Filme am Bauhaus
Das unverwirklichte Projekt der Schule
Zu den am Bauhaus gerne eingesetzten künstlerischen Ausdrucksmitteln gehörte auch der Film. Die dort entstandenen Produktionen vermitteln die Ideen der Schule. Viele der Filme wurden jedoch nicht gedreht oder nicht in die Kinos gebracht. Die Gründe dafür erklärt kurz Professor Andrzej Gwóźdź.
Das Medium Film bereitete dem Bauhaus von Anfang an Probleme, sowohl in personeller als auch in konzeptioneller Hinsicht. Die unglücklichen Anfänge dieser Beziehung reichen bis in die Bauhauswoche im August 1923 in Weimar (die als Teil einer sechswöchigen Bauhausausstellung geplant war) zurück, für die auch ein Filmprogramm vorgesehen war. Für die Auswahl der Filme zeichnete zunächst Oskar Schlemmer verantwortlich und nach dessen Entlassung durch das Ausstellungskomitee im Mai 1923 der Ungar László Moholy-Nagy, der erst kurz zuvor von Walter Gropius zum Bauhaus geholt worden war. Präsentiert werden sollte unter anderem der abendfüllende Dokumentarfilm Kind und Welt. Das Großstadtkind und die Gartenarbeitsschule (1923, der Film gilt heute als verschollen) von Carl Koch und Cläre With, der sich für eine Reform des Schulwesens aussprach, sowie mehrere Lehrfilme der Ufa wie Leben im Unbelebten (1922) von Otto Lehmann, „Die „Seele“ der Pflanze (1922) von Max Brinck, Herztätigkeit und Blutumlauf (1921, auch unter anderen Titeln wie Blutumlauf des Frosches bekannt) von Nicholas Kaufmann und Hochsprung (1920) von Karl Schelenz. Unglücklicherweise gelangte der Kurier, der die Filme in Berlin abholen sollte, an eine falsche Adresse, sodass die Ufa-Filme auf der Bauhauswoche nicht gezeigt werden konnten. [1] Ausschlaggebend für die Auswahl der Filme war einerseits die Tatsache, dass sie die Forderung des Bauhauses nach einer Reform des Schulwesens (in diesem Falle der Kunstschulen) unterstützten [2] und andererseits die Verwendung neuartiger Filmtechniken wie Mikroskop-, Zeitraffer- und Zeitlupenaufnahmen. Diese bestätigten Moholy-Nagy in seinen Überzeugungen, die er erst kurz zuvor in der Zeitschrift „De Stijl“ formuliert hatte: Die bisher nur für Reproduktionszwecke angewandten Apparate sollten auch zu produktiven Zwecken eingesetzt werden, um das Potenzial der menschlichen Sinne mit ihrer Hilfe zu erweitern. [3]
All dies reichte jedoch nicht aus, um eine wirkliche Verbindung zwischen dem Filmprogramm und dem Bauhaus herzustellen. Der Film Kind und Welt. Das Großstadtkind und die Gartenarbeitsschule (möglicherweise der einzige Film, der im Rahmen der Bauhauswoche gezeigt wurde), wurde von den Zuschauern mit Pfiffen quittiert. Moholy-Nagy hatte zwar geplant, auch einige Werke der Experimentalfilmer Viking Eggeling und Hans Richter zu präsentieren [4], diese fanden sich jedoch nicht im endgültigen Programm wieder – wahrscheinlich waren sie einfach nicht rechtzeitig fertig geworden. Und die abstrakten Kompositionen des Bauhaus-Studenten Werner Graeff existierten lediglich auf dem Papier, da zu ihrer Realisierung die Mittel fehlten. Interessanterweise befindet sich in den Materialien zur Bauhauswoche 1923 auch ein Oskar Schlemmer zugeschriebenes Dokument, in dem dieser die Schaffung eines Kinos forderte, in dem gute Lehrfilme aus den Bereichen Natur, Wissenschaft und Technik gezeigt werden sollten – einerseits um den Bedürfnissen städtischer und ländlicher Schulen entgegenzukommen, andererseits um selbst Erfahrungen