Goethe-Institut Kanada 1962-1991
Kommen Sie mit auf eine Zeitreise!
Foto: Goethe-Institut
© Foto: Yves Beauchamp, a Presse
Im Winter 1962 kommt Dr. Fritz Genzel in Begleitung seiner Frau Waltraut, einigen Koffern und einer Kiste voller Bücher nach Montreal. Seine Mission: die Gründung der Zweigstelle Montreal des Goethe-Instituts, das bereits 34 Zweigstellen in der ganzen Welt hat (heute sind es über 144). In der Drummond Street im Westen der Stadt findet Dr. Genzel eine viktorianische Villa, unterschreibt sofort den Mietvertrag und veranlasst die Renovierungsarbeiten. Unterrichtsräume, Ausstellungshalle, Bibliothek und Büros werden eingerichtet. Im September wird das „Goethe-Haus“ offiziell eingeweiht, gefolgt von den ersten Sprachkursen und kulturellen Veranstaltungen, für die das Institut seitdem bekannt ist. Konzerte und Theaterstücke werden aufgeführt und Ausstellungen gezeigt, wobei das Programm „klassischer“ war als heute, im Einklang mit dem damaligen Geist der Zeit.
Nach acht Jahren treuen Dienstes (ursprünglich waren nur drei geplant) packt der erste Leiter des Montrealer Instituts seine Koffer und kehrt nach Deutschland zurück. Die Statistiken in der zu seinen Ehren verfassten Festschrift, unter anderem mit einem Beitrag von Marie-Claire Blais, Autorin und Kursteilnehmerin am Institut, zeugen vom Umfang der von ihm geleisteten Arbeit: 99 Konferenzen, 58 Filme, 20 Theaterstücke, 66 Konzerte, 35 Ausstellungen und 168 Sprachkurse für insgesamt 6270 Kursteilnehmende und 74255 Besucher*innen. Gratulation!
Theaterstücke, Konzerte, Gemäldeausstellungen, neue Bücher aus Deutschland, Schmuck aus der Pfalzgrafschaft am Rhein, und nicht zu vergessen das unvermeidliche Okotoberfest mit seinen Trachtentänzen. Eine ganze deutsche Woche findet in Anwesenheit eines illustren Gastes statt, der Jahre später erst westdeutscher und – nach der Wiedervereinigung Deutschlands – gesamtdeutscher Kanzler werden sollte: Dr. Helmut Kohl.
© Nicole Baer
In den Jahren von 1969 bis 1977 wurde das Goethe-Institut Ottawa von Frau Dr. Getrud Baer geleitet. Mit einer Vielzahl von politischen und kulturellen Aktivitäten gelang es Frau Dr. Baer, den Standort Ottawa deutlich zu stärken und das Goethe-Institut als festen Bestandteil der kulturellen Szene der Stadt zu etablieren. 1969 begann ihre Arbeit mit einer Ausstellung der Lithographien von Otto Dix, es folgten Ausstellungen von Ernst Barlach (1971), George Grosz (1974) und Otto Pankok (1976). Neben anderen bekannten Persönlichkeiten aus Kultur und Politik konnte Frau Dr. Baer im Jahre 1973 die deutsche Politikerin und ehemalige Wissenschafts- und Bildungsministerin Dr. Hildegard Hamm-Brücher begrüßen, die sich in einer Rede im Institut für die Rechte der Frauen aussprach.
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Lotte Reiniger, eine der großen Pionierinnen des Animationsfilms, kommt anlässlich einer Retrospektive in der Cinémathèque québécoise und einer Ausstellung im Goethe-Institut persönlich nach Montreal, um am Office National du Film (ONF) einige Workshops zu geben. Die Grande Dame des Kinos drehte den ersten abendfüllenden Animationsfilm, Les aventures du prince Achmed (1923-26), und schuf gleichzeitig das, wofür sie berühmt wurde: die Technik der Silhouetten-Animation.
© Foto: BANQ Québec Fonds, Ministère des Communications, Bernard Vallée
Günter Grass, der berühmte deutsche Autor des Buches Die Blechtrommel – und im Jahr 1999 Nobelpreisträger für Literatur – besucht Quebec auf Einladung des Goethe-Instituts. Der im Nachkriegsdeutschland omnipräsente Intellektuelle hält in Montreal zahlreiche Vorträge, gibt Interviews und liest aus seinem neuesten Roman. Anschließend wird der für seine politischen Stellungnahmen bekannte Autor von keinem Geringeren als Premierminister René Lévesque nach Quebec City eingeladen, um unter anderem über die sprachliche und politische Situation in der Provinz zu diskutieren. Ernste Themen, die von diesen beiden großen Männern mit großer Ernsthaftigkeit behandelt werden... wie ein Foto des Treffens beweist..
© Photo: Rainer Wittenborn & Claus Biegert
1980 unternehmen der bildende Künstler Rainer Wittenborn sowie der Journalist und Schriftsteller Claus Biegert eine Reise in die James Bay im Norden von Quebec. Im Rahmen eines künstlerisch-ethnografischen Projekts planen sie eine Ausstellung über die Gemeinschaft der Cree First Nation, die zu diesem Zeitpunkt mit dem Bau eines der weltgrößten Wasserkraftwerke konfrontiert ist – einer Anlage, die ihr Stammesgebiet für immer verändern wird.
© Sammlung der BANQ
Die einjährige Veranstaltungsreihe Bauhaus Montréal (1984-85) unterstreicht den Einfluss der berühmten deutschen Schule auf Design, aber auch auf Malerei, Architektur, Film und Tanz. Der Grafikdesigner und UQAM-Professor Alfred Halasa ist verantwortlich für die Gestaltung der Plakate für die Veranstaltungen im Institut, im Musée d’Art Contemporain, im Maison de la Culture de Notre-Dame-de-Grâce, im Centre de Création et de Diffusion du Design der UQAM und an der Universität McGill.
© Goethe-Institut
Das Projekt Montréal/Berlin 88-89 ist ein einzigartiger Austausch zwischen zwanzig zeitgenössischen visuellen Kunstschaffenden aus Montreal und Berlin, der in Zusammenarbeit mit der Kunstgalerie Lavalin und dem Centre Saidye Bronfman organisiert wird. Die Berliner Kuratoren Hermann Wiesler und Matthias Langner wählen zehn Kunstschaffende aus Montreal aus, während die Montrealer Kuratoren Leo Rosshandler und Peter Krausz für die Auswahl der zehn Berliner Kunstschaffenden verantwortlich sind. Die Ausstellung wird im Herbst 1988 in Montreal gezeigt und reist im Winter 1989 nach Berlin. Die Kunstschaffenden verweilen vier Monate in ihren jeweiligen Gaststädten. In Leo Rosshandlers Worten „zeigt die Ausstellung, dass die Kunst von heute durch das Aufbrechen von Trends gekennzeichnet ist. Sie geht so weit zu zeigen, dass Berlin und Montreal im selben Boot sitzen“. Ein paar Monate später fällt die Berliner Mauer.
© Etta Gerdes