Kunst ohne Grenzen: Der Tod und das Mädchen
Der Hof des Schlosses in Litomyšl hat sich im vergangenen Herbst in eine Theaterbühne verwandelt. Studenten vornehmlich nichtkünstlerischer Fächer aus Deutschland, Österreich, Tschechien und der Türkei schufen dort ein Kunst-Monument über den Tod von Frauen in der Menschheitsgeschichte, in verschiedenen Ecken der Welt. Das Leitmotiv des Auftritts bildete die Musik Franz Schuberts, die sich mit weiteren westlichen und ethnischen Motiven verschränkte.
Im Rahmen des dritten und letzten Jahrgangs des internationalen Projektes Kunst ohne Grenzen traten insgesamt 53 Studenten aus vier europäischen Ländern auf. Das Hauptmotiv ihrer Arbeit war Franz Schuberts Komposition Der Tod und das Mädchen. Studierende unterschiedlicher Fächer aus Deutschland, der Türkei, Tschechien und Österreich präsentierten dem Publikum eine monumentale Show, die sich mit dem weltweiten – und medial oft vernachlässigten – Phänomen des Feminizids (Frauentötung) auseinandersetzte. Unter der Leitung des Dirigenten Helmut Rocholl haben sich die Studenten die Choreographie und das Konzept des Programms selbst erarbeitet. Laut Helmut Rocholl war es das Ziel, „Offenheit, Toleranz, Phantasie und Kreativität mitzubringen, die über den Rahmen kultureller und künstlerischer Bereiche hinausgeht“.
Man entschied sich für die Form eines sogenannten integralen Kunstwerks. Das bedeutet, dass es mehrere Arten künstlerischer Ausdrucksformen in sich vereint. Dabei lässt eine jede die jeweils andere unberührt. Beide machen jedoch eine gewisse Transformation durch, und erschaffen darüber hinaus noch etwas Drittes. Den Organisatoren des Projektes Der Tod und das Mädchen ist dieses „alchemistische“ Stück im Schlosshof von Litomyšl – zwar etwas vordergründig – aber durchaus gelungen.
In dem Bemühen, für das Publikum verständlich zu sein, hatte der ganze Auftritt den Charakter eines Mosaiks aus musikalischen, tänzerischen und dramatischen Figuren. Die hervorragende Musikbegleitung litt ein wenig unter der Nichtprofessionalität der Schauspieler. Umso besser kam aber die Choreographie der Tänzer zur Geltung. Die Metapher der Frauentötung entfernte sich nicht zu stark vom Realitätsbezug, und so konnte man während der eineinhalb Stunden Dutzende von inszenierten Frauentoden verfolgen.
„Bei der Bewertung der künstlerischen Leistung der Studenten in den unterschiedlichen Bereichen sollte man wissen, dass sie bis auf wenige Ausnahmen über keinerlei künstlerische Ausbildung verfügen. Angesichts dieser Tatsache fand ich das Präsentierte beachtenswert, jeder hat im Rahmen seiner Möglichkeiten das Beste gegeben“, reagiert Projektleiter Helmut Rocholl auf die Kritik.
Als großen Mehrwert kann man die eigentliche Form des Werkes betrachten. Während des Auftritts im Schlosshof herrschte eine Atmosphäre der interkulturellen Harmonie, und alles ergab einen einheitlichen Sinn. Abgesehen von der zerfahrenen Handlung und dem heterogenen Zeit-Raum-Kontext des Werkes war die Botschaft an das Publikum eindeutig: Wenn in der Welt Gewalt passiert, dann sterben nicht nur Männer – Opfer von Kriegen, gesellschaftlicher und häuslicher Gewalt sind häufig Frauen.