Museen in Namibia
Einheit in Vielfalt

Gesellschaftsspiel der Damara, Damara Living Museum in Twyfelfontein, Namibia. Die Damara gehören zusammen mit der Ethnie der San zu den ältesten Volksstämmen des südlichen Afrikas. In der Gegend von Twyfelfontein, in der sich heute das Museumsdorf befindet, existieren Tausende Felsbilder aus der Steinzeit.
Gesellschaftsspiel der Damara, Damara Living Museum in Twyfelfontein, Namibia. Die Damara gehören zusammen mit der Ethnie der San zu den ältesten Volksstämmen des südlichen Afrikas. In der Gegend von Twyfelfontein, in der sich heute das Museumsdorf befindet, existieren Tausende Felsbilder aus der Steinzeit. | Foto (Detail): gsPhoto © picture alliance/imageBROKER

Namibia verfügt über eine bunte Museumslandschaft. Es gibt sowohl staatlich als auch privat finanzierte Museen. Der 1990 gegründete Museumsverband (Museums Association of Namibia) berät die Museen fachlich und fördert Austausch zwischen namibischen Museumsfachleuten untereinander und mit Expert*innen aus dem Ausland. Golda Ha-Eiros, Kuratorin im Amt für Veteranenangelegenheiten, erklärt.

Von Golda Ha-Eiros

Die Verwaltung und Finanzierung von Museen in Namibia ist vielfältig. Das namibische Nationalmuseum, das dem Ministerium für Bildung, Kunst und Kultur untersteht, hat das Mandat, die staatlichen Museen zu leiten. Daneben gibt es Museen, die sich im Besitz von Privatorganisationen und Kommunen befinden. Der namibische Museumsverband, eine Nichtregierungsorganisation, die Museen und Kulturinstitutionen in ganz Namibia vertritt, bringt alle Museen aus den verschiedenen Kategorien zusammen. Die Dachorganisation ermöglicht die Einrichtung von Kulturerbe-Institutionen als Räume zur Förderung und Weiterbildung von Gemeinschaften auf regionaler und lokaler Ebene und unterstützt diese Institutionen durch Beratung und Fachkompetenz.

Neben den traditionellen Kulturinstitutionen, die die Aufgabe haben, kulturelle Artefakte zu erhalten, zu schützen und auszustellen und so das reichhaltige Erbe des Landes zu sichern, gibt es auch ‚Lebende Museen‘, die historische Kulissen nachbauen, um die Praktiken, Lebensweisen und Traditionen bestimmter indigener Kulturen zu simulieren. Diese Art Museum fördert die Erhaltung der mündlichen Überlieferung und anderer Formen von immateriellem Kulturerbe.

Verschlungene Geschichte

Der Ursprung und Ausbau moderner Museen in Namibia und die Entwicklung ethnografischer Sammlungen in Museen in Europa spiegeln eine Akquisitionspraxis wider, die eng mit der Geschichte von Kolonialismus, Evangelisierung, Handel und Krieg verbunden ist. Ethnografische Museen in Deutschland etwa sind im Besitz großer Sammlungen kultureller Objekte, die im kolonialen Kontext aus Namibia weggeschafft wurden. Diese Sammlungen rücken zunehmend ins Blickfeld der ‚Provenienzpolitik‘, und die Debatte über ihre Herkunft und die Natur ihrer Akquisition hat den Blick auf die Biografien der Sammlungen ebenso wie der Sammler*innen gelenkt.

„Ich habe schlichtweg nie verstanden, wie Kurator*innen in Deutschland in der Lage waren, Ausstellungen zu kuratieren, die keinerlei Tiefgang hatten. Mir wurde klar, dass die Objekte statisch sind, sie haben keine Geschichte, sie sind einfach nur Objekte. Ich dagegen bin überzeugt, dass Objekte sehr viel von dem Ort in sich tragen, an dem sie akquiriert wurden, ihr Geburtsrecht, wo sie bei den Menschen sind, die sie in Gebrauch hatten.“

Golda Ha-Eiros im Interview


So kontrovers das Thema Provenienz und Restitution auch sein mag, Museumsexpert*innen, Kulturhistoriker*innen und Ethnolog*innen sehen Forschungskooperationen und die Zusammenarbeit zwischen Museen in Namibia und Deutschland als Weg an, dauerhafte Lösungen auf Fragen zu finden, die lange Jahre unbeantwortet blieben.

