Das Kollektiv Curated Affairs – Gespräch
Zwischen Warschau und Düsseldorf
Im Gespräch mit Paulina Olszewska erzählen die in Düsseldorf lebenden Kuratorinnen Kasia Lorenc und Angelika J. Trojnarski von polnischer Kunst in ihrer Stadt, davon, wie sich in ihr die polnische Identität ausdrückt sowie von den Unterschieden zwischen Düsseldorf und Berlin.
Wie hat es euch nach Düsseldorf verschlagen?
Angelika J. Trojnarski: Ich bin vor dreißig Jahren mit meinen Eltern und meinen Geschwistern aus Mrągowo in Masuren hierhergekommen. Seitdem leben wir alle hier, in Nordrhein-Westfalen, in Düsseldorf. Das ist meine Stadt: Hier bin ich aufgewachsen, hier bin ich zur Schule gegangen, hier habe ich studiert und hier bin ich künstlerisch tätig. Ich habe hier mein Atelier und bin ein Teil der hiesigen Kunstszene.
Kasia Lorenc: Ich habe in Krakau studiert und bin anschließend nach Berlin gezogen. Nach acht Jahren in Berlin habe ich mich aus persönlichen Gründen entschieden, nach Essen zu ziehen. Seit zwei Jahren sind Düsseldorf, wo ich arbeite, und Essen, wo ich wohne, meine zwei neuen Heimaten.
Und wie habt ihr euch kennengelernt?
AJT: Damit verbindet sich eine interessante Kuratoren-Geschichte. 2016 kuratierte ich in der Neuen Galerie Gladbeck eine Gruppenausstellung, an der unter anderem auch Anne Neukamp teilnahm, die von der Berliner Galerie Gregor Podnar vertreten wurde. Und Kasia war damals innerhalb der Galerie für die Ausleihe der Werke der Künstlerin verantwortlich.
KL: Eines Tages landete eine Anfrage zur Ausleihe von Gemälden von Anne Neukamp auf meinem Schreibtisch, also kontaktierte ich Angelika per E-Mail. Im selben Jahr bat mich die Berliner Initiative „Zwischen den Polen“, eine deutsch-polnische Ausstellung von Künstlerinnen und Künstlern mit Migrationshintergrund zu entwickeln. Die Ausstellung Liebes Wedding präsentierte Kunstwerke von deutsch-polnischen und deutsch-türkischen Künstlerinnen und Künstlern und zeigte, wie ihre zweiteilige Identität sich in ihrer Kunst ausdrückt. Anfangs beschränkte ich mich auf die mir vertraute Berliner Kunstszene, doch irgendwann kam mir der Gedanke, dass es viel interessanter wäre, auch eine Künstlerin oder einen Künstler von außerhalb Berlins zu präsentieren. Und da dachte ich an Angelika. Ihr Nachname deutete auf eine mögliche polnische Herkunft hin. Und so war es auch. Angelika kam nach Berlin und schuf eine sehr aufwändige Installation für die Ausstellung. Und so begann unsere Freundschaft.
Gemeinsame Linie
Wann habt ihr begonnen, nicht nur als Künstlerin und Kuratorin, sondern auch gemeinsam als Kuratorenduo zusammenzuarbeiten?AJT: Diese Idee erwuchs aus unseren gemeinsamen Gesprächen und aus unseren Erfahrungen, dank derer wir uns ausgezeichnet ergänzen. Kasia realisierte Kulturprojekte und arbeitete für Galerien. Ich bin in Düsseldorf aufgewachsen und sehr vertraut mit der hiesigen Kunstszene, während Kasia sich ausgezeichnet in der Berliner und der polnischen zeitgenössischen Kunstszene auskennt. Irgendwann kam in unseren Gesprächen die Frage auf: Warum tun wir uns nicht einfach zusammen und machen hier etwas, in Düsseldorf?
KL: Wir verstehen uns prima und arbeiten sehr gut zusammen. Wir tauschen unsere Erfahrungen aus und realisieren Ausstellungen mit Kunstwerken, die uns bewegen und faszinieren. Dieses gemeinsame Verständnis ist für uns sehr wichtig. Auf diese Weise schufen wir auch unsere erste gemeinsame Ausstellung ROSA anlässlich des 100. Todesjahres Rosa Luxemburgs. Die Vernissage fand im Juni 2019 in einer befreundeten Galerie in der Ackerstraße 199 statt.
