Egal ob das Emigrationsmuseum in Gdynia oder das Polin in Warschau – Polen bietet spektakuläre Kulturbauten. Hier finden sie eine kleine Architekturauswahl der besten Bauwerke, und erfahren, wie sie zur Entwicklung der jeweiligen Region beitragen.
1. Białystok - Die Podlachische Oper und Philharmonie
Projekt: Marek Budzyński, Zbigniew Badowski, Bau: 2006-2012
Der Entwurf zu diesem multifunktionalen Gebäude entstand 2005. Da ihr Architekt jedoch als einer der bekanntesten polnischen Vertreter der Postmoderne gilt, ist es fest in der Tradition der Achtziger- und Neunzigerjahre verwurzelt. Die monumentale, geradezu pompöse Architektur des Gebäudes strömt über vor Metaphern, Symbolen und historischen Anspielungen. Budzyńskis bevorzugtes Motiv ist die Verbindung von Widersprüchen oder unterschiedlichen Welten, insbesondere die Verbindung von Kultur und Natur. Aus diesem Grund ist das Gebäude auch von einer Parkanlage umgeben.
2. Danzig - Das Museum des Zweiten Weltkriegs
Projekt: Architekturstudio Kwadrat, Architekt: Jacek Droszcz, Bau: 2012-2016
Das Museum entstand unweit des Danziger Hafens, wo 1939 der Zweite Weltkrieg begonnen hatte. Der Großteil der Ausstellungsfläche (oder wie die Kuratoren es ausdrücken: „der ganze Schrecken des Krieges“) liegt unterirdisch. Aus der Erde ragt lediglich ein über fünfzig Meter hoher, schräg gekippter Turm mit einer Fassade aus Farbbeton und Glas, der je nach Blickwinkel an einen Schiffsrumpf oder an eine Pyramide erinnert.
Das Theater entstand dank des Engagements des Theaterwissenschaftlers Jacek Limon, der sich viele Jahre lang für die Wiederbelebung der Tradition des elisabethanischen Theaters in Danzig einsetzte. Im Gegensatz zu London, wo man eine genaue Nachbildung des Globe Theaters errichtete, entstand in Danzig ein durch und durch modernes Gebäude. Lediglich die Anordnung der Bühne und des Zuschauerraums knüpft an die Tradition Shakespeares an. Das Dach des Hauptsaals lässt sich öffnen und ermöglicht Aufführungen unter freiem Himmel. Die niedrigeren Seitendächer sind als eine öffentlich zugängliche Aussichtsterrasse gestaltet.
4. Danzig - Das Europäische Solidarność-Zentrum
Projekt: PPW Fort, Architekt: Wojciech Targowski, Bau: 2010-2014
Das Gebäude entstand auf dem Gelände der Danziger Werft, wo 1980 die Arbeiterstreiks begonnen hatten und die Augustabkommen zwischen den Streikkomitees und der Regierung der Volksrepublik Polen geschlossen worden waren. Die historischen Werftgebäude verschwinden allmählich, doch das neue Solidarność-Zentrum knüpft an die Vergangenheit dieses Ortes an. Seine aus rostroten Stahlplatten bestehende Fassade erinnert an einen Schiffsrumpf.
Die 1933 errichtete Abfertigungshalle des Hafens in Gdynia wurde sorgfältig restauriert. Im Inneren befindet sich eine Ausstellung zur polnischen Emigrationsgeschichte. Der einzige Eingriff in die historische Baustruktur besteht in einer verglasten Aussichtsterrasse mit Blick auf das Hafengelände.
6. Katowice - Wissenschaftliches Informationszentrum und Akademische Bibliothek
Projekt: HS 99, Architekten: Dariusz Herman und Piotr Śmierzewski, Bau: 2009-2012
Von der Ausschreibung des Wettbewerbs zur Gestaltung der Bibliothek der Schlesischen Universität und der Wirtschaftsuniversität Katowice bis zu ihrer Eröffnung dauerte es neun Jahre, doch seine disziplinierte, minimalistische Architektur hat die Zeit gut überstanden. Das liebevoll als „Rotschopf“ bezeichnete Gebäude eroberte die Herzen von Kritikern und Besuchern. Die mit rotem Sandstein verkleidete Fassade erinnert an die industrielle Vergangenheit der Region.
7. Krakau - Cricoteka
Projekt: nsMoonStudio, Wizja, Architekten: Sławomir Zieliński, Piotr Nawara, Agnieszka Szultk, Stanisław Deńko, Eröffnung: 2014
Das Kunstzentrum Cricoteka ist dem Leben und Werk des Theaterregisseurs und Malers Tadeusz Kantor gewidmet. Der Entwurf zu dem Gebäude, das sich wie eine Brücke über einem ehemaligen Kraftwerk aus dem 19. Jahrhundert erhebt, basiert auf einer Zeichnung Tadeusz Kantors, auf der ein Mann einen Tisch auf seinen Schultern trägt. Das neue Gebäude beherbergt mehrere Ausstellungsräume, das Kraftwerk wurde zu einem Theatersaal umfunktioniert.
