DIY
Das etwas andere Weihnachtsgeschenk
Laut einer Statista Umfrage von 2023 gehören für 61 % der Deutschen Geschenke fest zur Weihnachtszeit – mit durchschnittlichen Ausgaben von stolzen 507,10 Euro pro Kopf. Das Ergebnis zeigt: Geschenke sind der weihnachtliche Hauptfaktor, vor Glühwein, Keksen und Adventskalender. Doch leider sind nicht alle Geschenke Volltreffer. Viele werden umgetauscht, zurückgegeben oder landen früher oder später in der Ecke. Dabei kann man ganz tolle Geschenke selber machen, Geld sparen und dem sinnlosen Konsum entkommen.
Von Magda Roszkowska
„Das beste Geschenk, das man seinen Liebsten zu Weihnachten machen kann, ist Zeit!“, erklärt mir Katarzyna, die gemeinsam mit ihrer vierjährigen Tochter gerade eine Nikolausfeier auf dem Hinterhof organisiert hat. „Die Idee war ganz einfach: Alle Nachbarn sollten etwas in einen großen Geschenkesack legen, und diese Geschenke wurden anschließend auf dem Hinterhof verlost. Zum Beispiel ein Buch, das jemand bereits durchgelesen hatte und gerne weitergeben wollte. Oder ein Spielzeug, für das die eigenen Kinder bereits zu groß waren. Vor allem jedoch kleine Gefälligkeiten, wie zum Beispiel Gassi gehen mit dem Hund, Einkäufe erledigen oder eine Schnitzeljagd mit den Kindern veranstalten“, zählt sie auf. Nach der Verlosung konnten die Geschenke untereinander getauscht werden. Katarzyna ist der Meinung, dass sich jeder von uns vor den Feiertagen ernsthaft die Frage stellen sollte, ob er wirklich noch weitere Dinge benötigt, wo wir doch im Grunde von allem zu viel haben. Sie selbst kauft ihre Geschenke – sofern sie überhaupt materielle Geschenke macht – gebraucht im Internet. Und sogar diese Einkäufe versucht sie in letzter Zeit zu reduzieren. „Was bringt es, dass ich meiner Schwester einen tollen gebrauchten Pullover bei einem Online-Marktplatz kaufe, wenn der Paketdienstleister ihn anschließend durch ganz Polen transportiert und dabei Abgase produziert. Wenn ich meiner Schwester stattdessen eine Theaterkarte oder gemeinsame Spaziergänge schenke, schenke ich ihr damit auch gesündere Luft. Was uns in Wirklichkeit am meisten fehlt, ist Zeit, die wir mit anderen Menschen verbringen“, erklärt Katarzyna.
Umfragen der letzten Jahre zeigen, dass in deutschen und polnischen Haushalten während der Weihnachtsfeiertage bis zu 30 Prozent mehr Abfall produziert werden als an anderen Tagen: Plastikverpackungen, Geschenkpapier, Essensreste, Weihnachtsbäume und unliebsame Geschenke, wie zum Beispiel Kleidung.
Schon jetzt rufen mehrere Städte ihre Einwohner dazu auf, den zu Weihnachten entstehenden Müllberg zu reduzieren. 2022 appellierte der Posener Stadtrat an die Bürger, den um die Feiertage anfallenden Müll korrekt zu trennen, und gab Ratschläge, wie man sich dem weihnachtlichen Konsumrausch entziehen kann. Und die Berliner Stadtreinigungsbetriebe forderten dazu auf, zu Weihnachten lieber Zeit als Dinge zu verschenken.
„Die Generation der heute Vierzigjährigen – und auch die Jüngeren – haben ein ganz anderes Verhältnis zu diesem Thema, als ihre Eltern, die noch in der Volksrepublik Polen aufwuchsen. Damals war es alles andere als einfach, überhaupt an Geschenke zu kommen, und dieser Jagdinstinkt steckt ihnen bis heute im Blut. Deshalb ist es manchmal gar nicht so einfach, ihnen zu erklären, dass gewisse Dinge vielleicht nicht unbedingt notwendig sind“, erklärt mir die zweifache Mutter Kamila.
Wie können wir nachhaltig schenken?