mit dem sich rasch entwickelnden Medium Film zu sammeln. [5] Doch auch dieses Projekt verlief, wie so viele andere, im Sand. Angeblich hatte Schlemmer auch geplant, einen Zeichentrickfilm zur Präsentation des Musterhauses am Horn, einer Siedlung für die Angehörigen des Bauhauses, zu produzieren, der Film wurde jedoch nicht realisiert. Für die Filmvorführungen im Rahmen der Bauhauswoche wollten die Organisatoren ursprünglich Tageslichtprojektoren aus Berlin anmieten, diese Idee wurde jedoch aufgrund fehlender finanzieller Mittel verworfen. Die Filme wurden schließlich in den Weimarer Reform-Lichtspielen gezeigt, die von dem Foto- und Filmpionier Louis Held geleitet wurden. [6]Sechs Jahre nach der Bauhauswoche kündigte der Film-Kurier im Juli 1929 an, Professor Moholy-Nagy werde in Kürze seinen ersten Film realisieren. Die Vorbereitungen seien nahezu abgeschlossen, und in den nächsten Tagen begebe sich der Professor für Außenaufnahmen nach Südfrankreich. [7] Geplant sei ein Kulturfilm mit Handlungselementen und gesellschaftlichem Hintergrund (heute würden wir sagen, ein Dokudrama) über den Arbeitskampf von Sardinenfischern in der Bretagne. [8] Der Film nach einem Drehbuch von Ilja Ehrenburg sollte von der kommunistisch ausgerichteten Produktionsgesellschaft Prometheus film unterstützt werden, die sich auf die Produktion von sogenannten proletarischen Filmen spezialisierte (unter anderem des stilbildenden Films Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? von Slatan Dudow, Deutschland 1932). [9] Der Film mit den Arbeitstiteln Sardinen und Fischerrevolte wurde jedoch nicht realisiert, weil sich kein Sponsor fand [10] (fünf Jahre später sollte László Moholy-Nagy mit einem Lehrfilm über den Hummer zum Thema Meeresfauna zurückkehren). Bereits 1928 verließ Moholy-Nagy jedoch – gemeinsam mit mehreren anderen Professoren – das Bauhaus, aus Solidarität mit Walter Gropius und aus Protest gegen die Neuausrichtung des Bauhauses, das sich zunehmend von einem Forschungsinstitut zu einer Berufsschule wandelte.
[1] Vgl. J. Goergen: Über das Filmprogramm im Rahmen der Bauhaus-Woche 1923 in Weimar, In: Bauhausvorträge. Gastredner am Weimarer Bauhaus 1919–1925, P. Bernhard (Hrsg.), Berlin 2017, S. 282-298. Von der geringen Bedeutung, die das Bauhaus dem Medium Film beimaß, zeugt auch die Tatsache, dass das Filmprogramm im Ausstellungskatalog überhaupt nicht erwähnt wurde – es finden sich lediglich zwei Aufnahmen der Reflektorischen Lichtspiele des Bildhauers Kurt Schwerdtfeger (vgl. W. Gropius: Staatliches Bauhaus in Weimar 1919–1923. Bauhaus Verlag, Weimar/München 1923, S. 155-156 (Reprint: Zürich 2019).
[2] Zum Bildungsverständnis von László Moholy-Nagy vgl. [L.] Moholy-Nagy: Sehen in Bewegung, Leipzig 2014, insbesondere S. 22-25 (Reprint der Erstausgabe: Ders.: Vision in Motion, Chicago 1947.
[3] Vgl. L. Moholy-Nagy, Produktion – Reproduktion, „De Stijl“ 1922, Nr. 7, S. 98-101).
[4] Vgl. J. Goergen: op. cit., S. 286.
[5] Vgl. ebd., S. 284.
[6] Vgl. ebd., S. 284-286.
[7] Vgl. Experimental- und Studio-Filme, „Film-Kurier“ 1929, Nr. 166, 15. Juli.
[8] Vgl. ebd.
[9] Vgl. J. Goergen, Filme, Projekte, Vorschläge. Annotierte Filmografie 1921–1934, In: László Moholy-Nagy. Kunst des Lichts, D. Chiappe, L. Lucuix (Koordinierung),Verónica 2010, S. 243.
[10] Vgl. J. Sahli, Filmische Sinneserweiterung. László Moholy-Nagys Filmwerk und Theorie, Marburg 2006, S. 181.