Christoph Schlingensief und sein Kino

Christoph Schlingensief Poster © ???

Christoph Schlingensief war ein totaler Künstler und rücksichtsloser Provokateur, der sich kritisch und polemisch mit aktuellen politischen Themen und der Stigmatisierung von Menschen am Rande der Gesellschaft auseinandersetzte. Schlingensiefs Filme wurden zuvor nicht in Polen gezeigt. Die Retrospektive im Jahr 2012 bot dem polnischen Publikum erstmals die Gelegenheit, sich mit dem Schaffen des Künstlers auseinanderzusetzen.

Porträt des Künstlers

Christoph Schlingensief © ???

Christoph Schlingensief war ein deutscher Opern-, Theater- und Radioregisseur, Talkshow-Moderator, Aktionskünstler und vor allem – wie er immer wieder selbst betonte – Filmemacher. Ein totaler Künstler und rücksichtsloser Provokateur, der sich kritisch und polemisch mit aktuellen politischen Themen und der Stigmatisierung von Menschen am Rande der Gesellschaft auseinandersetzte. Doch gerade die Art und Weise, wie er seine Filme realisierte – indem er unterschiedliche Methoden, Formen und Genres, Trash-, Science-Fiction-, Porno- und Horrorfilm, miteinander verband  –, provozierte das Publikum zur Auseinandersetzung mit den von ihm berührten Themen. Schlingensief war in Deutschland ein echter Medienstar und ebenso bekannt wie Pop-Ikonen, führende Politiker und Mainstream-Schauspieler. Die Krönung seines künstlerischen Schaffens war die Auszeichnung des deutschen Pavillons mit dem Goldenen Löwen der Kunstbiennale in Venedig im Jahr 2011. Eigentlich wollte Schlingensief den Pavillon in ein oder „Deutsches Zentrum für Wellness und Vorsorge“ verwandeln – mit Sauna, exotischen Pflanzen und Lehmhütten. Das Zentrum sollte von Arbeitern aus dem afrikanischen Burkina Faso errichtet werden, in dem der Künstler kurz zuvor ein Operndorf gegründet hatte. Leider verstarb Schlingensief zehn Monate vor der Eröffnung der Ausstellung an Lungenkrebs. Die prämierte Rauminstallation „Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“ wurde in abgeänderter Form von der Biennale-Kuratorin Susanne Gaensheimer und der Witwe des Künstlers Aino Laberenz realisiert.

Filme und Beschreibungen

Schlingensiefs Filme wurden zuvor nicht in Polen gezeigt. Die Retrospektive im Jahr 2012 bot dem polnischen Publikum erstmals die Gelegenheit, sich mit dem Schaffen des Künstlers auseinanderzusetzen – beginnend mit der legendären Deutschland-Trilogie: Der erste Teil „100 Jahre Adolf Hitler“ handelt von den letzten Stunden im Führerbunker. Der zweite Teil „Das deutsche Kettensägenmassaker“, der inzwischen Kultstatus erlangt hat, erzählt davon, wie DDR-Bürger nach dem Fall der Berliner Mauer in Westdeutschland zu Wurst verarbeitet werden. Der letzte Teil der Trilogie „Terror 2000“ handelt von zwei ehemaligen Gangstern und der Ermordung einer polnischen Einwanderfamilie. Schlingensief setzt sich in seiner Deutschland-Trilogie mit nicht nur in Deutschland heiklen Themen auseinander: der Verarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit, dem Prozess der deutschen Wiedervereinigung, dem Wiederaufkommen nationalsozialistischer Tendenzen und Fragen der Asylpolitik. Das Ganze ist durchdrungen von Trash-Ästhetik, Chaos, Hysterie und Absurdität und versetzt mit einer perversen Prise Humor. 2003 versuchten Autonome, eine Kopie des Films „Terror 2000“ mithilfe von Buttersäure zu zerstören. Neben der Deutschland-Trilogie werden außerdem zu sehen sein: „Egomania – Insel ohne Hoffnung“, ein apokalyptisches Liebesdrama mit Tilda Swinton und Udo Kier, „Freakstars 3000“, eine Castingshow mit geistig behinderten Menschen, und auch „Menu Total“, der bei der Berlinale 1986 ausgepfiffen wurde und Wim Wenders dazu veranlasste, das Kino nach zehn Minuten zu verlassen – und den Schlingensief dennoch für seinen unbestritten besten Film hält. Weitere Filme der Retrospektive sind „United Trash“, ein Film aus Schlingensiefs Afrika-Trilogie, der sich auf obszön geniale Weise mit dem Thema Afrika gegen den Rest der Welt auseinandersetzt, und „Die 120 Tage von Bottrop“, eine Abrechnung des Regisseurs mit dem neuen deutschen Film. Außerdem wird der Film „INTERVIEWFILM - Christoph Schlingensief“ aus dem Jahr 2004 zu sehen sein, in dem der Regisseur über die Entstehung seiner Filme erzählt.

Zusätzlich fanden Diskussionen mit Alex Jovanovic, einem langjährigen Mitarbeiter von Christoph Schlingensief statt.

Alex Jovanovic ist als unabhängiger Produktionsassistent und Übersetzer in Berlin tätig.  Außerdem betreut er das Christoph-Schlingensief-Filmarchiv in der Filmgalerie. Jovanovic studierte amerikanische und britische Literatur in Schottland und Dänemark. Während Schlingensiefs letzter Lebensjahre war er dessen persönlicher Assistent. Anschließend war er in unterschiedlichen Funktionen im Büro Schlingensief, in der Festspielhaus Afrika gGmbH (Christoph Schlingensiefs Operndorf-Projekt) und in der Filmgalerie 451 tätig. 2011 war er Mitorganisator der ersten vollständigen Retrospektive aller Filme von Christoph Schlingensief in Berlin.

Begleitprogramm

Parakino/ CSW „Łaźnia” in Gdańsk
Kino Centrum/ CSW „ZNAKI CZASU” in Toruń
Kino.lab/ CSW Zamek Ujazdowski in Warschau

Während der gesamten Retrospektive im Zentrum für zeitgenössische Kunst ŁAŹNIA wurde der Film „INTERVIEWFILM - Christoph Schlingensief“ von Frieder Schlaich aus dem Jahr 2004 gezeigt, in dem der Regisseur über sein Filmschaffen erzählt – vom ersten Normal-8-Film bis „Freakstars 3000“.

An der Diskussion nahmen teil: Dr. Anna R. Burzyńska, Tomasz Plata, Jolanta Woszczenko, Barbara Wysocka. Moderation: Kaja Pawełek.
 

Impressum

Veranstalter:
CSW Łaźnia in Gdańsk
Goethe-Institut

Partner:
Kino Centrum in CSW Znaki Czasu in Toruń
Kino.Lab in CSW Zamek Ujazdowski in Warschau

Kuratorin: Jolanta Woszczenko (CSW Łaźnia)