Im Jahr 2019 unternahmen Expert*innen aus Namibia und des Ethnologischen Museums in Berlin detaillierte Recherchen zu den dort befindlichen namibischen Sammlungen.

„Zu Hause ist einem nicht bewusst, dass die Fähigkeiten wirklich vorhanden sind, bis man es selbst sieht. Und ich spürte ein Gefühl von Stolz: ‚Wow, das hat mein Volk gemacht.‘ Wenn ich mir anschaue, wie sie mit dem Leder arbeiteten und wie sie dieses Leder konservierten und das Eisen schmiedeten - das ist einfach beeindruckend.“

Golda Ha-Eiros im Interview


Das gemeinsame Forschungsprojekt führte zur Produktion von neuem Wissen über diese Sammlungen. Dadurch, dass Expert*innen aus Namibia und Deutschland an jeder Phase aktiv beteiligt waren, profitierten beide Seiten von der kulturellen Kooperation.

Gemeinschaftliche Forschung

Das Expert*innenteam aus Namibia hatte die Gelegenheit, Recherchen zum Ursprung und den Akquisitionsbedingungen von über 1400 Kulturobjekten in der Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin durchzuführen. Für die Namibier*innen glich die Möglichkeit, diese Objekte zu sehen, sie in die Hand zu nehmen und an einem intensiven Forschungsprozess teilzunehmen, dem Öffnen eines Portals in ihre Vergangenheit. Ihnen wurde bewusst, dass die Objekte der Sammlung durch ihre Umsiedlung einen anderen Wert, eine andere Bedeutung erhalten und ihre frühere Identität verloren hatten. Darüber hinaus wurde für sie deutlich, dass die Objekte durch die Erschließung der Geschichte und des indigenen Wissens der namibischen Gemeinschaften wieder lebendig gemacht und in Namibia ihre volle kulturelle, soziale und historische Bedeutung zurückerhalten konnten.

„Für die Namibier*innen glich die Möglichkeit, diese Objekte zu sehen, sie in die Hand zu nehmen und an einem intensiven Forschungsprozess teilzunehmen, dem Öffnen eines Portals in ihre Vergangenheit.“

Die Hoffnung ist, dass die Rückgabe dieser Objekte an das namibische Nationalmuseum einen signifikanten Beitrag zur Sicherung sowohl des materiellen als auch des immateriellen Kulturerbes des Landes leisten wird.

Soziale Museologie

Die Aufgabe der Förderung und Erhaltung des Kulturerbes in Namibia wird an mehreren Fronten fortgesetzt. Neben der oben erwähnten Zusammenarbeit prüfen namibische Museumsexpert*innen andere mögliche Kollaborationen und bauen bereits existierende Partnerschaften mit lokalen Gemeinschaften und Institutionen aus. Jedes Jahr organisieren die Museen eine gemeinsame Kulturwoche, bei der die Bürger*innen eingeladen sind, das reichhaltige Kultur- und Naturerbe des Landes mitzufeiern und mehr darüber zu erfahren. Eine spezielle Zielgruppe ist hier die Jugend, die bei der Sicherstellung der Nachhaltigkeit kultureller Bewahrungsinitiativen eine zentrale Rolle spielt.

Ebenso werden lokale Gemeinschaften in Zusammenarbeit mit Kulturinstitutionen dazu ermutigt, Ausstellungen zu organisieren, um so ihr Kulturerbe zu bewahren und etwaige frühere Fehlinterpretationen ihrer traditionellen Praktiken richtigzustellen. Dadurch, dass sie im Zuge von Forschungs- und Bildungsprojekten Älteste in den lokalen Gemeinschaften zu Rate ziehen, können Schulclubs und Kulturvereine mehr über ihre Kultur lernen.

Kulturobjekte ihres Landes das erste Mal in Berlin zu sehen – ein Interview des Goethe-Instituts mit Golda Ha-Eiros im Rahmen der Konferenz „Beyond Collecting: New Ethics for Museums in Transition“ (Neue Konzepte für Museen im globalen Süden) in Dar es Salaam, Tansania, März 2020:

Das Interview als Audio abspielen:

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