Projekt: Architekturbüro Ingarden & Ewý, Architekt: Krzysztof Ingarden, Bau: 2010-2012
Das auf einem L-förmigen Grundstück errichtete Gebäude des Kleinpolnischen Kunstgartens besitzt zwei unterschiedliche Fassaden. Seine variable Höhe ist an die Abmessungen der benachbarten Gebäude angepasst. Besonders charakteristisch ist die Fassade aus speziell hergestellten, als „Rasierklingen“ bezeichneten Keramikelementen, die bewirken, dass die Fassade von der Seite gesehen massiv und von vorne betrachtet luftig und durchsichtig erscheint.
9. Lublin - Das Zentrum der Begegnungen der Kulturen
Projekt: Stelmach und Parner, Architekt: Bolesław Stelmach, Bau: 2012-2015
Das Theater in Lublin, dessen Bau man 1974 begonnen hatte, war eines von vielen Projekten, die der Krise der Achtzigerjahre zum Opfer fielen und niemals fertiggestellt wurden. Das Zentrum der Begegnungen der Kulturen besteht aus einem fertiggestellten Teil des Theaters und einem neuen Gebäude mit einer Fassade aus Rohbeton und Glas.
10. Lusławice - Das Europäische Krzysztof Penderecki Musikzentrum
Projekt: Architekturbüro DDJM, Architekten: Marek Dunikowski, Jarosław Kutniowski, Wojciech Miecznikowski, Bau: 2012-2013
In den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts erwarb der polnische Komponist Krzysztof Penderecki ein Landgut in dem kleinpolnischen Dorf Lusławice. Er lebte dort jedoch nicht allein, sondern betrachtete diesen Ort von Beginn an als einen Ort der Begegnung. Später verwirklichte er dort seinen Traum von der Schaffung eines Zentrums für junge Musiker mit einem Konzertsaal, Proberäumen und einem Wohnbereich. Das monumentale Gebäude besitzt einen verblüffend großstädtischen Charakter.
Projekt: HS 99, Architekten: Dariusz Herman und Piotr Śmierzewski, Bau: 2009-2012
Von der Ausschreibung des Wettbewerbs zur Gestaltung der Bibliothek der Schlesischen Universität und der Wirtschaftsuniversität Katowice bis zu ihrer Eröffnung dauerte es neun Jahre, doch seine disziplinierte, minimalistische Architektur hat die Zeit gut überstanden. Das liebevoll als „Rotschopf“ bezeichnete Gebäude eroberte die Herzen von Kritikern und Besuchern. Die mit rotem Sandstein verkleidete Fassade erinnert an die industrielle Vergangenheit der Region.
12. Posen - Das Posener Tor: Interaktives Zentrum der Geschichte der Dominsel
Projekt: AD Artis Emerla Wojda, Architekten: Arkadiusz Emerla, Piotr Jagiełłowicz, Wojciech Kasinowicz, Maciej Wojda, Eröffnung: 2013
Historiker und Archäologen sind sich bis heute uneins, ob der polnische König Mieszko I. in Gnesen oder in Posen zum Christentum übertrat. Ein symbolisches Argument für die zweite Version ist das Interaktive Zentrum zur Geschichte der Dominsel in Posen, dem vermutlichen Ort der Christianisierung Polens.
Projekt: Architekturbüro JEMS, Architekten: Olgierd Jagiełło, Maciej Miłobędzki, Marek Moskal, Marcin Sadowski, Jerzy Szczepanik-Dzikowski, Eröffnung: 2013
Die 1829 eröffnete Bibliothek war ein Refugium polnischer Kultur in der unter preußischer Herrschaft stehenden Provinz Posen. Ihr neuer Gebäudeflügel mit einer modularen Betonfassade hat im Gegensatz zum alten Teil des Gebäudes nichts Feierliches an sich, sondern ist ein informeller, schlichter Ort der Begegnung mit Menschen und Wissen.
14. Toruń - Das Kultur- und Kongresszentrum Jordanki
Projekt: MenisArquitectos, Architekt: Fernando Menis, Bau: 2013-2015
Die dekonstruktivistische Form des Gebäudes lädt zur Erkundung des außergewöhnlichen Interieurs ein, dass ein wenig wie die Kulisse eines expressionistischen Stummfilms anmutet. Die unregelmäßigen Räume, die mit Platten aus Beton und Ziegelstücken verkleidet sind (eine Anspielung an die gotische Architektur der nahe gelegenen Altstadt) wirken wie von Riesen in Felswände geschlagene Höhlen.
In diesem Gebäude wird Beton zu einem warmen und sinnlichen Material, insbesondere im Zusammenspiel mit dem hellen Holz. Die Innenräume des Gebäudes erinnern an Grotten, die darauf warten, von den Aktivitäten von Studenten und Künstlern erfüllt zu werden. Ihr roher Hintergrund harmoniert hervorragend mit den unterschiedlichsten, wie zufällig ausgewählten Elementen: Möbeln, Kunstwerken und Spuren des akademischen Lebens.
