Künstlerresidenzen
Schnappschüsse vom Dach
Uta Pütz lebt normalerweise in Köln. Ihre Werke sind jedes Jahr – vor allem in Süddeutschland und der Schweiz – in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. Das Atelier Mondial-Stipendium für New Delhi ermöglichte ihr einen sechsmonatigen Aufenthalt in Indien. Drei Monate lang lebte und arbeitete sie dabei auf dem Gelände der Sanskriti-Stiftung, die jeweils mehreren internationalen Künstlern Residenzen bietet. Danach wohnte sie als Teil des Programms in einer Wohnung mitten in der Stadt. Die Zeit in Neu-Delhi sei sehr bereichernd und produktiv gewesen, sagt Pütz.
Die in Aachen geborene Uta Pütz machte erst ein Diplom in Landschaftsarchitektur an der FH Weihenstephan in Freising, bevor sie an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe ein Studium der Freien Kunst begann. Sie schloss es 2012 als Meisterschülerin bei Prof. Meuser ab. Während ihrer künstlerischen Laufbahn erhielt sie drei Mal das AIR-Stipendium für Chemnitz, das IAAB-Stipendium für Helsinki, sowie das Rhône-Alpes-Stipendium für Valence und den Akademiepreis der Stadt Freiburg.
Ein Interview in Bildern.
Wie sah Ihr Tagesablauf während ihres Aufenthalts in Indien auf?
Eindrücke von Delhi
| Foto: © Uta Pütz
In den ersten drei Monaten war ich Gast der Sanskriti Foundation die auf ihrem Gelände in Neu-Delhi in etwa zehn kleinen Häuschen bis zu 20 Künstler aus aller Welt beherbergt. Unsere Tage begannen mit einem gemeinsamen Frühstück, zu dem wir mit einem lauten Gong gerufen wurden. In der Küche zauberten mehrere Köche (s.o.) für uns teils sehr scharfe indische Frühstückskost, es gab aber auch Toast und Cornflakes. Während des Tages habe ich mich durch die Stadt treiben lassen, vor allem durch das Gassengewimmel von Delhis Altstadt. Dort habe ich auch Material gesammelt, mit dem ich später im Atelier erste Fotoarbeiten gemacht habe. Ich hatte bereits vor meiner Ankunft in Indien viel über das Land gelesen und vor Ort dann eher die Finger von Indien-Literatur gelassen. Ich wollte das Land pur auf mich wirken lassen. Abends kamen wie dann alle wieder zum Dinner zusammen.
Von Kind auf an hören wir über Indien - was hat Sie trotzdem unvorbereitet getroffen?
Eindrücke von Delhi
| Foto: © Uta Pütz
Vor allem die vielen Sinneseindrücke, die auf mich eingeprasselt sind. Alles fand gleichzeitig statt, und ich war mit den visuellen Eindrücken am Anfang schon überfordert. Es gibt so viele Details. Auf diesem Schnappschuss von einem Dach in der Altstadt sieht man, wie sich im Hinterhof des Gewürzmarktes auf wenigen Quadratmetern das Leben der Menschen abspielt.
Als Künstlerin haben sie einen besonderen Blick auf die Welt. Was fanden sie in Indien schön? Was hässlich?
Eindrücke von Delhi
| Foto: © Uta Pütz
Hässlich im ästhetischen Sinne fand ich gar nichts. Eher interessant oder weniger interessant. Da ich viel mit Fundstücken arbeite, waren die vermüllten Straßen eine wahre Fundgrube für mich. Manchmal war's ein bisschen eklig, aber ich hab mich schnell dran gewöhnt. Hässlich fand ich eher politische Gegeben- heiten, die so nach und nach zu mir durchgesickert sind. Stichworte: Kasten- system, mangelnde Gleichberechtigung, Umweltzerstörung, Unterdrückung von Minderheiten … Über diese Missstände habe ich vor allem durch indische Künstler erfahren, die ich während meines Aufenthaltes kennenlernte. Da waren viele empört über das, was in ihrem Land vorgeht.
