ETERNAL FLAME. THE RADIATING ARCHIVE
ETERNAL FLAME. THE RADIATING ARCHIVE
Rayna Teneva, Mustafa Emin Büyükcoşkun und Judith Milz
Die Debatte über die Kernenergie wird schon seit vielen Jahren geführt. Sie spiegeln unterschiedliche staatliche Strategien und populistische Ideen wider und sind oft ein Symptom und ein Zeichen für den Entwicklungsstand einer Gesellschaft (und ihrer politischen Klasse) oder den Weg der Transformation in Richtung der erträumten erneuerbaren Energiezukunft. In der Zwischenzeit ist auf der Weltbühne die Tür zu einer möglichen nuklearen Katastrophe wieder einmal offen.
Die Ausstellung "Eternal Flame. The Radiating Archive" findet innerhalb dieser Erzählung statt und arbeitet mit dem Archiv des ersten deutschen Zentrums für Kernforschung, das 1957 in Karlsruhe eröffnet wurde. Nachdem das Zentrum geschlossen und seine Einrichtungen 2007 an die örtliche Technische Universität übertragen wurden, wurde das über ein halbes Jahrhundert angesammelte Archiv "aufgetaut" (über 210.000 Fotos!), und später im Jahr 2017 begann ein Digitalisierungsprozess. All dies inspiriert Studenten und Künstler aus der Region, auf dieser Grundlage künstlerische Aktivitäten und Forschungen durchzuführen.
Die Künstler*innen Rayna Teneva und Mustafa Büyükcoşkun sind an der Ausstellung beteiligt und erstellen gemeinsam das Video Images from Past Future, das den simulativen Charakter der Filme aus dem Archiv aufgreift. Bei den handelte es sich um reine Propagandamaßnahmen, bei denen verschiedene mögliche Unfälle und deren Eindämmung gefilmt wurden. Die breite Öffentlichkeit musste von der Sicherheit der Kernenergie überzeugt werden. In diesem Zusammenhang beleuchtet das Werk von Teneva und Büyükcoşkun durch die Rekonstruktion des Filmprozesses, die Erinnerungen der beteiligten Personen und der hinter den Filmen stehenden Institutionen sowie die Korrespondenz zwischen den Künstlern die Propaganda und die Prozesse der "Wahrheitsfindung" in der Postwahrheitsära. Die beiden Künstler initiieren und dokumentieren auch eine Performance mit echten Arbeitern der damaligen Zeit, die die Szene der englischen Synchronisation eines solchen Propagandafilms nachstellt.
In der Ausstellung wird auch die Installation Let me have my cake (and eat it too) von Judith Miltz zu sehen sein, die auf die informellen, alltäglichen Momente anspielt, die im Zentrum dokumentiert werden, und auf das normale Leben. Das Werk umfasst 64 Einmachglas mit verzehrfertigem Gemüse in Dosen. Sie sind in Regalen untergebracht und ähneln einer Art von Wunderkammer, in der Dinge für kommende Generationen aufbewahrt werden. In dieser Hinsicht trägt das Gemüse alle Informationen über die Umgebung, in der es angebaut wurde, in sich - es verwandelt sich in einen Moment der Geschichte. Diese beiden Projekte sind in der Galerie des Goethe-Instituts Bulgarien in Form von Installationen mit Video, Fotodokumentation, Archivmaterial und Ton zu sehen.
Teil der Ausstellung ist das Buch 10%. Concerning the Image Archive of a Nuclear Research Center, das Ergebnis der Arbeit verschiedener Künstler mit dem Archiv. Es vereint mehr als dreißig Perspektiven aus den Bereichen Kunst, Soziologie, Politik und Wissenschaft sowie Berichte von Personen, die direkt mit der Anlage zu tun hatten. 10%. Concerning the Image Archive of a Nuclear Research Center zielt darauf ab, das Nachleben der Kernforschung zu kartieren und zu visualisieren.
Zur weiteren Kontextualisierung dieses komplexen Themas findet am 22. Oktober eine Präsentation und Diskussion in Anwesenheit aller Teilnehmer statt. Das Treffen mit den Autoren findet in Zusammenarbeit mit der Fotobuch-Plattform "PUK!" und mit Unterstützung des Goethe-Instituts Bulgarien statt.
DAS KÜNSTLERISCHE KOLLEKTIV HINTER DEM PROJEKT
“Eternal Flame – The Radiating Archive” ist eine Zusammenarbeit zwischen Moritz Appich (Grafikdesigner), Mustafa Emin Büyükcoşkun (Künstler), Cécile Kobel (Grafikdesignerin), Judith Milz (Künstlerin) und Rayna Teneva (Künstlerin), die zur gleichen Zeit an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe studiert haben.
Moritz Appich (*1996) und Cécile Kobel (*1991) leben und arbeiten beide als Grafikdesigner*innen in Berlin. Moritz ist Teil des Type Design Studios und Labels Gruppo Due, Cécile ist eine Hälfte des Studios KaranKobel, das visuelle Konzepte für Musiker*innen, Biennalen und Künstler*innen entwickelt und gestaltet.
Mustafa Emin Büyükcoşkun’s (*1988, lebt in Karlsruhe/Istanbul) Arbeit beschäftigt sich mit der Handlungsfähigkeit und dem Potential von Wahrheits(er)findung in den Medien, besonders im Bereich Sound. Seine aktuelle Praxis verschiebt den Kontext von Stand- und Bewegtbildern, dekonstruiert Meta-Narrative und dekolonisiert historiografische Praktiken.
Judith Milz (*1989, lebt in Karlsruhe/Marseille) entwickelt in ihrer künstlerischen Arbeit narrative Möglichkeiten in skulpturalen, performativen, fotografischen und publizistischen Kontexten. Oft dienen dabei Archive als Ausgangslage, um dokumentarisches Material mit kontextspezifischen Konzepten und performativen Elementen zu verweben.
Rayna Teneva (*1986, lebt in Sofia) ist eine Kunstschaffende, die Archive, Found-Media und Ton verwendet, um Erzählungen zu ermöglichen, die über Erinnerung, Identitätsbildung und Zukunftsprognosen spekulieren. Ihre Arbeit ist prozessorientiert und greift häufig auf performative und sozial-integrative Gesten zurück.