Ich erreichte den Flughafen von Kochi am 21. Juli, nachdem ich zusammen mit dem Team der
bangaloREsidency eine intensive Orientierungswoche verbracht hatte. Abgeholt wurde ich von dem Fahrer der Kochi Biennale Foundation, mit dem ich schließlich anderthalb Stunden durch den plötzlich einsetzenden Regen nach Fort Kochi fuhr. Ich richtete mir in den kommenden Tagen ein Studio im Pepper House ein. Das alte denkmalgeschützte Gebäude liegt direkt am Wasser und verfügt über riesige Atelierräume. Von meinem Studio-Fenster aus konnte ich das Kommen und Gehen von riesigen Containerschiffen beobachten, die im Laufe der Wochen immer häufiger hinter einem blaugrauen Nebel verschwanden, kurz bevor sich die Regenwolken entleerten.
KUMBALANGI
Wenn es das Wetter zuließ, unternahm ich mit einem Mitarbeiter der Foundation Motorradtouren entlang der Küste von Kochi. Eines Tages fuhren wir frühmorgens durch Kumbalangi, ein Dorf inmitten der Backwaters. Wir hielten an und gingen einen schmalen Weg entlang, um Fischer bei ihren Arbeitsvorbereitungen zu beobachten. Die erste Person, der wir dort begegneten, war Lalu, ein Bänker aus Mattancherry, der uns schließlich in sein Haus einlud, in dem er mit seiner Familie seit einigen Jahrzehnten lebte. Sein Vater arbeitete früher als Fischer und berichtete uns aus seinem Leben in Kumbalangi. In den kommenden Tagen besuchten wir seine Familie immer häufiger, unterhielten uns und aßen gemeinsam Fisch. Schließlich traf ich auch Lakshmi, Lalus Mutter, und sie erzählte mir davon, wie sich der Ort Kumbalangi und das dortige Klima in den letzten 50 Jahren verändert hatten. Sie sprach auch von verschiedenen Gebäuden, die auf dem Weg zu ihrem Haus lagen, und deren Oberflächen stark vom Regen gezeichnet sind.
Papierabdrücke trocknen an der Fassade eines Gebäudes in Kumbalangi.
| © Juliane Tübke
Ein Papierabdruck löst sich von der Fassade.
| © Juliane Tübke
WEATHERING
Ich begann mich intensiver mit dem Wetter und seinen Auswirkungen zu beschäftigen. Vor genau einem Jahr ereignete sich eine verheerende Flut in Kerala. Das gesamte Team der Foundation verfolgte daher regelmäßig die Nachrichten und die Bewegungen der Wolken über Kerala. Kochi war auch in diesem Jahr weitgehend von Überschwemmungen verschont geblieben. Das Wetter wurde zu einem vorherrschenden Thema in den Interviews, die ich in den folgenden Wochen durchführte. Ich entschied mich dafür, in Kumbalangi zu arbeiten und mit den Leuten zu sprechen, die ich dort bei meinen ersten Besuchen getroffen hatte. Jith Joseph, ein Mitarbeiter der Biennale, dessen Vater lange Zeit als Fischer gearbeitet hatte, begleitete mich und half mir bei den Übersetzungen.
Ohne Jith wäre meine Arbeit in Kumbalangi nicht möglich gewesen. Nach jedem Interview streifte ich außerdem noch stundenlang durch den kleinen Ort und fotografierte meine Umgebung. Die auf diese Weise entstandene Fotoserie bildet - zusammen mit den Aufzeichnungen der Gespräche - die Basis für mein neues Projekt, das ich in Berlin umsetzen möchte. Für dieses Projekt werde ich die Transkriptionen der Interviews mit Papierabdrücken von ausgewählten architektonischen Flächen in Kumbalangi verschränken. Für das Abdruckverfahren, bei dem mich Antony Ajay unterstützte, habe ich nur die Gebäude ausgewählt, die in den Unterhaltungen mit Lakshmi erwähnt wurden.
Installationsansicht vom open studio im Pepper House.
| © Juliane Tübke
Installationsansicht vom open studio im Pepper House.
| © Juliane Tübke
PEPPER HOUSE
Wenn der Regen zu stark war, verbrachte ich viel Zeit im Studio und begann auch dort mit den architektonischen Flächen des Gebäudes zu arbeiten. Auch hier trugen die Flächen starke Verwitterungsspuren, die sich in Verbindung mit kleineren Ausbesserungsarbeiten zu zeichenhaften Kompostionen formierten. Während der open studios zeigte ich bearbeitete Wand- und Bodenabdrücke, die ich als Materialstudien im Pepper House angefertigt hatte. Am 14. August präsentierte ich außerdem mein Recherchematerial aus Kumbalangi im Rahmen der Let’s Talk Reihe. Während der Vorbereitungen für meine Präsentation realisierte ich, was für einen großen Einfluss mein Aufenthalt in Kochi auf meinen Arbeitsprozess hatte. Vor allem die Gespräche mit Leuten aus Kumbalangi und den Mitarbeitern der Biennale, hatten meine Arbeitsweise deutlich verändert.
Präsentation im Rahmen der ‚Let’s Talk’ Reihe der Kochi Biennale Foundation.
| © Kochi Biennale Foundation
Die 4 Wochen in Kochi waren für mich überraschend produktiv. Durch die große Unterstützung von Seiten des Goethe Instituts Bangalore und der Kochi Biennale Foundation, konnte ich in einer relativ kurzen Zeitspanne ausreichend Material sammeln, um daraus in Berlin einen neuen Werkkomplex zu entwickeln. Das wäre nicht möglich gewesen, ohne die hervorragende Organisationsleistung von Seiten des Teams der
bangaloREsidency, das selbst den Leuten, die das erste Mal in Indien arbeiteten, einen inspirierenden und produktiven Aufenthalt ermöglicht hat. Ganz besonders danke ich auch den Mitarbeitern der Kochi Biennale Foundation - vor allem Jith Joseph und Antony Ajay - für ihre tägliche Unterstützung und endlose Energie. Ich freue mich sehr darauf, im nächsten Jahr nach Kochi zurückzukehren, und dort die Ergebnisse meiner Recherche zu präsentieren.