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„Another End“: Piero Messinas Dystopie

Szene aus „Another End“ von Piero Messina
Another End von Piero Messina | © Matteo Casilli / Indigo Film

An einem unbestimmten Ort in einer undefinierten dystopischen Zukunft hat die Menschheit die Möglichkeit, ihre verstorbenen Liebsten vorübergehend ins Leben zurückzuholen, um sich von ihnen zu verabschieden. Piero Messinas neuer Film läuft bei den Berliner Filmfestspielen in der Sektion Wettbewerb.

Von Sara De Pascale

Das Paradoxon des technologischen Fortschritts

Ein italienischer Science-Fiction-Film mit einem Hauch von Romantik und darunter einem Anflug von Thriller: Die Eckdaten scheinen überhaupt nicht zur heimischen Kinotradition zu passen. Der Film wartet mit einem internationalen Ensemble auf (Gael García Bernal, Renate Hansen Reinsve, Bérénice Bejo), das sich vom ersten Moment an durch eindringliche Schauspielkunst auszeichnet und die Entfaltung des Drehbuchs perfekt umsetzt.

Another End heißt im Film eine Firma, die es möglich macht, Seelen und Erinnerungen von Verstorbenen für wenige Tage wieder mit ihren Angehörigen zu vereinen, damit diese ihre Trauer bewältigen können. Der Protagonist Sal (Gael García Bernal) hat seine Partnerin bei einem Verkehrsunfall verloren und entschließt sich, diese neue Technologie in Anspruch zu nehmen, um das Trauma ihres Todes zu überwinden.

Piero Messina konfrontiert uns mit einer Frage: Wenn bzw. falls die moderne Technik einen Weg findet, um die eine unumgängliche Tatsache, die unser Leben noch ordnet, aufzuschieben – wie viele würden sie nutzen? Ethische Dilemmata gibt es bei technologischen Neuerungen immer zuhauf, und manche Menschen sprechen sich vehement gegen ihren Einsatz aus, aber zuletzt ergeht es ihnen doch wie immer: Still und heimlich besiegt der Wandel uns alle, auch die vermeintlich Unbestechlichen. Ein technologischer Mechanismus, der den Moment des Abschieds hinauszögert, der vorgaukelt, dass noch Zeit ist, und die Realität in Momenten kristallisiert, die für immer verloren sind: Es ist die Darstellung eines Albtraums, von dem man nicht so recht weiß, wie er enden soll.

Und wirklich habe ich mich während des Films für einen Augenblick gefragt: So eine Geschichte, wie soll die ausgehen? Messina ist eine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage gelungen.

Ein Genrefilm

Die Italiener*innen kennen sich damit aus, Genrefilme zu drehen und zwischen den weniger gewagten Produktionen, die dem heimischen Publikum vertraut sind, auch solche einzustreuen, die mutig eine Filmgattung ausloten, mit der wir in den letzten Jahren nicht allzu viel anzufangen wussten. Die Berlinale hat einem Film, der diesen Schritt aus der Komfortzone unternimmt, die Chance gegeben, sich einem internationalen Publikum zu stellen. Und genau das ist eine Stärke der italienischen Produktionen, die dieses Jahr beim Festival präsentiert werden: Sie drängen über nationale Grenzen hinaus und suchen nach einem vielschichtigen Publikum, das sich dem italienischen Film in einem neuen, Konventionen sprengenden Format verbunden fühlt.

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