16. Warschau - Das Museum der Geschichte der polnischen Juden
Das Gebäude befindet sich inmitten des Stadtteils Muranów, der nach dem Zweiten Weltkrieg an der Stelle des ehemaligen jüdischen Viertels (das 1940 zu einem Ghetto umfunktioniert und schließlich komplett zerstört wurde) entstand. Das quaderförmige, verglaste Gebäude fügt sich ausgezeichnet in die modernistische Architektur des Stadtteils ein. Seine Architektur ist frei von aufdringlichen Symbolen und Narrativen. Das einzige metaphorische Element ist das Hauptfoyer, dessen fließende Formen an die Wellen des sich vor den Israeliten teilenden Roten Meeres erinnern sollen.
Architekten: Jan Belina-Brzozowski, Konrad Grabowiecki (BBGK Architekci), Jerzy Kalina, Krzysztof Lang, Fertigstellung: 2015
Das Museum beherbergt eine Ausstellung über das Massaker von Katyń, bei dem 1940 rund 4000 polnische Offiziere vom sowjetischen Geheimdienst NKWD ermordet wurden. Das Museum ist in die Befestigungsanlagen der im 19. Jahrhundert errichteten Zitadelle integriert. Die neu errichteten Wände sind aus hellrotem Farbbeton gegossen, dessen Farbe an die historischen Anlagen der Festung erinnert. Wie bei vielen anderen „historisch-martyrologischen“ Museen finden sich auch hier symbolische Elemente, die die Ausstellung architektonisch ergänzen. Im Beton sind die Abdrücke von Gegenständen zu sehen, die bei den Opfern gefunden wurden, zum Beispiel von einem Uniformknopf. 2017 schaffte es das Gebäude auf die Shortlist des europäischen Mies van der Rohe Architekturpreises.
Projekt: KB-Projekty konstrukcyjne, Architekten: Ewa Wowczak, Jerzy Wowczak, Bau: 2015-2017
Das Museum wurde 1953 in einigen rekonstruierten Bürgerhäusern an der Nordseite des Alten Marktes eröffnet. Im Rahmen der letzten Modernisierung wurden die Spuren der Rekonstruktion nach dem Zweiten Weltkrieg und die erhaltenen Gebäudefragmente zu einer eigenen Erzählung verbunden, die die neue Ausstellung zur Geschichte der Stadt ergänzt. Auf diese Weise avancierte der Ausstellungsraum selbst zu einem Exponat – einem Zeugnis der Geschichte.
19. Warschau - Das Służew-Kulturzentrum
Projekt: WWAA, Architekten: Marcin Mostafa, Natalia Paszkowska; 307kilo, Architekt: Jan Sukiennik, Bau: 2010-2013
Das Służew-Kulturzentrum entstand in einem Park am Rande einer modernistischen Plattenbausiedlung. Seine Architektur spielt doppelbödig auf die Geschichte der Umgebung an, die vor der Entstehung der Wohnsiedlung noch ein Dorf am Rande der Stadt war. Das Objekt besteht aus mehreren kleineren, mit Holz verkleideten Gebäuden, die rund um einen gemeinsamen Hof angeordnet sind und so den Eindruck eines bäuerlichen Gehöfts erwecken.
20. Breslau - Der Vier-Kuppel-Pavillon (Filiale des Breslauer Nationalmuseums)
Projekt: Architekturbüro BeMM, Architekt: Marek Michałowski, Bau 2013-2015
1913 fand in dem damals noch deutschen Breslau die Jahrhundertausstellung zur Erinnerung an die preußischen Befreiungskriege gegen Napoleon I. statt. Zu diesem Anlass entstanden zahlreiche experimentelle Gebäude, die in die Geschichte der Architektur eingingen, wie der Vier-Kuppel-Pavillon des Architekten Hans Poelzig. Obwohl der Pavillon bereits seit 2006 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, fand sich für das Gebäude zunächst keine geeignete Verwendung. Heute beherbergen die niedrigen Räume eine ständige Ausstellung zur zeitgenössischen polnischen Kunst aus den Beständen des Breslauer Nationalmuseums. Die Wiederherstellung des Pavillons und seine neue Funktion stießen auf allgemeine Zustimmung, Kritik gab es lediglich an dem von einer schweren Stahlkonstruktion getragenen Glasdach über dem Innenhof.
Projekt: Stelmach und Partner, Architekt: Bolesław Stelmach, Bau: 2008-2010
Das von einem Park umgebene Geburtshaus Frédéric Chopins, wurde erstmals in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zu einer Art nationalem Heiligtum umgestaltet. Im Rahmen der letzten Modernisierung anlässlich des zweihundertjährigen Geburtstags des genialen Pianisten und Komponisten entstand am Eingang zum Park ein Komplex aus mehreren minimalistisch gestalteten, verglasten Pavillons. Die großen Glasflächen, die Holzkonstruktion und der Bodenbelag aus Feldsteinen erinnern an die Ästhetik der polnischen Moderne der Dreißigerjahre.