War euch von Beginn an klar, dass ihr in erster Linie Kunst aus Deutschland und Polen präsentieren wolltet?
AJT: Wir haben nicht groß darüber diskutiert, in welchem thematischen Rahmen wir uns bewegen und welche Art von Kunstwerken wir präsentieren wollen. Das hat sich mit der Zeit ganz von selbst ergeben – dank der Künstlerinnen und Künstler, die wir zu unseren Ausstellungen eingeladen haben. Eine wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang ein gemeinsames Projekt mit dem Polnischen Institut Düsseldorf. Es ist ja nicht so, dass du dich erst einmal hinsetzt und dein komplettes Image festlegst. Aus unseren Gesprächen entwickelte sich einfach eine gemeinsame Linie, an der wir bis heute festhalten. Wir arbeiten gern mit polnischen Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Und wir interessieren uns auch dafür, wie unsere Ausstellungen sowohl in Deutschland als auch in Polen wahrgenommen werden. Was uns – insbesondere im Raum Nordrhein-Westfalen – auszeichnet, ist, dass wir uns sehr gut in diesen beiden Ländern auskennen.
KL: Selbstverständlich sind wir auch offen für Veränderungen, insbesondere für Kooperationen. Wir wissen noch nicht, in welche Richtung wir uns in Zukunft entwickeln werden. Aber, wie man in Deutschland sagt: „Man muss mit ganzem Herzen bei der Sache sein.“ Und das sind wir.
Die erste Partnerschaft
Angelika hat bereits über die Zusammenarbeit mit dem Polnischen Institut Düsseldorf gesprochen. Könnt Ihr mir etwas über die beiden Ausstellungen erzählen, die im Rahmen dieser Zusammenarbeit realisiert wurden?KL: Die beiden Ausstellungen entstanden anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Düsseldorf und Warschau. Die Partnerschaftsurkunde wurde am 27. Oktober 1989 unterzeichnet, also zwei Wochen vor dem Fall der Berliner Mauer. Es war die erste Partnerschaft zwischen Warschau und einer Stadt jenseits des Eisernen Vorhangs. Wir fanden, dies sei ein guter Moment, um diese Städtepartnerschaft zu würdigen und zu beleben. Also entwickelten wir ein entsprechendes Ausstellungskonzept, das das Interesse des Polnischen Instituts Düsseldorf erregte. Unsere Idee gefiel auch dem Kulturamt Düsseldorf und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, die sich bereit erklärten, unser Projekt zu unterstützen. Auf diese Weise entstanden die beiden Ausstellungen Der Unterschied in Ähnlichkeit und Die Ähnlichkeit im Unterschied. Im Rahmen der ersten Ausstellung, die von September bis Oktober 2019 stattfand, präsentierten wir Installationen und Skulpturen. In der zweiten Ausstellung, die im November 2019 eröffnet wurde, konzentrierten wir uns auf das Medium Fotografie. Beide Ausstellungen basierten auf dem Prinzip des Dialogs: Wir luden wir vier Künstlerinnen und Künstler ein, zwei aus Warschau und zwei aus Düsseldorf.
AJT: Weil auf deutscher Seite gleich zwei Ausstellungen stattfanden, wollten wir auch gern etwas Ähnliches in Polen veranstalten. Im September 2019 eröffneten wir – in enger Zusammenarbeit und mit Unterstützung der beiden Städte – eine konzeptionell vergleichbare Ausstellung mit dem Titel As x as y im Warschauer Kulturpalast. Auch diese Ausstellung basierte auf dem künstlerischen Dialog, dieses Mal lag unser Schwerpunkt auf dem Medium Skulptur. Sämtliche Ausstellungen waren Teil größerer Veranstaltungen: der DC Open in Düsseldorf und Köln sowie des Warsaw Gallery Weekends. Auf diese Weise konnten wir eine Vielzahl von Besuchern erreichen.
