Im kanadischen Vancouver wendet sich ein unterhaltsamer Wettlauf gegen den Klimawandel. Die Veranstaltung produziert keinen Müll, sie bezieht ihren Strom aus Solarenergie und Fahrrädern, und die Teilnehmenden sammeln Geld für Erneuerbare-Energien-Projekte.
Als Ben West seinen ersten Wettlauf hinter sich hatte, kam ihm eine Eingebung. Er war schon seit langem als Campaigner im Umweltbereich aktiv und fühlte sich von seiner Arbeit ausgelaugt. Er hatte Schwierigkeiten, anderen Menschen den Klimawandel als persönliches und greifbares Thema zu vermitteln. „Ich habe in meinem Leben viel Zeit damit verbracht, mich auf die Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu konzentrieren, aber ich wollte mehr in Richtung Lösungen gehen“, blickt West zurück. Dieser Wettlauf – der Zehn-Kilometer-Lauf „Vancouver Eastside“ – war für ihn ein Wendepunkt.
„Für mich war es ein schräges Erlebnis, als ich auf dem ersten Kilometer des Wettlaufs Menschen sah, die Schilder hochhielten“, erzählt West. Aufgrund seiner Erfahrungen ging er davon aus, dass die Menschen mit den selbstgemalten Plakaten wohl gegen den Wettlauf protestierten. In Wirklichkeit waren die Unterstützer am Straßenrand aber gekommen, um West und die anderen Läufer mit Abklatschen und Jubelrufen anzufeuern.
„Auf einem Plakat stand ‚go, go, go’. Ich war vorher an vielen Orten gewesen, wo Menschen Transparente hochhielten, auf denen stand ‚no, no, no’“, so West. „Eine positive Menschenmenge, die Plakate hält und alle ermuntert, war für mich ungewohnt.“
Die Gründungsveranstaltung
Die begeisterte Atmosphäre brachte West auf den Gedanken einer Laufveranstaltung gegen den Klimawandel. Der Klimawandel betrifft zwar alle, aber es kann sehr entmutigend sein, für sich selbst herauszufinden, wo man damit anfangen soll, dieses Thema anzupacken. West dachte sich, ein Wettlauf könnte zahllose Chancen bieten, da sich dort gleichgesinnte Menschen um eine gemeinsame Sache scharen würden, andere Unterstützer treffen, dabei Spaß haben und gleichzeitig in ihrer Gemeinde etwas Sinnvolles tun würden.
„Am Abend fingen meine Freundin und ich an, darüber zu reden, eins kam zum anderen, es ging immer weiter“, erzählt West. Das Paar suchte nach einem Klimawandel-Wettlauf, bei dem es mitmachen könnte, merkte aber, dass es noch keine derartige Veranstaltung gab. Dann begannen die beiden zu überlegen, wie es wäre, einen eigenen Wettlauf ins Leben zu rufen. „Im Handumdrehen hatten wir eine Website und bauten ein Team auf“, erzählt West. Mit diesem Team gründeten er und seine Partnerin Mari McMillan The Great Climate Race, bestehend aus einem 10-Kilometer- und einem 2,5-Kilometer-Lauf, die jeweils rennend oder gehend absolviert werden können. Bei der Gründungsveranstaltung am 8. November 2015 bewältigten über 1.000 Teilnehmende eine dieser Strecken.
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Dave Burroughs
Inaugural Great Climate Race 2015
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© Dave Burroughs
Inaugural Great Climate Race 2015
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© Dave Burroughs
Inaugural Great Climate Race 2015
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© Dave Burroughs
Inaugural Great Climate Race 2015
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© Dave Burroughs
Inaugural Great Climate Race 2015
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© Dave Burroughs
Inaugural Great Climate Race 2015
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Ben West
Ben West
Im Oktober dieses Jahres wird das Great Climate Race wahrscheinlich wieder Tausende Menschen in den pittoresken Stanley Park Seawall in Vancouver locken. Die Teilnehmenden, die bei dieser abfallfreien und stromnetzunabhängigen Veranstaltung mitlaufen oder mitgehen, sammeln Geld für Erneuerbare-Energien-Projekte – und wollen so auf die letztes Jahr gesammelten 40.000 Kanadischen Dollar noch eins draufsetzen. Die familienfreundliche Veranstaltung steht unter dem Motto „So viel Spaß hat es noch nie gemacht, die Welt zu verändern“ und beinhaltet auch Kostüme, Theater sowie Kunst- und Technik-Präsentationen.
