Interview mit Gian Luca Farinelli
Der Himmel über Berlin ist zurück in Italien
„Der Himmel über Berlin“ kehrte zurück in die italienischen Kinos. Die restaurierte Fassung des deutschen Kultfilms entstand in Zusammenarbeit zwischen der Wim Wenders Stiftung und der Cineteca di Bologna. Das Goethe-Institut freut sich, Partner dieses wichtigen deutsch-italienischen Projekts zu sein. Wir haben mit Gian Luca Farinelli, dem Direktor der Cineteca di Bologna, gesprochen.
Von Sarah Wollberg
Wie alle Kunstformen sind auch Filme mit der Zeit dem Verfall ausgesetzt. Laut Farinelli, Experte für Filmrestaurierung, seien 80% der Stummfilme und 50% aller Filme, die im 20. Jahrhundert produziert wurden, unwiederbringlich verloren gegangen. Die Filmtechnik habe sich seit 1895 bis heute ständig weiterentwickelt, begonnen bei den Kameras und dem Material der Filmstreifen, bis hin zu Ton und Farben. Die Schwarz-Weiß-Töne der 20er Jahre unterscheiden sich erheblich von denen der 50er, 60er oder 2000er Jahre. Die Digitalisierung, die heutzutage bei der Filmrestaurierung eine wichtige Rolle spielt, erziele eine derart makellose Qualität, die ein Filmstreifen niemals erreichen konnte. „Wenn man einen Film restauriert, muss man die Technik von heute benutzen, um die Technik von damals nachzuahmen“, so Farinelli. „Egal von welcher Kunstform man spricht, eins haben alle gemeinsam: Die Kunst des Restaurierens ist immer eine Interpretation der Originalfassung, die niemals perfekt sein kann.“
Wim Wenders – Filmrestaurierung durch den Regisseur
Die Restaurierung von Der Himmel über Berlin ist ein besonderer Fall. Der Film wurde von Henri Alekan, einem der bedeutendsten Kameramänner der Filmgeschichte, auf 35-mm gedreht, aber heute sehen wir ihn in einer digitalisierten 4K-Version. Wenders beaufsichtigte die Filmrestaurierung. „Ein Glücksfall“, laut Farinelli, „auch diese Filmrestaurierung ist nicht genau wie die Originalfassung, aber sie ist vom Regisseur abgesegnet.“Der Himmel über Berlin – Prophezeiung und Mythos
Der Himmel über Berlin markierte für Wenders 1987 die Rückkehr nach Europa, nach Deutschland und in seine Muttersprache. Der Film, der zwei Jahre vor dem Mauerfall gedreht wurde, erscheint uns heute wie eine Prophezeiung. Wir sehen ein Berlin, das es nicht mehr gibt. „Das ist im Film ein besonders starkes Element“, so Farinelli, „ein Spielfilm ist in dieser Hinsicht auch ein Dokumentarfilm. Der Himmel über Berlin gehört zu den großen Mythen der Filmgeschichte“, erklärt er weiter. „Er hat eine Ausdruckskraft ohne gleichen, eine Farb- und Lichtbestimmung, die man so schnell nicht wieder vergisst.“ Wir sind sicher: Die Faszination, die von ihm ausgeht, kann auch ein Publikum, das den Film noch nie zuvor gesehen hat, in seinen Bann ziehen. „Einen Film wie Der Himmel über Berlin kann man nur in einem Kinosaal mit anderen Menschen sehen. Es ist ein humanistischer Film, der von Anfang dafür gedacht war, dass man ihn in der Gemeinschaft sieht. Ich glaube fest an diese menschliche Dimension des Kinos. Sie ist Teil unserer DNA“, so Gian Luca Farinelli.Filme, die bewegen
Wim Wenders ist ein sehr persönlicher Regisseur und doch fähig, die ganze Welt zu begeistern. Gian Luca Farinelli erzählt uns, dass er für ihn und seine Generation eine wichtige Inspirationsquelle war. Er habe Wenders mehrmals in seinem Leben getroffen. „Es gibt nur wenige bedeutende Regisseure, die ihre Zeit so gerne auch anderen Regisseur*innen und Filmen widmen.“ Sein Zauber verliert nicht an Kraft. Während seine Kultfilme gerade wieder in die italienischen Kinos kommen, überrascht der Regisseur sein Publikum auch dieses Jahr in Cannes mit gleich zwei neuen Filmen. „Perfect Days“, ein auf Japanisch gedrehter Film, der den Preis für den besten Schauspieler gewonnen hat, und „Anselm“, ein Dokumentarfilm über den Star der zeitgenössischen Kunst Anselm Kiefer.Und der Lieblingsfilm von Gian Luca Farinelli?
„Ich habe eine sehr lebendige Beziehung zum Kino. Mein Lieblingsfilm ist immer der, der mich zuletzt tief bewegte.“ In diesem Moment ist das Io Capitano von Matteo Garrone, ein Film, der bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig den Preis für den besten Regisseur und den besten Nachwuchsdarsteller erhielt und Italien bei den Oscars für den besten fremdsprachigen Film vertritt. Ein Film von einer großen Notwendigkeit, der uns wie schon die Filme von Wim Wenders, die Menschlichkeit des Kinos einmal mehr vor Augen führt.