunden, wie ein Vibrator funktioniert?
Ich habe in viele verschiedene Modelle reingeschaut, das heißt, ich habe alle möglichen Vibratoren gekauft, und zwar nicht nur die luxuriösen, sondern auch die ganz billigen. Ich habe jetzt eine große Tasche voller auseinandergenommener Vibratoren im Studio [lacht]. Ich war neugierig, mit welchen Materialien die Hersteller arbeiten und wie sie von innen aussehen. Mir sind da ganz schreckliche Apparate untergekommen. Ich habe einen ganz billigen Vibrator gekauft, der schon fürchterlich aussah – er war beige und roch nach billigem Plastik. Trotzdem habe ich diesen, wie auch alle anderen, in der Werkstatt aufgeschnitten und mir von innen angesehen. Im Inneren dieses Vibrators zum Beispiel habe ich dann einen Motor gefunden, an dem ein Schild mit der Aufschrift „Made in China“ befestigt war. Der Motor war richtig laut. Damit hatte ich so ziemlich das Gegenteil dessen gefunden, was ich entwerfen und Frauen anbieten wollte.
Hast du auch Gynäkologen konsultiert?
Ja, natürlich. Besonders eine Ärztin hat den Entwicklungsprozess professionell begleitet. Mit ihr zusammen habe ich versucht, die beste Größe für den Vibrator zu finden. Das war mitunter der schwierigste Teil des Designs. Denn den Whoop.de.doo gibt es bisher nur in einer Größe, aber jede Frau ist natürlich verschieden. Ich habe dann sieben Prototypen angefertigt und gemeinsam mit der Ärztin herausgefunden, welches die universalste Größe ist.
Wer testet dein Sexspielzeug, bevor es auf den Markt kommt?
Mittlerweile 2000 Frauen haben Prototypen der Venus Balls zu Hause. Den Vibrator lasse ich von zehn professionellen Testerinnen erproben.
Whoop.de.doo – was bedeutet dieser Name eigentlich?
Das ist eine Art Ausspruch, der seit den dreißiger Jahren existiert, um Vergnügen oder Erregung auszudrücken. Ich hatte keine Lust, meinem Produkt einen klischeehaften Namen wie „Pleasure“ zu geben. Ich wollte etwas gleichermaßen Witziges und Aussagekräftiges. Neulich habe ich den Film Man on the Moon von Miloš Forman gesehen und ganz begeistert festgestellt, dass darin in einer Szene auch „Whoop de doo“ gerufen wird.