Katarzyna, Soziologin und alleinerziehende Mutter einer vierjährigen Tochter:Letzte Weihnachten haben meine Tochter und ich allen Frauen in unserer Familie Gläser mit selbst gemachter Peelingcreme geschenkt. Das Rezept ist ganz einfach: Man braucht nichts weiter als Speiseöl, Zucker, Duftöle und zum Beispiel etwas Orangenschale. Man reibt die Zutaten einfach auf einer Reibe oder zerstößt sie im Mörser, vermischt sie miteinander und fertig! Wir wollen das in diesem Jahr wieder so machen. Ich denke schon seit einiger Zeit, dass es bei Geschenken nicht so sehr um das Materielle geht, sondern eher darum, dem Anderen eine Freude zu machen. Also keine Dinge zu schenken, sondern lieber gemeinsame Spaziergänge, Batik-Workshops oder Yogastunden. Ich würde mich zum Beispiel darüber freuen, wenn eine Freundin oder gute Nachbarin mir zu Weihnachten schenken würde, dass sie sich ein paar Stunden um meine Tochter kümmert, damit ich endlich auch mal wieder ein wenig Zeit für mich hätte.
Agata, Fotografin:
Wir veranstalten in unserer Familie schon seit fünf Jahren rechtzeitig vor den Feiertagen eine Verlosung. Jeder bekommt nur eine einzige Person zugeteilt, der er zu Weihnachten ein Geschenk machen soll. Manchmal frage ich die betreffende Person einfach direkt, was sie sich wünscht, und wenn ich sie gut genug kenne, riskiere ich auch mal eine Überraschung. Ich denke dabei, ehrlich gesagt, gar nicht so sehr an die Umwelt, sondern eher daran, dass die Geschenke auch wirklich genutzt werden. Ich gehe gerne auf Nummer sicher: hochwertiges Olivenöl, ein Gewürz-Set oder eine gute Flasche Wein. Frauen schenke ich für gewöhnlich Kosmetik oder Badeöl. Also Dinge, die ich mir auch selbst wünsche. Die Weihnachtseinkäufe sind auch eine gute Gelegenheit, um das lokale Kunsthandwerk zu unterstützen. Ich kaufe gerne Drucke und Mini-Skulpturen von zwei befreundeten Künstlerinnen. Doch das beste Geschenk, das ich jemals bekommen habe, war nichts Materielles: Vor einigen Jahren schenkte mir mein Bruder eine Theaterkarte für zehn Aufführungen im Großen Theater in Warschau. Ein anderes Geschenk, an das ich mich gerne erinnere, waren die Gläser mit Eingemachtem, die eine vor Kurzem verstorbene Tante uns jedes Jahr unter den Tannenbaum gelegt hatte.
Kamila, Vorsitzende einer Stiftung, Mutter einer 15-jährigen Tochter und eines achtjährigen Sohnes:
Als unsere Kinder noch klein waren, kaufte ich ihnen Holzbauklötze, ökologisches Spielzeug und Bücher. Jetzt ist das nicht mehr so einfach. Mein Sohn schreibt mir jedes Jahr einen Wunschzettel. Gerade hat er sich zwei Fußballtrikots, ein Brettspiel und eine tragbare Spielekonsole gewünscht. Und meine Tochter hätte gerne ein Smartphone. Damit meine Kinder nicht zu viele unnütze Geschenke bekommen, gebe ich diese Liste an den Rest der Familie weiter. Wir teilen diese Wünsche untereinander auf und kaufen keine weiteren Geschenke. Für das Smartphone meiner Tochter legen wir alle zusammen. Den Kindern meiner Bekannten schenke ich in diesem Jahr Bienenwachspapier, das sind wiederverwendbare Tücher, die man anstelle von Butterbrotpapier oder Alufolie verwenden kann. Man muss sie nach Gebrauch lediglich feucht abwischen.
