Eugenia Dubini von NN Editore im Interview
Bücher gegen die Gewalt unserer Zeit
NN Editore, der italienische Verlag von Kent Haruf, hat mit „Adas Raum“ von Sharon Dodua Otoo erstmals ein Buch aus Deutschland veröffentlicht. Der Roman spielt im Ghana des 15. Jahrhunderts, im London zur Zeit Dickens sowie im heutigen Berlin und spricht Leser*innen aus aller Welt an. Die Geschichte, die er erzählt, ermöglicht uns nicht zuletzt ein besseres Verständnis unserer Gegenwart – gleich auf welchem Breitengrad wir leben.
Von Sarah Wollberg
Welche Bedeutung hatte Kent Haruf für Sie?
Kent Haruf und sein Buch Kostbare Tage (ital. Titel: Benedizione) waren mein Sprungbrett und der Startschuss für den Verlag NN Editore. Heute, sieben Jahre nach Erscheinen dieses Buches, bin ich noch immer glücklich und stolz, die Herausgeberin von Haruf zu sein und die Geschichte des Verlags mit der Veröffentlichung seiner Werke geprägt zu haben. Ich hoffe stets, dass seine Worte einen Kontrapunkt zur Gewalt unserer Zeit bilden.
„Adas Raum“ (ital. Titel: „Una stanza per Ada“) von Sharon Dodua Otoo war das erste Buch aus Deutschland, das Sie im Programm hatten. Was hat den Ausschlag dafür gegeben?
Das Programm von NN Editore gliedert sich nicht in verschiedene Reihen je nach geografischer Herkunft oder Sprache der Autor*innen. Vielmehr achten wir bei der Auswahl der Romane auf die darin behandelten Themen und spinnen auf diese Weise einen roten Faden, der sich quer durch alle Bücher zieht. Adas Raum steht zum Beispiel in Dialog mit vielen anderen Romanen von NN, wie etwa den Werken von Jesmyn Ward, Jason Mott und Dantiel W. Moniz. Die Stimme von Sharon Dodua Otoo und die Geschichte von Ada, der verschiedenen Adas im Roman, wie auch die Originalität der Erzählstruktur haben für mich letztlich den Ausschlag dafür gegeben, das Buch in unser Verlagsprogramm aufzunehmen.
Was macht diesen Roman, der in über 20 Länder verkauft ist, auch für Italien so wertvoll?
Adas Raum ist ein Roman, in dem es zentral um Frauen und ihren Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit geht, aber auch um Diskriminierung jeglicher Art an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Epochen. Das Buch spannt einen Bogen von Ghana über die Stadt London zur Zeit Dickens bis hin zum heutigen Berlin und spricht Leser*innen aus aller Welt an. Denn die Geschichte, die es erzählt, berührt zweifellos viele unterschiedliche Aspekte und ermöglicht uns nicht zuletzt ein besseres Verständnis unserer Gegenwart, gleich auf welchem Breitengrad wir leben.
Sie haben die Autorin auf die Bookcity Milano gebracht. Wie wichtig ist die Beziehung zwischen Autor*innen und Leser*innen heute, abseits des großen Publikums in den sozialen Medien?
Wir haben Sharon dieses Jahr auf die Bookcity gebracht und sie war auch auf dem Festivaletteratura im September in Mantua zu Gast. Für uns ist jede Gelegenheit, bei der Bücher und Autor*innen auf Buchhändler*innen und Leser*innen treffen, enorm wertvoll. Die Gründung des Verlags NN Editore erfolgte im Bewusstsein um die Tatsache und darauf wettend, dass Bücher weiterhin im Mittelpunkt des kulturellen Diskurses stehen werden und dass Lesen zwar eine einsame Tätigkeit, aber auch Anlass zum Beisammensein und zum Austausch, zu Gemeinschaft und aktiver Teilhabe sein kann. Das beweisen sowohl Lesegruppen als auch Online-Lesegemeinschaften seit Jahren.
Welche Bedeutung hat für euch die Frankfurter Buchmesse?
Frankfurt ist für uns ein extrem wichtiger Moment der Begegnung, Inspiration, Weiterentwicklung. Wir sind jedes Jahr dort, um Agent*innen und Herausgeber*innen aus anderen Ländern zu treffen und mit ihnen die aktuellen Titel und die Neuerscheinungen der kommenden Jahre zu besprechen. Die Messe ist ein extrem wichtiger Moment des Austauschs, es sind sehr viele Länder vertreten. Das ermöglicht uns, am Puls der Zeit zu bleiben, was die internationale Situation aus geschäftlicher Perspektive betrifft, also die aktuellen Trends und die Entwicklung von Angebot und Nachfrage. Frankfurt ist aber auch aus „verlegerischer“ Perspektive sehr wichtig, und zwar in Bezug auf die Frage, in welche Richtung die Auswahl der Titel (auch in literarischer Hinsicht) gehen sollte.
Werden Sie noch weitere Bücher aus Deutschland in Ihr Programm aufnehmen?
Da bin ich mir ganz sicher.
Haben Sie noch andere Träume, noch weitere Pläne in der Schublade?
Es ist erst sieben Jahre her, dass ich NN Editore ins Leben gerufen habe! Ich habe noch sehr viele Träume, die passen gar nicht alle in eine Schublade, dafür bräuchte es einen ganzen Schrank!
Eugenia Dubini
Eugenia Dubini lebt in ihrer Geburtsstadt Mailand. Nach ihrem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften arbeitete sie zunächst bei Il Sole 24 Ore Libri und war später als freie Lektorin für verschiedene Verlage tätig. Im Jahr 2004 wirkte sie an der Gründung der Fotoagentur Prospekt Photographers mit, die internationale Fotograf*innen und Videomaker vertritt. 2014 gründete sie NN Editore, einen unabhängigen Verlag mit Sitz in Mailand und Schwerpunkt auf Romanen und Memoiren rund ums das Thema Identitätssuche in der heutigen Welt.