Interview mit Antóin Ó Lachtnáin
Demokratisches Potential des Internets

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© Public Domain: CC0 Creative Commons.

Wie selbstbestimmt ist unser Handeln im Internet wirklich? Was das demokratische Potential des Internets angeht, klaffen Wunsch und Realität oft weit auseinander – berichtet Antóin Ó Lachtnáin im Interview.

Als das Internet aufkam, gab es sehr viele positive Ideen darüber, wie es uns in unserer Rolle als Bürger zugutekommen würde. Inwiefern unterscheidet sich die Wirklichkeit davon?
 
Wir haben gehofft, dass das zu einer aufstrebenden Demokratie führen würde. Dass das Internet eine Art gemeinsamer Marktplatz würde, auf dem wir alle über unsere unterschiedlichen Ansichten und das Allgemeinwohl diskutieren können, und dann hätten wir eine partizipative statt einer repräsentativen Demokratie. Und wir würden alle zusammenarbeiten, um die richtigen Entscheidungen für die Gesellschaft und unsere Gemeinschaft zu fällen. Was passiert ist, ist etwas ganz anders. Wir haben ein System, das sehr leicht zu manipulieren ist. Akteure, die wir nicht verstehen oder die eine für uns negative Agenda haben, sind in der Lage, die Menschen zu beeinflussen und haben nicht nur Einfluss darauf, was wir kaufen, sondern auch wie wir wählen. Ein Beispiel dafür ist der Gebrauch von selektiver gezielter Werbung, um die Wahlbeteiligung negativ zu beeinflussen. Zum Beispiel, könnte man dunkelhäutigen Wählern erzählen, dass Hillary Clinton keine gute Wahl sei, und sie überzeugen, dass alle Politiker gleich seien. Es ist nicht so, dass sie dann für Donald Trump oder wen auch immer stimmen, sondern dass sie gar nicht erst wählen gehen. Und das ist ein sehr einfacher Trick, die Demokratie zu manipulieren. Das ist eine Herausforderung, die wir angehen müssen. Social Media und Online-Systeme haben viele positive Aspekte, aber auch viele ernste Probleme. Wir müssen Wege finden, uns den Problemen anzunehmen, um in den Genuss ihrer Vorteile zu kommen.
 
Wir denken oft, dass wir uns als Nutzer völlig selbstbestimmt im Internet bewegen. Tun wir das wirklich?
Das glauben wir sicherlich. Ich denke, dass wir wie Neo im Film Matrix sind: Wir glauben, dass wir in einer bestimmten Welt leben, aber wenn wir bereit sind, die rote Pille zu schlucken, sehen wir vielleicht, dass die Welt eine ganz andere ist und dass sie, was unsere Informationen angeht, nicht uns gehört. Mit den Informationen über uns werden auf internationaler Ebene massiv Geschäfte gemacht. Unsere Aufmerksamkeit wird gekauft und verkauft. Werbung ist auf eine Art auf uns zugeschnitten, die wir nicht wirklich verstehen. Manchmal ist es offensichtlich. Dann merken wir, warum wir eine bestimmte Werbung zu sehen kriegen, aber manchmal können wir das überhaupt nicht verstehen. Vor diesem Hintergrund scheint es so, dass uns nicht nur unsere Selbstbestimmtheit und Individualität genommen werden, sondern dass sie in eine Ware verwandelt werden, die gekauft und verkauft wird.
 

Schauen Sie sich Antóin Ó Lachtnáins Rede zum Thema an.
 
Kann das Internet sich selbst regulieren?
Das Internet ist eine Technologie, so wie der motorisierte Lastentransport auf Straßen oder eine elektrische Ausrüstung Technologien sind. Es muss Regeln geben, es muss Standards geben. Und wir müssen herausfinden, was der richtige Weg ist, um diese durchzusetzen. Teilweise geht das durch Gesetze. Es gibt Gesetze darüber, wie wir auf der Straße handeln und uns verhalten. Aber meistens gibt es soziale Gründe dafür, warum wir diesen Gesetzen folgen, wie der Fakt, dass wir einen Polizisten sehen könnten oder ein Polizist uns sehen könnte. Wir müssen den sozialen Rahmen schaffen, um ein gutes Verhalten im Internet zu unterstützen, aber dieser Rahmen sollte gleichzeitig nicht die Vorteile, zum Beispiel die Redefreiheit, einschränken.