Workshop
Wie findet man die Person, nach der man nicht gesucht hat?

Kafkas Gaukelei
© Goethe-Institut

Kafkas Gaukelei - Eine Workshopsreihe von Grzegorz Jankowicz

Goethe-Institut Krakau

Der Protagonist des ersten Romans von Franz Kafka „Der Verschollene“ wird von seiner Familie nach Amerika geschickt. Die Auswanderung ist erzwungen und der Entscheidung über die Ausreise liegt die herrschende Moral zugrunde: der sechzehnjährige Karl Rossmann, der von einem Dienstmädchen verführt wurde, ist ein junger Vater und soll aus den Augen der sozialen Gruppe verschwinden, zu der er von Geburt an gehört. Kafka erklärt nicht, warum gerade der Junge, der verführt und ausgenutzt wurde, den höchsten Preis bezahlt, aber eins ist sicher: Der Roman beginnt für ihn mit einem ungewollten Übergangsritus. Der Protagonist wird in die Welt geworfen und muss seinen eigenen Platz darin finden. Angeblich wartet in New York ein Onkel auf ihn, der für ihn sorgt, aber schon bald wird klar, dass Kafka für Karl ein Schicksal des ständigen Umherziehens vorgesehen hat. Er zieht von Ort zu Ort und schöpft den Fundus an Möglichkeiten aus, bis er schließlich einen Punkt erreicht, hinter dem es kein Zurück mehr gibt. Max Brod, der immer auf Kafka als Hoffnungsträger schaute, behauptete, wenn der Roman vollendet worden wäre, hätte Karl endlich eine Zuflucht gefunden. Im Text selbst gibt es dafür keine Anhaltspunkte, und einzelne Indizien lassen vermuten, dass der Protagonist auf die Auslöschung zusteuert, aber das scheint nicht das Wichtigste zu sein. Wichtig sind die Ereignisse, aus denen sich die einzelnen Zwischenstationen zusammensetzen. Karl kommt an einen Ort, wo er eine Person trifft, die ihm als Retter erscheint. Jedes Mal stellt sich heraus, dass der erste Eindruck falsch war, und nach einem kurzen Zwischenstopp muss der Junge weiterziehen.

Kafka entwickelte ein Erzählmodell, das aus folgenden Elementen besteht: der Begegnung, dem Erkennen, der Hoffnung auf eine Veränderung der Lebenssituation des Protagonisten, den Abenteuern und der wiederkehrender Verbannung. Die Geschichte entfaltet sich so, dass die Begegnungen einen unklaren Status haben. Wir wissen nicht, ob sie geplant oder zufällig sind. Einmal vermuten wir, dass sie akribisch vorbereitet wurden, aber die Figuren verhalten sich so, als wüssten sie nichts von diesen Vorbereitungen; ein anderes Mal haben wir den Eindruck, dass das Ereignis völlig zufällig ist, aber die Figuren scheinen gut informiert zu sein. Handelt es sich hier nur um ein Spiel, oder geht es darum, dass der Anschein einen Vorteil im Überlebenskampf von Kafkas Figuren verschafft? Oder gibt es in Kafkas literarischem Universum tatsächlich Personen, die mit zusätzlichem Wissen ausgestattet sind und die nicht nur das Schicksal der Protagonisten, sondern auch der Welt verändern könnten? Wie können wir sie identifizieren? Wo liegt die Quelle ihrer Macht? Und vor allem: Was können wir von ihnen lernen?


Das Projekt wird mit finanzieller Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit organisiert.

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Details

Goethe-Institut Krakau

ul. Podgórska 34
31-536 Kraków

Sprache: Polnisch

Preis: Eintritt frei. Wir bitten vor dem Workshop den Roman „Der Verschollene" von Franz Kafka zu lesen.

Elzbieta.Jelen@goethe.de
Diese Veranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe Kafkas Gaukelei.