Die Anti-Hausfrau ChPD

Quelle: © Chujowa Pani Domu | Aleksandra Raś-ButorQuelle: © Chujowa Pani Domu

Habt ihr auch schon einmal Glühwein im Wasserkocher aufgewärmt? Rostbraten in Rotwein dünstet ihr grundsätzlich auf Prozac? Und zu Hause habt ihr gleich mehrere Mount Evermess?

ChPD ist ein Titel, fast wie ein Ph.D. Ein Doktorat in Unordnung, Faulsein und vor allem in seelischer Ausgeglichenheit. Die Chujowa Pani Domu (etwa: beschissene Hausfrau) alias ChPD ist im Haushalt vollkommen nutzlos. Die Schuhe braucht ihr bei ihr zu Hause nicht auszuziehen, weil sie den Boden sowieso nicht sauber macht. In ihrem Kühlschrank befinden sich Lebensmittel, die schon seit einer Woche klinisch tot sind. Vielleicht auch schon länger. Sie trägt T-Shirts mit der Aufschrift „It’s not PMS. It’s you.“ Sie zitiert gern Agatha Christie, die sie zur Patronin des Projekts machte, weil ihr immer beim Abwasch Ideen für einen Krimi einfallen: „Diese Tätigkeit ist derart stupide, dass ich dabei immer Selbstmordgedanken bekomme.“ Und sie greift auch Worte der Künstlerin Marina Abramović auf, die in Sachen Hausarbeit auch gut Bescheid weiß: „Die Küche ist der Anfang des Abstiegs, es folgen nur noch Langeweile, Krankheit und Tod.“

Brot, Spaghetti, Cyanid

Zu Hause?! „Home is where the bra isn’t“, würde man sagen. Wenn ihr das Nudelholz in der Küche fehlt, wird der Teig eben mit einer Flasche Wodka bearbeitet. Den Hund würde sie am liebsten in die Waschmaschine stecken. Sobald sie die Lust am Aufräumen packt, nimmt sie einen Schluck Wein und wartet, bis sie wieder vergeht. Die Idee ist einfach: Du vergisst nie, den Ofen auszumachen, wenn du ihn erst gar nicht einschaltest. Und wie sieht die Einkaufsliste aus, wenn du dich mit deinem Freund streitest und ihn dann einkaufen schickst? Hähnchen, Knoblauch, Spaghetti, Cyanid, Brot.

Die geheimnisvolle ChPD heißt in Wirklichkeit Magdalena Kostyszyn, eine hübsche, knapp dreißigjährige Frau, die schon lange im PR-Bereich tätig ist und einen Studienabschluss in Polnischer Philologie besitzt. Sie benutzt gern vulgäre Ausdrücke und trägt keinen Pyjama. Aber das alles begann ganz harmlos: An einem Freitag gab sie ihre Wäsche in die Waschmaschine und vergaß, sie herauszunehmen. Erst am Sonntag erinnerte sie sich wieder daran. Sie öffnete die Waschmaschine, machte die Tür aber lieber gleich wieder zu, stellte auf das Doppelspülprogramm und taggte sich auf ihrem Blog als #ch panidomu. Und sofort hatte sie eine Menge Likes.

Ihre Funpage auf Facebook gibt es seit knapp fünf Jahren und sie hat bereits mehr als eine halbe Million Likes bekommen. Die Fans wirken bei der Gestaltung der Seite mit und unterstützen sich gegenseitig beim Gedanken, dass ein perfekt aufgeräumter Haushalt, eine noch perfektere selbstgemachte Torte und das perfekteste Make-up wirklich zu viel sind. Die Posts werden gegenseitig kommentiert: „So mach ich das auch“, „Da bist du nicht alleine“, „Schon fühl ich mich besser“ oder „Bei meiner Waschmaschine ist das auch so!“. Kleine und große Misserfolge im Haushalt werden geteilt und am Ende ist alles gut: im Endeffekt geht es ja eigentlich um gar nichts.


Von der Anti-Hausfrau zur Superheldin

Vergangenes Jahr verlieh die Zeitschrift Hohe Absätze (Wysokie Obcasy) Magdalena Kostyszyn für die Verbreitung ihrer Haltung zur Hausarbeit und zum Leben an sich den Titel „Superheldin“ („Superbohaterka“). Hohe Absätze erscheint als Beilage der Tageszeitung Gazeta Wyborcza und erzählt die Geschichten von Frauen, setzt sich Gleichberechtigung, Freiheit und „Schwesterlichkeit“ ein. Die Chefredakteurin der Wochenzeitschrift bedankte sich bei der Bloggerin dafür, dass sie „den Frauen zeigt, dass sie keine perfekte Hausfrau sein müssen, sondern die Möglichkeit haben, in anderen Bereichen zu gut zu sein.“