Gerade in der Weihnachtszeit weiß ich es besonders zu schätzen, dass ich seit neun Jahren Mitglied einer Lebensmittelkooperative in Grochów bin. Wir bestehen aus fast 100 Familien und beziehen Lebensmittel von lokalen Erzeugern. Im November geben wir immer eine „Sonderbestellung“ auf, zum Beispiel regional erzeugte Kosmetikprodukte der Manufakturen Ministerstwo Dobrego Mydła oder Hagi. Anschließend holt jemand von uns die Bestellung zu günstigeren Konditionen direkt bei den Manufakturen ab. Vor den Feiertagen gießt unser lokaler Imker für uns Kerzen aus natürlichem Bienenwachs, und die zwölfjährige Tochter eines Mitglieds der Kooperative bietet selbst gemachtes Lebkuchengewürz an. Vor Kurzem sind bei uns ein paar Plätze frei geworden, und wir sind auf der Suche nach weiteren Mitgliedern.
Kaja, Grafikerin und Designerin:
In diesem Jahr kaufen mein Freund und ich uns statt eines Weihnachtsbaums einen großen Texas-Kaktus. Unsere Katze zerstört mit großer Hingabe sämtliche Topfpflanzen in unserer Wohnung, aber gegen diesen Koloss hat sie hoffentlich keine Chance. Der Kaktus wird auch unser gemeinsames Geschenk sein, für das wir beide zusammenlegen. Unseren Familienangehörigen und Freunden schenken wir in diesem Jahr – wie auch in den vergangenen Jahren – eine Eulenpatenschaft von der polnischen Sektion des WWF. Ich zahle einmalig einen bestimmten Betrag in Höhe von 30, 60 oder 100 Złoty und gebe den Namen der Person an, für die ich die Eule adoptiere. Anschließend erhalte ich eine E-Mail mit dem entsprechenden Zertifikat, das ich einfach an die zu beschenkende Person weiterleite – dadurch reduziert sich die CO2-Emission praktisch auf null. Die Adoption hat lediglich symbolischen Charakter, denn die Eulen leben in der Freiheit und haben keine Namen. Ihre Spezies ist vom Aussterben bedroht, deshalb hat der WWF eine Initiative zu ihrem Schutz ins Leben gerufen. Man kann auch Patenschaften für Wölfe, Bären, Wisente, Luchse und Seehunde übernehmen.
In diesem Jahr unterstütze ich zusätzlich das Projekt „Podaruj Wigilię“ der Stiftung Mali Bracia Ubogich, die Weihnachtsfeiern und Weihnachtsbesuche für alleinstehende ältere Menschen organisiert. Außerdem lege ich meinen Verwandten und Freunden nahe, mir keine Geschenke zu machen, sondern lieber eine Initiative des ukrainischen Künstler- und Designerkollektivs Livyj Bereh zum Wiederaufbau von Dächern in von russischen Bomben zerstörten Dörfern zu unterstützen.
Weihnachten ohne (ökologische) Katastrophen
Mati, Kulturproduzentin und Single-Frau:
In unserer Familie versuchen wir, den Weihnachtsmüll dadurch zu reduzieren, dass wir keine überflüssigen Geschenke kaufen. Jedes Familienmitglied bekommt eine konkrete Person zugeteilt, der er anschließend ein Geschenk macht, das nicht mehr kosten soll als 60 Złoty. Außerdem fragen wir die betreffende Person, was sie sich wünscht. Wir kaufen vor allem gebrauchte Bücher, denn es gibt sie zuhauf und in wirklich gutem Zustand. Oder Haushaltsgegenstände wie schnell trocknende Handtücher und Thermoskannen, die die Beschenkten auch wirklich benötigen – auf jeden Fall mehr als ein weiteres Paar Kunstfasersocken. Vor einigen Jahren habe ich meiner Mutter ein wirklich tolles Geschenk gemacht: ein selbst gemachtes Gutscheinheft mit gemeinsamen Unternehmungen, zum Beispiel mit Kino- und Restaurantbesuchen und einem Ausflug zum Flohmarkt im Warschauer Koło-Viertel, den meine Mutter besonders gerne besucht. Das ganze nächste Jahr über konnte meine Mutter mich einfach anrufen und sagen, dass sie zum Beispiel an diesem Wochenende gerne ins Kino gehen würde, und ich organisierte alles Weitere. Im letzten Jahr hat mir eine Freundin eine selbst gemachte Duftkerze aus natürlichem Bienenwachs geschenkt, darüber habe ich mich auch sehr gefreut. Sie hatte gerade an einem Kerzen-Workshop teilgenommen und beschenkte anschließend die ganze Familie mit ihren Schöpfungen. Auch ein Gutschein für die Teilnahme an einem Workshop ist übrigens eine tolle Gutschenkidee.
