KunstRaum Incontra… Christina Kubisch
Sound Art aus Deutschland zum ersten Mal in Rom
Eine der ersten Soundkünstlerinnen Deutschlands, Christina Kubisch, wird mit ihrem Werk Analysing Silence Teil der neuen Ausstellung Klangkarten im KunstRaum Goethe sein. In diesem Rahmen werden auch ihre Electrical Walks zum ersten Mal durch Rom führen. Wir haben sie auf einem Testwalk begleitet und mit ihr über die Besonderheiten ihrer Arbeit und dieser Stadt gesprochen.
Von Sarah Wollberg
Analysing Silence – Wie kommt die Stille in die Kunst
Die Bedeutung von Stille ist seit jeher Gegenstand von Christina Kubischs künstlerischer Recherche. 2011 begann die deutsche Künstlerin auf ihren Reisen durch die ganze Welt, die Menschen zu bitten, das Wort Stille auszusprechen und Tonaufnahmen davon zu machen. Analysing Silence ist eine Sammlung von mittlerweile mehr als 200 Sonagrammen, dessen Ausdrucke uns vor Augen führen, was ein Klang ist. Sie wirken ruhig, aber auch geheimnisvoll: Ein Mensch hat in seiner Sprache das Wort Stille ausgesprochen, man kann es aber nicht hören, sondern nur sehen. „Wenn die Menschen das Wort Stille sagen, fangen sie an, selbst sehr ruhig zu werden“, so Kubisch. Wir werden beobachten, was mit ihnen geschieht, wenn sie in der Ausstellung das Wort „Stille“ sehen.Electrical Walk live
Erstmals in Rom wird in diesem Zusammenhang auch ihr Electrical Walk präsentiert, ein elektromagnetischer Spaziergang durch die Stadt. Kubisch hat nach dem Prinzip der Induktion ein System entwickelt, das elektromagnetische Felder in großen mit Metallspulen ausgestatteten Kopfhörern hörbar macht. „Wir können nur akustische Wellen hören, weil sie Schwingungen verursachen. Elektromagnetische Felder sind rein elektrisch und schaffen keine Schwingungen im Wasser oder in der Luft. Deswegen müssen sie umgewandelt werden.“ Auf dem Kopfhörer wird nichts vorher installiert. Alles, was man hört, passiert in dem Moment live. Jeder Electrical Walk ist daher einzigartig, je nachdem wie man sich in Bezug auf die Stromfelder bewegt und welche Signale gerade gesendet werden. Ganz wichtig, um die Umgebung wahrnehmen zu können: Smartphone auf Flugmodus schalten, sonst interferiert es zu stark, mit dem, was elektromagnetisch sonst alles um einen herum passiert.Rom – Ein elektromagnetisches Theaterstück
Christina Kubisch ist seit 2003 mit diesem Projekt unterwegs. Sie reiste durch Städte mit wenigen Besonderheiten und vielen globalisierten Standardklänge sowie durch Städte mit sehr vielen speziellen Stromgeräuschen. Und das ist der Fall von Rom. „Hier gibt es die Straßenbahnen mit Klängen, wie ich sie noch nie zuvor gehört habe! Sie sind sehr melodisch, sie klingen wie eine Oper mit ganz merkwürdigen Gesängen. Man schaut während der Fahrt hinaus und hat das wunderbare Gefühl, man säße in einem elektromagnetischen Theaterstück.“ Ein paralleler Soundtrack von Rom, den man nicht kennt und mit dem alles anders erscheint, als es eigentlich ist.Electrical walk: Rom, Straßenbahn, Linie 3 – Audioauszug
© Christina Kubisch
Es gibt außerdem sehr große Unterschiede innerhalb der Stadt: Orte, die elektromagnetisch sehr laut und andere, die wiederum sehr still sind. Das bemerkt man auch bei dem extra für Rom entworfenen Electrical Walk. In dem vornehmeren Viertel rund um das Goethe-Institut ist es eher still. Auch in den alten Markthallen herrscht in den Kopfhörern Ruhe vor. Aber dann kommt man in die römische U-Bahn, wo es in den Kopfhörern sehr laut wird und in die Stazione Termini, wo die Intensität der Signale weiter zunimmt. Entspannung bietet die Rückfahrt mit dem Bus: sie ist ein ganz besonders schönes Klang-Highlight.Wenn man hingegen weiter in die Vorstädte hinaus fährt, trifft man auf Viertel, wo man Strom ganz laut hört, weil die Stromleitungen nicht gut isoliert sind und auf stark besiedelte Wohngegenden, wo sich der häufig wechselnde Strom und die vielen Signalen zu einer dichten Fläche zusammenfügen. Ein Electrical Walk spiegelt immer auch eine soziale Wirklichkeit wider – hier wie überall in der Welt.