Workshop
Deutsche Literaturstunden 3

Niemieckie Lekcje Czytania
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Goethe-Institut Krakau

Am 28. Februar 1933, einige Stunden nachdem Reichstag in Brand gesetzt wurde, verließ Bertolt Brecht Berlin. Seit Monaten ahnte er, dass die Nationalsozialisten nach der Verfolgung der Kommunisten, links orientierten Künstler und Schriftsteller weitere Gesetzänderungen und direkte Repressionen wagen werden. Mit diesem Tag fing sein Emigrantenleben an. In einem Gedicht aus dem Jahr 1939 schrieb Brecht, dass das Wort "Flüchtling" angemessener sei, da diejenigen, die aus Angst vor Diktatur ihr Land verlassen, sich ihr Schicksal nicht ausgesucht haben und daher nicht als Emigranten bezeichnen werden sollen.
Einige Monate später, als er sich mit seiner Frau und seinen Kindern in Dänemark niedergelassen hatte, begann Brecht an einem satirischen Briefroman zu arbeiten, in dem er seine Ansichten über die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in Deutschland darlegen wollte. Trotz mehrerer Versuche wurde das Werk nie vollendet. Erst nach der Lektüre von Diderots „Jacques der Fatalist und sein Herr", als er 1940 in Finnland lebte und auf ein amerikanisches Visum wartete, kam er auf eine Idee, die er dann zum Roman „Flüchtlingsgespräche", einem der interessantesten Werke des 20. Jahrhunderts, weiterentwickelte.
„Flüchtlingsgespräche" besteht aus 19 Dialogen (18 in der polnischen Ausgabe) zwei fiktiver Personen: den Intellektuellen Ziffel und den Arbeiter Kalle. Beide mussten Deutschland verlassen, beide lehnen den Nationalsozialismus ab und stellen sich den Herausforderungen am ihrem neuen Lebensort. In den Gesprächen reflektieren sie die Situation der Flüchtlinge und die Lage europäischer Ländern und vor allem nehmen sie Widersprüche in sich selbst und in ihrer Umgebung wahr. Brecht zeigt, dass Flüchtlinge eine bemerkenswerte Perspektive haben. Wenn wir also die großen Krisen und Probleme der Gegenwart verstehen wollen, sollten wir genau auf diejenigen hören, die gezwungen sind, ihr Land zu verlassen.
Brechts Buch wurde erst nach seinem Tod veröffentlicht. Vielmehr handelt es sich in diesem Fall um ein Projekt, das offen geblieben ist. Wenn man heute „Flüchtlingsgespräche“ liest, hat man fast reflexartig das Bedürfnis, diese Lektüre durch neue Stimmen zu ergänzen, durch Berichte derer, die gerade in aller Eile das Nötigste packen und flüchten müssen.

Grzegorz Jankowicz - Literaturphilosoph, Essayist, Herausgeber, Verleger, Autor zahlreicher Veröffentlichungen, Kritiker und Übersetzer. Programmdirektor des Conrad-Festivals. Redakteur des Kulturteils der Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny. Leiter der Literaturprogramme der Stiftung Tygodnik Powszechny. Initiator des Projekts „Literaturschule“ im Krakauer Festivalbüro. Initiator und Mitveranstalter des Projekts „Literaturstunden“, im Rahmen dessen Literaturworkshops mit Jugendlichen, Senioren und Gefangenen durchführt werden.

Anmeldung unter: https://www.facebook.com/LekcjeCzytania/
 

Details

Goethe-Institut Krakau

ul. Podgórska 34
31-536 Kraków

Sprache: Polnisch


Diese Veranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe Deutsche Literaturstunden 2022.