Marysia, Küchenchefin mehrerer Warschauer Restaurants:
Ich verbringe die Feiertage mit meiner Mutter, da hält sich der Weihnachtskonsum eher in Grenzen. In der Regel schenken wir einander irgendetwas Praktisches: In diesem Jahr hat sich meine Mutter eine Lampe gewünscht, und ich mir eine Gartenschere. Meinen Freunden schenke ich Kleinigkeiten, wie zum Beispiel ein Notizbuch von Thisispaper, Kochbücher oder Lebensmittel aus dem Asia Shop. Ich verschenke auch gerne Werke von befreundeten Künstlerinnen und Künstlern, zum Beispiel Keramik von Devils Claws oder Pitti Studio und gehäkelte Stofftiere von Hoa Moa. Allen, die sich für Vintage interessieren, empfehle ich den Shop Twoje Stare und selbstverständlich die Wollmützen von St. Kaletki. Und für alle Erschöpften und Gestressten ist eine Kobido-Gesichtsmassage, zum Beispiel bei Agnieszka Bernad, das ideale Geschenk.
Dorota, Redakteurin und Filmwissenschaftlerin, Mitgründerin (gemeinsam mit ihrer Mutter) der Marke St. Kaletki, die selbst gestrickte Wollmützen vertreibt:
Vor acht Jahren wollte ich mir eine ordentliche Wollmütze kaufen. Ich habe lange gesucht, aber es stellte sich heraus, dass es nirgendwo Mützen aus hochwertiger Naturwolle gab. Aus lauter Verzweiflung fragte ich schließlich meine Mutter, ob sie mir nicht eine Mütze stricken könnte, wenn ich ihr die entsprechende Wolle besorgte. Sie war ganz begeistert. Später fragten mich meine Bekannten, wo ich eine so tolle Mütze herhabe. So fing alles an. Meine Mutter lebt in einem Dorf im Ermland, sie ist Rentnerin und strickt jedes Jahr im Winter mehrere Dutzend Mützen im Monat. Über eine Social-Media-Plattform nehmen wir Bestellungen aus ganz Polen auf. Ich wähle die Farben für die jeweilige Saison auf und kaufe Wolle mit den entsprechenden Qualitätszertifikaten. Das Thema Nachhaltigkeit war für mich von Beginn an sehr wichtig. Wolle ist vollständig biologisch abbaubar: Wenn man sie in der Erde vergräbt, zersetzt sie sich innerhalb eines halben Jahres. Außerdem ist sie außergewöhnlich haltbar, unsere Mützen halten also ein ganzes Leben und nicht nur ein paar Jahre. In der Zeit vor Weihnachten bekommen wir die meisten Bestellungen, denn man kann mit unseren Mützen kaum etwas falsch machen – man muss die zu beschenkende Person lediglich nach ihrer Lieblingsfarbe fragen. Meine Mutter braucht für eine Mütze etwa vier Stunden. Sie nimmt ihr Strickzeug nur in die Hand, wenn das Leben auf dem Dorf sich verlangsamt und sie auf den nächsten Frühling wartet.
Ania, Lehrerin, Mutter eines dreizehnjährigen Sohnes und einer achtjährigen Tochter:
Wir verbringen Weihnachten in unserer Wohnung in Berlin. Die Geschenke für unsere Kinder kaufen wir bei Ebay Kleinanzeigen oder bei Vinted. Die Deutschen gehen sehr achtsam mit ihren Sachen um, man findet problemlos komplette Lego-Kästen, die auch nach Jahren noch wie neu aussehen. Die Geschenke packen wir in alte Zeitungen ein. Ich weiß noch, wie ich einmal ein Geschenk bekommen habe, das in die Seite mit den Todesanzeigen eingewickelt war – da musste ich schon lachen. Wir kochen zu Weihnachten vegan, und auch nur so viel, dass wir hinterher nichts wegwerfen müssen. Meine übrige Familie verbringt die Feiertage in Polen, aber wir bleiben lieber in Berlin. Ich sage ganz ehrlich: Unsere psychische Gesundheit profitiert davon.