Offenheit und Mut
Worin liegen, eurer Meinung nach, die Unterschiede zwischen der Düsseldorfer, der Berliner und der Warschauer Kunstszene? Und worin siehst vor allem du, Kasia, die Unterschiede zwischen Düsseldorf und Berlin?KL: Ich erlaube mir mal eine etwas provokante Antwort auf diese Frage. Ich denke, dass es nicht darum gehen sollte, herauszustreichen, was Berlin Düsseldorf alles voraushat. Wenn ich zum Beispiel in der Presse lese, Warschau sei das kleine Berlin oder Budapest sei das kleine Warschau, dann interessiert mich das einfach nicht. Ich fühle mich sehr wohl in Düsseldorf. Die hiesigen Künstlerinnen und Künstler haben uns großes Vertrauen entgegengebracht: Sie haben sich an unseren Ausstellungen beteiligt, obwohl sie keine Ahnung hatten, wer wir waren. Und die hiesigen Institutionen haben uns unterstützt, obwohl wir noch keinen großen Namen hatten. All das zeugt von großer Offenheit und großem Mut. Ich bin erst seit zwei Jahren in Düsseldorf und entdecke die Stadt jeden Tag aufs Neue. Ganz Nordrhein-Westfalen ist voller interessanter Orte, die mit Kunst verbunden sind: renommierte Museen, hervorragende öffentlich zugängliche Privatsammlungen und großartige Kunstvereine.
Angelika, kannst du uns – als jemand der hier aufgewachsen ist – erzählen, wie sich die Düsseldorfer Kunstszene in den letzten Jahren verändert hat?
AJT: Düsseldorf hat eine sehr lebendige Kunstszene, die Ausstellungen haben ein sehr hohes Niveau. Die Künstlerinnen und Künstler sind gut miteinander vernetzt und werden sowohl von der Stadt als auch von den lokalen Institutionen sehr gut unterstützt. Düsseldorf ist zwar nicht besonders groß, doch in kultureller Hinsicht kann die Stadt durchaus mit den großen Metropolen mithalten.
Und wie sieht es mit der Präsenz polnischer Künstlerinnen und Künstler und polnischer Kunstwerke aus?
AJT: Polnische Künstlerinnen und Künstler sind in Düsseldorf zunehmend präsent. Das hat aber auch etwas mit meiner eigenen Wahrnehmung zu tun. Um zu verstehen, was ich meine, muss man sich in die Situation vor dreißig Jahren zurückversetzen, in der ich nach Deutschland kam. Meine Familie und ich haben uns alle uns in Rekordtempo integriert. Wir gaben unsere polnische Identität auf und wurden Deutsche. Die heute in Deutschland lebenden Polinnen und Polen gehen zum Glück selbstbewusster mit ihrer Identität um. Ich nehme die polnische Szene unter anderem auch deshalb stärker wahr, weil ich mich selbst ihr gegenüber geöffnet habe. Und was wichtig ist: Diese Szene will präsent sein, und die Künstler stehen in ständigem Kontakt miteinander.
KL: In Nordrhein-Westfalen leben fast 800 000 Menschen mit polnischen Wurzeln. Doch nicht alle Künstler, die einen polnischen Namen tragen, haben auch wirklich einen Bezug zu Polen. 2017 realisierte der Verein agitPolska e.V. in Berlin eine Veranstaltungsreihe in Ateliers von Künstlerinnen und Künstlern mit polnischen Wurzeln. Die Besucher erhielten nicht nur einen Einblick in die Ateliers und das Schaffen der Künstler, sondern konnten sich auch mit der polnischen Szene in Berlin vertraut machen. Ein ähnliches Projekt würde auch Düsseldorf gut zu Gesicht stehen. Und Angelika und ich wären gerne bereit, es zu realisieren, nicht wahr?
AT: Aber selbstverständlich!
Dann wünsche ich euch viel Erfolg dabei. Vielen Dank für das Gespräch!
Angelika J. Trojnarski ist eine deutsche Künstlerin mit polnischen Wurzeln, die ihr Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie als Meisterschülerin von Andreas Gursky abschloss. Trojnarski war als Mitbegründerin der Düsseldorfer Offräume Trabanten (2015-2018) und ExPeZe Experimentierzelle (2011) kuratorisch tätig. 2016 kuratierte sie eine Gruppenausstellung in der renommierten Neuen Galerie Gladbeck.
Seit Oktober 2018 arbeiten Kasia Lorenc und Angelika J. Trojnarski als Kuratorenduo Curated Affairs zusammen.