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Texte für die Zukunft
"Off Limits für das Gewissen" in: Hiroshima ist überall
(Günther Anders)

Günther Anders: Hiroshima ist überall
© Resling Verlag

Am 3. Juni 1959 begann der jüdisch-österreichische Philosoph und Publizist Günther Anders (1902-1992) einen langen Briefwechsel mit US-Pilot Claude Eatherly. Als Pilot der „Straight Flush“ gab Eatherly das Signal zum Abwurf der Atombombe auf Hiroshima, nachdem er eine Stunde zuvor zur Erkundung der Wetterbedingungen über die Stadt geflogen war. Eatherly weigerte sich später, als Kriegsheld gefeiert zu werden. Zeitlebens litt er an schweren Depressionen, Angstzuständen und schlimmen Gewissensbissen, die ihn zu mehreren Selbstmordversuchen veranlassten. Eatherly wurde mehrmals in die psychiatrische Klinik für amerikansische Kriegsveteranen in Waco, Texas eingeliefert. In dieser Zeit begann der lange Briefwechsel mit Günther Anders.

In seinem ersten Brief benutzte Anders, der in erster Ehe mit Hannah Arendt verheiratet war, ausdrucksstarke wie einfühlsame Worte:
„Sie sind nicht der Einzige, den ein solches Schicksal ereilt hat. Es hätte uns alle treffen können, die wir in eine Zeit hineingeboren sind, in der wir solche Schuld auf uns laden können. Sie haben sich diese erbärmliche Aufgabe genauso wenig ausgesucht wie wir uns ausgesucht haben, in dieser unglückseligen Zeit zu leben. In dieser Hinsicht sitzen wir, wie Sie als Amerikaner sicherlich sagen würden, in the same boat. Man könnte sogar sagen, dass wir derselben Familie entstammen. Diese Reziprozität bestimmt unsere Haltung Ihnen gegenüber.“

In seinem ersten Brief ist der Philosoph weder bemüht, Eatherly zu versöhnen, noch will er ihn beschwichtigen. Doch schon wenig später werden Anders und Eatherly enge Freunde  und sind Mitstreiter in der Anti-Atomwaffenbewegung.

Anders spricht von einer tragischen Ära, in der die Technologie herrscht und den Ton angibt. In dieser Hinsicht liefert Anders auch eine radikal neue Auslegung zur Internierung von Eatherly.
Für Anders ist der amerikanische Pilot weder seelisch erkrankt noch „verrückt“, sondern übernimmt die wichtige Aufgabe eines Vorbilds, eines Pioniers.  Anders sieht in Eatherly ein leuchtendes Beispiel, ein „Kronbeispiel“, von Hoffnung und „moralischer Gesundheit“ in einer kranken Welt.
 
Aus der Einleitung des Herausgebers, Dr. Raphael Zagury-Orly


 



 

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