Workshop
Wie bringt man ein Folterinstrument durcheinander?

Kafkas Gaukelei
© Goethe-Institut

Kafkas Gaukelei - Eine Workshopsreihe von Grzegorz Jankowicz

Goethe-Institut Krakau

Kafka kam immer wieder auf die Frage nach dem Verhältnis von Anklage, Schuld und Strafe zurück. Er war der Meinung, dass im europäischen Recht - zumindest seit dem 18. Jahrhundert - eine gefährliche Entwicklung zu beobachten ist, nämlich die Aufhebung des Abstands zwischen dem Moment, in dem eine Person angeklagt wird, und dem Moment, in dem sie für schuldig erklärt wird. Nach Kafka geht das Gesetz nur scheinbar von der Unschuld des Angeklagten aus, bis seine Schuld bewiesen ist. In Wirklichkeit befindet sich jede Person, gegen die eine Anklage erhoben wurde, in einem bestimmten Zustand: sie ist nicht mehr frei, auch wenn sie noch zu keiner Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Sie trägt ein Stigma, wodurch sich alle ihre sozialen Beziehungen (sowohl privat als auch öffentlich) verändern. Hier überschneiden sich verschiedene Ordnungen: rechtliche, soziale und psycho-emotionale. Denn ein ähnlicher Mechanismus gilt nicht nur im juristischen Kontext, sondern auch im Alltag, wenn jemand - z. B. ein Elternteil, ein Partner oder ein Freund - über unser Verhalten urteilt. Kafka war dafür besonders sensibel, da er im Elternhaus immer wieder mit als ungerecht empfundenen Urteilen über sein eigenes Handeln konfrontiert wurde. Die Urteile veränderten völlig die Reihenfolge der Ereignisse. Das ständige Gefühl der Schuld bedeutete nicht, dass Kafka wusste, worin seine Schuld wirklich bestand. Alles begann mit einem bestimmten verstörenden Gefühl, das er als Folter und Strafe zugleich empfand. Der Inhalt des Vorwurfs war noch nicht erkannt worden. Somit kann es weder eine Verteidigung geben noch einen Versuch, die Unschuld zu beweisen. Die Schuld ist unbestreitbar, sie wird angenommen, aber damit ist der Fall nicht abgeschlossen. Es obliegt weiterhin dem Einzelnen, den Inhalt des Urteils zu erkennen (zu erahnen, gedanklich zu durchdringen). Was oder wer ist für diesen Zustand verantwortlich? Warum befindet sich das Individuum in dieser Lage? Gibt es eine Möglichkeit, diesen verhängnisvollen Mechanismus zu neutralisieren?
Diese Fragen lassen sich zumindest im Zusammenhang mit mehreren Werken Kafkas stellen. Das erste Werk, das mir in den Sinn kommt, ist "Der Prozess". Bei der Arbeit daran kam der Autor auf die Idee einer Geschichte über eine Strafkolonie, in der Menschen im Rahmen eines speziell organisierten Rechtssystems einem ausgeklügelten Verfahren unterworfen werden, das zugleich Anklage, Folter und Strafe ist. "In der Strafkolonie" wurde im November 1914 geschrieben und ist einer der am meisten interpretierten Texte Kafkas. Angeblich ist schon alles darüber gesagt und geschrieben worden, und doch scheint die Bedeutung noch nicht ganz erforscht zu sein.

 

Details

Goethe-Institut Krakau

ul. Podgórska 34
31-536 Kraków

Sprache: Polnisch

Preis: Eintritt frei.
Wir bitten vor dem Workshop „In der Strafkolonie" von Franz Kafka zu lesen.

Elzbieta.Jelen@goethe.de
Diese Veranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe Kafkas Gaukelei.