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Die Stadt grüßen

bangaloREsidency 2018
bangaloREsidency 2018 | Foto: Poorna Swami © Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan

Es war wie erwartet ein schöner Sonntag, an dem die elf Deutschen in Bangalore eintrafen. Jet-lagged und noch verschlafen kamen sie nach und nach am Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan an, um dort offiziell ihre bangaloREsidency 2018 anzutreten.
Zu einem vielversprechenden Anfang gehört natürlich ein richtiges Essen. Und das Willkommen für unsere Gäste in Bangalore war eben genau dies: ein ausgedehntes Mittagessen im Institut, um sich kennenzulernen und um genug Kaffee zu trinken, der einen wachhalten sollte während eines dicht gepackten ersten Tages!

Der Touristenbus, der mit Verspätung eintraf, da er sich verfahren hatte, brachte die Gruppe zunächst zum Attakkalari Centre for Movement Arts, einer der gastgebenden Institutionen des diesjährigen Residency-Programms. Hemabharathy Palani, die Proben-Direktorin der Attakkalari Tanz-Company, stellte den Residenten Attakkalaris verschiedene Tanz- und Ausbildungsprogramme vor. Studierende des zweiten Ausbildungsjahrs gaben einige Kostproben, darunter auch eine in der traditionellen Kampfkunst, dem Kalaripayattu. Viele der Gäste waren von der Tanzkunst begeistert. Nika Pfeifer, bangaloREsident@Srishti, meinte, der Tanz lasse sie Bangalore als Stadt sehen. Der Tanz wecke ihr Interesse, wie “Menschen kollektiv kommunizieren”, selbst in der Öffentlichkeit des Straßenbildes. "Mir fiel auf, dass die Menschen im Verkehr in Bangalore miteinander kommunizieren, auf einander achtgeben… Das strahlt eine andere Art des Kollektiven aus, es ist warmherzig."
Attakkalari Attakkalari | Foto: Kerstin Meenen © Goethe-Institut Max Mueller Bhavan Als sich vor dem nächsten festen Programmpunkt etwas Zeit ergab, wurden die Residenten kurzentschlossen auf einen spontanen Gang durch den Lal Bagh mitgenommen, einem der berühmtesten und ältesten Gärten der Stadt. (Zufälligerweise besitzt Lal Bagh einen ganz eigenen Bezug zu Deutschland, wurde der Garten nämlich von dem Sachsen Gustav Hermann Krumbiegel entworfen.) Weil es Sonntag war, erlebten unsere Gäste Lal Bagh so voll wie nie – versprochen wurde ihnen aber mehr Ruhe, sollten sie an einem anderen Wochentag zurückkommen. Dennoch schafften sie es, das berühmte Gewächshaus und den Musikpavillion zu sehen, bevor der Spaziergang an den von Schneewittchen und den Sieben Zwergen inspirierten Gartenstatuen endete – über deren seltsames Aussehen sich viele amüsierten.
 
Danach ging es mit dem Bus weiter nach Ravindra Kalakshetra, einem alten Kulturzentrum im Stadtzentrum. Dort hatte eine andere Gastgeberin der bangaloREsidency, Maraa, eine Ausgabe ihres ‚October Jam‘ organisiert. Mit dem Titel ‘From the Gut’ war das Event Künstlern im Land gewidmet, die zensiert und verhaftet worden sind. Walter Solon, ein bangaloREsident aus Brasilien, war an diesem Abend auf die Wahlergebnisse aus seiner Heimat gespannt. Der politische Widerhall in den Gedichten und Reden des ‚October Jam‘ machte diesen Tag für ihn zu einem voller Verbindungen zwischen dem Land, aus dem er stammt, und jenem Land, in dem er zu Gast ist – die aufgebrochenen Bürgersteige, die streunende Hunde, die brutale Politik ließen ihn darüber nachdenken, wie ähnlich sich die zwei Orte sind.
 