Im breiteren Kontext von Gender-Rollen und gesellschaftlichen Stereotypen, könne, so die Feministin und Journalistin Anna Dudek, die Generation unserer Großmütter mit deren Erwartungen an die Männer ein Beispiel sein: „Ein Mann sollte nicht zu viel trinken, er sollte Geld nach Hause bringen und ein bisschen besser aussehen als der Teufel.“ Allerdings hatten die Frauen sich selbst gegenüber viel höhere Ansprüche: „Sie scheuerten den Fußboden, machten Essen, brachten Kinder zur Welt und führten den Haushalt so, dass sich die perfekten Hausfrauen mit ihren weißen Handschuhen schämen würden.“ Zum Glück gibt es Magdalena Kostyszyn, die nicht eine einzige Großmutter in Verlegenheit bringen würde. Misserfolge kehrt sie um ins Positive, und dabei zerstört sie das Hausfrauen-Klischee.

Auch Männer können den Boden scheuern

Aleksandra Magryta vom feministischen Infoservice Feminoteka bestätigt: Wenn es um den Haushalt geht (also um Putzen, Kochen oder Waschen), sind es vor allem Frauen, denen diese Rolle zugeschrieben wird. „Haushaltspflichten erfordern jedoch nicht die Existenz eines Super-Gens oder weißgottwelcher Fähigkeiten, über die nur Frauen verfügen. Es muss betont werden, dass Männer überhaupt nicht schlechter darin sind und die Herausforderungen, die sie zu Hause erwarten, mit Sicherheit bewältigen könnten.“ Auch wenn es solche gibt, die sich ihre Haare mit dem Staubsauger trocken föhnen, wie uns der Blog ChPD zeigt…

Magryta zufolge müsse keines der Geschlechter ein wandelndes Ideal sein, wir seien ja alle gefangen im engen Korsett der Stereotype. Die Bloggerin ChPD bringt es auf den Punkt, wenn sie zeigt, dass viele Frauen unter dem Einfluss der gängigen Stereotype glauben, ihre fehlenden Talente lieber geheim halten zu müssen: „Erst beim Plaudern mit anderen Frauen zeigte sich, wie viel Nerven es uns kostet, die Fenster zu putzen und wir eigentlich überhaupt nicht so perfekt sind, wie wir tun.“

ChPD wurde inzwischen zur Heldin – und das nicht nur online. Sie zeigt den Leuten, dass es in Ordnung ist, in Unordnung zu leben. Die Bloggerin Matylda Kozakiewicz beispielsweise erträgt es nicht, wenn Besuch kommt, der schockiert ist von schmutzigem Geschirr in der Spüle oder dem Schlafzimmer, dass zugleich auch ihr Wohnzimmer ist: „Soll ich vorgeben, dass ich nicht esse und nicht schlafe?! Ich mag mein schmutziges Geschirr und mein ungemachtes Bett. Das sind meine kleinen Erfolge im Wettbewerb um den Titel von ChPD, sie ist mein Idol und ich würde ihr am liebsten die Füße waschen.“ Jeden Tag bekommt ChPD eine Menge an Nachrichten, User-Fotos und witziger Kommentare zu ihren Posts. Der Blog zeigt, dass es keinen Sinn hat, sich darüber zu sorgen, dass ein bestimmtes vorgegebenes Ideal unerreichbar ist.

Der Tag des Handtuchs wird nicht gefeiert!

Kommt es euch jetzt noch komisch vor, dass ChPD das Kinderbett mitsamt ihrem Kind ins Badezimmer stellt, den Laptop auf die Waschmaschine und dann ihrem Kind daraus ein Märchen vorspielt, weil sie „von einer ruhigen Dusche träumt“? Dass sie kalten Kaffee mit der Gabel umrührt und die gefrorene Scheibe des Autofensters mit der Kreditkarte kratzt? Dass sie für ihre Eiswürfel eine Toffifee-Verpackung verwendet? Sind das zu wenige Beispiele? Dann schaut mal auf ihre Facebook-Seite oder kauft euch ihre Ratschläge in Buchform, dort werdet ihr unter anderem auch erfahren, „wie man nicht Miss World wird, nicht kocht, keinen Haushalt führt und den Tag des Handtuchs nicht feiert“.

Die Autorin selbst behauptet, das alles sei entstanden aus einer „Sehnsucht, normal zu sein“. Wir sollten ein bisschen normal sein. Wenn gerade nichts da ist, mit dem man ein Brot belegen könnte, bestreicht man es einfach mit Butter und schreibt dann mit schwarzem Filzstift „Käse“ darauf. Und vergesst nicht die Warnung des Gesundheitsministeriums: Saubermachen kann tödlich sein.

Irena Dudová
Übersetzung: Julia Miesenböck

Copyright: jádu | Goethe-Institut Prag
März 2017
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