Überall anders auf der Welt können Menschen ebenfalls mitmachen. Sie können laufen, wo sie wollen, ihre Zeit dokumentieren und ihre Ergebnisse online teilen. Im letzten Jahr brachten sich rund 300 Menschen an verschiedenen Orten rund um die Welt ein, unter anderem in Frankreich, Belgien, Australien und Japan.
West, der den Wettlauf neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Organisation Tanker Free BC organisiert, schreibt den schnellen Erfolg der Veranstaltung mehreren Faktoren zu. Das Format – ein Wettlauf – vermittelt laut West ein Gefühl der Dringlichkeit beim Thema Klimawandel und bietet den Menschen außerdem eine klare, konkrete Gelegenheit, sich einzubringen. „Die Leute haben wirklich einen tiefen Wunsch, gemeinsam an positiven Lösungen arbeiten“, sagt er.
Unterstützung für Solarenergie-Projekte
Das gesamte Geld, das die Teilnehmenden sammeln, und ein Teil des Startgelds fließen in Solarprojekte vor Ort. West bezeichnet das als greifbare Lösung gegen den Klimawandel. „In meinen Jahren als Campaigner gegen den Klimawandel ist mir eine Sache immer wieder begegnet: Die Menschen sind gewissermaßen verzweifelt, weil sie nicht wissen, was sie gegen den Klimawandel tun können. Es herrscht die falsche Auffassung, die erneuerbaren Energien seien nicht tragfähig genug, um uns bei dem Wandel zu helfen, den wir vollziehen müssen, um gegen den Klimawandel anzukommen.“
Die Veranstalter haben zwar noch nicht bekannt gegeben, welche konkreten Erneuerbare-Energien-Projekte mit dem diesjährigen Rennen unterstützt werden sollen, doch nach eigener Aussage spricht West bereits mit gemeinnützigen Organisationen, Gemeinden der First Nations, also der kanadischen Ureinwohner, mit Kommunen und anderen Gruppen über mögliche Projekte. „Dahinter steht die Idee, dass wir diesen Organisationen dabei helfen können, ihre Kosten viele Jahre in die Zukunft zu reduzieren, einfach dadurch, dass sie ihren Strom von der Sonne statt aus dem Netz beziehen“, so West.
Größer und besser
Das zweite jährliche Great Climate Race findet am Sonntag, dem 30. Oktober 2016, statt. In diesem Jahr bauen West und McMillan vor allem das virtuelle Rennen energisch aus. Eine App, die die Teilnahme noch leichter macht, ist in der frühen Entwicklungsphase.
Neben der Geldbeschaffung für Erneuerbare-Energien-Projekte widmet sich die Veranstaltung auf alle ihr möglichen Arten dem Kampf gegen den Klimawandel. Im vergangenen Jahr wurden Solarmodule, Fahrräder und Akkus zusammengeschlossen, um eine Bühne, einen riesigen Bildschirm sowie mehrere Zelte mit Strom zu versorgen. In diesem Jahr wird eine saubere, mobile Stromstation des in Vancouver ansässigen Unternehmens Portable Electric den Strom für die Veranstaltung liefern.
Auf der Strecke gibt es keine Einweg-Wasserbecher für die Läuferinnen und Läufer. Sie können ihr Wasser selbst mitbringen oder an einer Wasserausgabe wiederverwendbare Becher bekommen. „Das haben wir letztes Jahr in unserer Kommunikation ziemlich stark betont, und ich war angenehm überrascht, wie sehr die Läufer diese Idee unterstützten“, so West.
Da das Rennen 2016 so kurz vor Halloween stattfindet, erwartet West, dass viele Läuferinnen und Geher kostümiert sein werden. Die Teilnehmenden laufen die gleiche Strecke wie im letzten Jahr, und unterwegs werden diverse Unterhaltungsmöglichkeiten warten.
Die Teilnehmenden können auch damit rechnen, dass sie beim Zieleinlauf von dem Eisbär-Maskottchen Solar Bear umarmt und abgeklatscht werden. Und auch diesmal werden wieder Freiwillige mit selbstgemachten Schildern die Strecke säumen und den Läufern und Geherinnen den Zuspruch bieten, von dem West bei seinem ersten Wettlauf so begeistert war. „Ich will einfach, dass es tierisch Spaß macht“, sagt West über das Great Climate Race.