Nach Musik und Lyrik machten sich alle auf zum letzten Ort des Abends: der 1 Shanthi Road Studio/Gallery. Als langjähriger Partner des Goethe-Instituts / Max Mueller Bhavan empfing Shanthi Road die Besucher mit seiner berühmten, einnehmenden Gastlichkeit. Kaltes Bier und Knabbereien warteten auf die müden Residenten, die sich darauf freuten, nun endlich abschalten zu können. Nachdem alle mit Essen und Trinken versorgt waren, lieferte Suresh Jayaram, Gründer von Shanthi Road, einen Überblick über Bangalores Geschichte und Gegenwart. Von Einblicken zur Stadtgeschichte aus dem Familienarchiv, über die koloniale Architektur bis zu Sehenswürdigkeiten jenseits der ausgetretenen Pfade begeisterte Suresh die Zuhörer mit seinem Insiderwissen über Bangalore und machte sie neugierig auf verschiedene Ansichten der Stadt – die Umweltgeschichte, die Architektur, das Nachtleben. Am Ende des Abends fand sich Suresh überschwemmt von Anfragen nach seinen vielgepriesenen Stadtrundgängen. Die einzige Bedingung, die er für die schläfrigen Gäste hatte: dass sie früh aufstehen müssten, um ihn zu begleiten.
 
Zwei Tage nach der ersten Orientierung traf sich die gesamte Gruppe dann bei Daily Dump wieder, wo  Produkte für den besseren Umgang mit Abfall in städtischen Haushalten hergestellt werden. Die Gründerin Poonam Bir Kasturi führte die Gruppe auf eine ‘Müll-Tour” durch Indiranagar, um zu erläutern, wie Abfall in der Stadt verwertet und verschwendet wird. Sie zeigte den Besuchern, wie der Müll nach bestimmten Mustern auf der Straße landet, aufgelesen und dann von städtischen Angestellten mühselig getrennt wird.

Auf ihrem Gang durch vergammelte Müllhalden an der städtischen Müllsammelstelle bekamen die Besucher eine Seite von Bangalore zu sehen, die so wirklich ist wie die hübschen Bäume und die lebendige Kneipenszene. "Es war schon etwas absurd, den Abfall in einer für mich neuen Stadt gezeigt zu bekommen. Ich kann Müll schließlich überall sehen,” meinte Ingo Gerken, bangaloREsident@1 Shanthi Road. "Dann aber wurde mir klar, dass der Müll hier nicht dasselbe ist und europäische Lösungen hier nicht funktionieren… Es war etwas Besonderes, die Leute mit dem Müll arbeiten zu sehen. Aber es war dennoch Abfall… So hatte es auch etwas Amüsantes."

MTR Lunch MTR Lunch | Foto: Liv Hunzinger © Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan Ein traditionelles Thaali-Mittagessen bei MTR, einem mehr als 100 Jahre alten Restaurant, war etwas, das alle unbedingt von ihrer Liste an sehenswerten Attraktionen abhaken mussten. Die endlosen Reisberge, dargeboten mit allerlei Beilagen aus Linsen, Gemüse und Yoghurt, füllten alle Mägen ein bisschen mehr als üblich und gewünscht. Doch schafften es alle anschließend zu einer Ausstellung des ortsansässigen Fotografen Sandeep TK und der Präsentation von Naresh Narasimhan, der das MOD Institute leitet, einer weiteren bangaloREsidency-Gastinstitution.

Zwei lange Orientierungstage fanden schließlich am perfekten Ort ihren Abschluss: im Ranga Shankara, Bangalores Mittelpunkt der Theaterwelt. Wie dort üblich, aßen die Besucher sabudana vada (frittierte Tapioca) und tranken Filterkaffee, bevor sie sich anstellten, um I am not here zu sehen, ein Stück von Deepika Arwind über die Zensur von Autorinnen.  Die bangaloREsidenten kehrten danach mit dem Gefühl in ihre Unterkünfte zurück, schon viel von Bangalore gesehen zu haben und sich dennoch – wie erwartet –  wenig auszukennen.
MOD Institut MOD Institut | Foto: Maximilian Hollerith © Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan

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