Hat Ihr Aufenthalt ein konkretes Ergebnis gehabt, haben Sie ein Kunstwerk mit nach Hause gebracht?
Ich habe unter anderem viele Fotoarbeiten gemacht, und ein konzeptuelles Projekt mit traditionellen indischen Malern. Ich habe allen den gleichen abstrakten Gegenstand zum Malen gegeben, ein Bruchstück eines alten Podestes. Den sollten sie auf ihre Weise interpretieren und auf ihre jeweilige, althergebrachte Weise malen. Das Ergebnis war hochspannend.
Witzig war, dass kein einziger sich an die einige einzige Regeln gehalten hat, die ich aufgestellt hatte, nämlich dass das Bild A3-Format haben soll… Ich war zudem fasziniert von dem Kuhfladen als abstrakten Objekt. Das ist das Brennmaterial, mit dem halb Indien kocht und heizt: Aus Kuhdung und Stroh geformten Fladen. Ich habe einen in Messing gießen lassen - der Leiter der Werkstatt hat ganz genau nachgefragt, wie ich mir das Ergebnis vorstelle und das dann mit eiserner Miene gemacht. Ich habe insgesamt sehr viele Anregungen und Ideen mit nach Hause gebracht, die ich in den kommenden Monaten umsetzen will.
Welche zwischenmenschliche Begegnung wird Ihnen in Erinnerung bleiben?
Einige, sowohl mit Indern als mit Leuten aus verschiedenen Teilen der Welt. Hier zum Beispiel war ich auf dem Land bei Orissa mit einem Fahrer unterwegs, der sich dann unbedingt vor diesem Wasserfall fotografieren lassen wollte und sich dafür tüchtig in Pose warf.
Eindrücke von Delhi
| Foto: © Uta Pütz
Indien ist kein leichtes Land - mussten Sie einmal über ihre Grenzen hinweggehen, sich überwinden?
Nicht wirklich. Ich musste mich teilweise umstellen. In Orissa zum Beispiel war ich einmal für mehrere Tage bei einer Familie zu zu Gast. Da wurde das Essen auf dem Boden serviert - ohne Besteck. So lernt man dann mit den Händen essen. Ich bin übrigens nie in unangenehme oder gefährliche Situationen geraten.
Hatten Sie früher schon mit Indien zu tun?
Noch nie. Ich wollte nach Indien, um zu sehen, wie das Unbekannte mich und vor allem meine Kunst beeinflusst.
Der Stipendiumsgeber Atelier Mondial hat gerade eine Gruppenausstellung der diesjährigen Stipendiaten eröffnet. Der Titel “Where is the Beef?” Was steckt da hinter?
Bei der Ausstellung war ich auch dabei, und der Titel war für Indien nicht ideal – zu nah dran am Klischee.
Eindrücke von Delhi
| Foto: © Uta Pütz
Es sollte allgemein ums Thema Nahrung in den jeweiligen Stipendienländern gehen, aber das war zum Glück nur eine Option. Ich zeige bei der Schau den Kuhfladen aus Messing, Titel "Holy Shit”. Und zwei großformatige Fotoarbeiten mit Müllpartikeln, die ich auf der Merhauli Gurgaon Road gefunden und auf
dem sauberen Fußboden im Studio fotografiert habe, Titel "Merhauli Gurgaon”.
Teilweise haben Sie sich in Delhi selbst versorgen müssen - war das ein Abenteuer?
Selbst versorgen musste ich mich in den letzten drei Monaten. Ich war sehr froh, dass ich bis dahin schon wusste, wo und wie man einkauft. Am Anfang wäre ich wahrscheinlich verhungert, denn es gibt in Indien keine Supermärkte, in denen man eben mal seinen gesamten Einkauf erledigen kann. Viele Lebensmittel werden von fliegenden Händlern wie dem Gemüseverkäufer auf dem Bild verkauft. Der radelt dann durch die Straße und man muss ihn genau abpassen. Zum Glück gibt es an jeder Ecke Imbissbuden mit köstlichen Snacks.