„Folkmusik“ suggeriert eine „Musik des Volkes“, in den USA aber nutzen Interpreten traditioneller Musik den Begriff nur selten zur Selbstbezeichnung. Außerdem hat er zu keiner Zeit eine bedeutende Rolle in nationalistischen Bewegungen eingenommen. Stattdessen assoziieren Eliten in akademischen Kreisen, sozialen Bewegungen und Regierungseinrichtungen den Begriff größtenteils mit dem kulturell „Anderen“, das eine idealisierte Vergangenheit repräsentiert.
Der Begriff wird außerdem sowohl in der akademischen Welt als auch der kommerziellen Musikindustrie weithin, wenn auch eher lose, zur Bezeichnung eines musikalischen Genres gebraucht. Musik mit der Bezeichnung „Folk“ erfreut sich auf der Grassroots-Ebene großer Beliebtheit. Dies ist besonders „Revival“-Bewegungen geschuldet, die von Gruppen ohne wirklichen Hintergrund in der Tradition der Musik angeführt wurden und werden. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass der Begriff im Hinblick auf seine musikalischen Bezugspunkte zunehmend elastisch geworden ist.
Das Konzept der Folkmusik kam in den USA im späten 19. Jahrhundert auf. Abgesehen von einem breiten Interesse an der Cowboy-Musik der frühen 1910er Jahre erweckte die Musik bis zu den 20er Jahren bei Außenstehenden kaum Interesse. In den zwanziger Jahren erlebte die kommerzielle Musikindustrie mit dem Verkauf von Blues, Old-Time-Country und anderen „ethnischen“ Musikstilen einen Überraschungserfolg. Die Aufnahmen der zwanziger Jahre fingen größtenteils Klänge ein, die in bestimmten Regionen extrem beliebt waren (insbesondere im tiefen Süden und dem Appalachen-Gebirge), und die plötzliche kommerzielle Verfügbarkeit traf in den Südstaaten sowie bei der Südstaatendiaspora auf enthusiastische Käufer*innen.
Während der Weltwirtschaftskrise brachen die Plattenverkäufe dramatisch ein. Folk wurde von linken Intellektuellen der Volksfront-Ära als Musik des „einfachen Mannes“ verklärt und mit Förderung durch staatliche Programme des „New Deal“ verstärkt dokumentiert. Gleichzeitig ließ das Interesse auf der Grassroots-Ebene nach, als die ländlichen Musikstile durch den Einfluss des Radios und kommerzielle Interessen modernisiert wurden.
Die „Rote Angst“ der frühen 50er Jahre führte zu einem Rückgang der linken Folk-Szene und Folk war in der Folge auch kommerziell weniger erfolgreich. Zwischen 1959 und 1964 erreichte die Popularität der Folkmusik einen neuen Höhepunkt. Zu dieser Zeit war die Musik kommerziell erfolgreich und gleichzeitig mit linken sozialen Bewegungen assoziiert, wie Bob Dylans
The Times They Are a-Changin’ besonders deutlich veranschaulichte.
Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurde Folk zunehmend von Regierungseinrichtungen kuratiert und unterstützt, während einzelne Unterströmungen der Musik ihre eigenen Förderstrukturen erhielten – zum Beispiel durch Festivals und Unterstützergruppen. Für die kommerzielle Musikindustrie blieb Folk bis zum Jahr 2000 größtenteils eine Randerscheinung, dann brachte der Erfolg des Films
O Brother Where Art Thou? der Musik, besonders dem „Old-Time-Country“, Millionen neuer Fans ein.
Zurück zur Übersicht