Interview mit Rasmus Fleischer
Über Facetten von Überwachung

Überwachung
© Public Domain: CC0 Creative Commons.

Welche unterschiedlichen Arten von Überwachung gibt es? Und wie wird sich Überwachung in Zukunft verändern? Rasmus Fleischer verrät es uns im Interview.

Warum sollte ich meine Daten schützen, wenn ich nichts zu verbergen habe?
Ich denke nicht, dass man immer seine Daten schützen sollte. In vielen Fällen spricht sogar einiges dafür, transparent zu sein und Sachen zu teilen, selbst im heutigen Klima, in dem große Firmen mit unseren Daten Profit machen, weil das Teilen uns auch etwas Positives zurückgibt. Der Punkt ist nicht, dass jeder immer alles im Verborgenen machen sollte, sondern dass Menschen die Möglichkeit haben sollten, zwischen dem Privaten und Transparenz hin und her zu wechseln. Und auch wenn man denkt, dass man nichts verbergen will, will man vielleicht trotzdem in einer Gesellschaft leben, in der manche Menschen die Möglichkeit auf eine private Sphäre haben.
 
Welche unterschiedlichen Arten von Überwachung gibt es und wie sind diese miteinander verbunden?
In Diskussionen unterscheiden die Leute meist nur zwischen privater und öffentlicher Überwachung. Private Überwachung wird von Unternehmen gemacht und die ersten Namen, die dabei aufkommen, sind Google und Facebook und so weiter sowie Werbefirmen. Öffentliche Überwachung wird von Geheimdiensten wie der NSA unternommen. Aber ich denke, dass heute die Gegebenheiten sehr viel komplexer sind. Zuerst einmal, weil eine Organisation wie die NSA viele ihrer Informationen durch Firmen wie Google oder Facebook erhält. Daher hat die NSA auch Interesse daran, dass diese Unternehmen Zugang zu vielen Informationen haben und diese verarbeiten, damit sie selbst an hochwertige Daten über das Onlineverhalten kommt.
 
Wenn wir von Überwachung durch Akteure des Marktes sprechen, dann müssen wir uns auch den legalen oder „weißen“ Markt und den Schwarzmarkt anschauen. Und letzterer ist riesig. Natürlich ist es schwer zu sagen, was in kriminellen Netzwerken verschiedenster Art vor sich geht, aber die Märkte sind auch miteinander verbunden. Zum Beispiel gibt es immer wieder Hackerangriffe auf Internetfirmen, bei denen riesige Datenmengen mit persönlichen Informationen gestohlen werden. Außerdem machen Akteure vom Schwarzmarkt Geschäfte mit nationalen Sicherheitsbehörden. Organisationen wie die NSA kaufen tatsächlich gehackte Daten aus kriminellen Netzwerken, um anderen Sicherheitsbehörden immer einen Schritt voraus zu sein.
 

Schauen Sie sich Rasmus Fleischers Rede zum Thema an.
 
Wie wird sich Überwachung in der Zukunft verändern?

Ich glaube nicht, dass die Zukunft in Stein gemeißelt ist. Viele Dinge können passieren, wir müssen uns das Ganze im Zusammenhang mit der Finanzialisierung der Wirtschaft anschauen. Der Boom der Big-Data-Unternehmen, der auf personalisierter Werbung und Überwachung im großen Stil, inklusive dessen, was wir „Social Media“ nennen, basiert, mit großen Investitionen in Silicon Valley und anderswo, ist dadurch angetrieben, dass wir zurzeit Negativzinsen und große Investitionen mit Risikokapital haben. Und das wird nicht für immer anhalten. Die ökonomischen Bedingungen werden sich verändern. Mit der Konjunktur wird es auch wieder nach unten gehen, was für Turbulenzen im Technologiesektor sorgen wird. Und das wird, gelinde gesagt, interessant werden. Ich könnte mir vorstellen, dass etwas Gutes dabei rauskommt, interessante Experimente, aber ich kann auch mögliche Szenarien mit noch mehr Monopolisierung und Zentralisierung sehen. Zuletzt sollten wir nicht nur sehr darauf schauen, was in Silicon Valley, sondern auch, was in China passiert, wo gerade eine neue Art Überwachungskapitalismus entsteht, aber einer, in dem der Staat und die Unternehmen sehr viel mehr miteinander verwoben sind.