Die Reihe entstand aus dem Bedürfnis heraus, sich von der geschlossenen Formel der Konferenz, die nur von wenigen gesehen und erlebt wird, zu lösen und einen offenen und jederzeit zugänglichen virtuellen Raum zu schaffen, in dem Beiträge zu zahlreichen Bereichen des transkulturellen Dialogs zu finden sind. Der italienische Titel spielt mit der Idee der Wertschätzung und Pflege von Wörtern, verweist aber auch auf die Notwendigkeit, Wörter erneut zu betrachten und ihnen einen neuen Blick zu geben. Jede Folge der Reihe, die als permanente Konferenz konzipiert ist, die jederzeit und nach individuellem Hörrhythmus abgerufen werden kann, steht im Zeichen eines Schlüsselwortes.
In der Einführungsepisode, einem Beitrag bestehend aus mehreren Stimmen, skizziert der Leiter des Goethe-Instituts Italien, Joachim Bernauer, den Rahmen des Projektes; die Kuratorinnen Viviana Gravano und Giulia Grechi erläutern die Ideen hinter der Ausstellung und den Podcasts, und die Vertreterinnen des MuCiv Gaia Delpino und Rosa Anna Di Lella zeichnen die Geschichte des ehemaligen Kolonialmuseums nach und stellen die Frage, wie man ein ethnografisches Museum in ein Labor der Dekolonisierung verwandeln kann.
Die italienisch-somalische Schriftstellerin Ubah Cristina Ali Farah reflektiert über die engen Verbindungen zwischen Zeitgeschichte und kolonialem Erbe, beginnend mit ihrem Gedicht Axum und ihrer Erzähung Der Tanz der Oryx.
Ubah Cristina Ali Farah hat an der Università Orientale Neapel in Afrikanistik mit einer Dissertation über das somalische Volkstheater promoviert (2008). Sie wurde mit den Preisen Lingua Madre (2006) und Vittorini ausgezeichnet und war Writer in Residence am University of Iowa’s International Writing Program (2017), an der MEET (Maison des Écrivains Étrangers et des Traducteurs 2018), am Art Omi (2018), der Civitella Ranieri Foundation (2019) und La Marelle (2019). Im ersten Halbjahr 2020 war sie Artist in Residence am STIAS (Stellenbosch Institute of Advanced Studies) in Südafrika.
Im Moment arbeitet sie zusammen mit Dorcy Rugamba, James Bonas und Grégoire Point an La fille de l’homme qui prévoyait pour le futur, der Opernfassung eines ruandischen Volksmärchens. Im Jahr 2018 hat sie an einer Neufassung der Antigone gearbeitet, bei der Giuseppe Massa in Palermo Regie geführt hat, und am Libretto der gemeinschaftlichen Oper Silent City für Matera 2019 mit der Musik von Nigel Osborne mitgewirkt, die von James Bonas dirigiert wurde.
Sie ist Beraterin von UNDP Somalia für das Projekt Oral history for peace building.
#2
Resistance
Maria Thereza Alves liest aus ihrem Buch Diebe und Mörder in Neapel (2020), in dem sie an die Geschichte des Museums Villa Pignatelli in Neapel erinnert und die Ereignisse nachzeichnet, die den fünften Nachkommen von Hernán Cortés, dem Eroberer Mexikos, und die Familie Pignatelli zusammenbrachten.
Im Jahr 1978 hat Alves, als Mitglied des International Indian Treaty Council, bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf einen offiziellen Bericht über die Verletzung der Menschenrechte der indigenen Völker Brasiliens vorgetragen. Unter ihren neuesten Büchern sind zu nennen: Recipes for Survival, erschienen bei der University of Texas Press, und Thieves and Murderers in Naples: A Brief History on Families, Colonization, Immense Wealth, Land Theft, Art and the Valle de Xico, erschienen bei Di Paolo Edizioni.
In ethnografischen Sammlungen und Museen müssen Räume neu definiert werden. Clémentine Deliss stellt sich einen dritten Raum vor, in dem Artefakte miteinander in Dialog treten können, einen Forschungsraum jenseits von Konsumpraktiken und der öffentlichen Zurschaustellung von Objekten.
Sie war Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und hat Ausstellungsplanung und -management sowie Kunsttheorie an der ENSAPC Paris-Cergy, der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und der Hochschule für bildende Künste Hamburg gelehrt. Sie ist Mentorin des Berlin Program for Artists und Faculty at Large für Curatorial Practice an der SVA New York. 2020 war sie Ko-Leiterin des Lagos Photo Festival und des Home Museum (homemuseum.net) für die African Artists' Foundation. Ihr neuestes Buch, The Metabolic Museum, in Zusammenarbeit mit dem KW Institute for Contemporary Art Berlin entstanden und im Hatje Cantz Verlag veröffentlicht, ist kürzlich auf Russisch bei Garage Museum Moskau erschienen.
Im Projekt Harnet Streets – eritreisches counter-mapping in Rom nutzt Tezeta die Onomastik als erzählerischen Anreiz, um einen Stadtplan zu zeichnen, der aus Gegenerzählungen besteht, um die Geschichte des italienischen Kolonialismus in Eritrea im Gegenlicht zu lesen.
Fotomontage und Posterisation einer topographischen Karte des „afrikanischen Viertels“ (Rom) und einem Foto von Harnet Avenue (Asmara) | Bild (Zuschnitt): Bearbeitung von Riccardo Preda, Originalfoto von Sjaak Kroon
Tezeta ist ein interdisziplinäres Kollektiv, das sich mit Forschung, Verbreitung von Kultur und Didaktik zum italienischen Kolonialismus und zur Migration als Phänomen der Gegenwart beschäftigt. Beim Projekt Harnet Streets: contro-mappe eritree in Roma dienen die Straßennamen des „afrikanischen Viertels“ der Hauptstadt als narrative Anregung für die Zeugen und Zeuginnen: Zusammen mit dem Kollektiv und Spazierenden zeichnen sie eine Karte des Viertels, die auf „Gegen-Narrationen“ beruht, um die Namen der Straßen, aus denen es sich zusammensetzt, im Gegen-Licht zu lesen. Neben der Forschungsarbeit und der Sammlung von eritreischen Zeugnissen und Erinnerungen sieht das Projekt die Rückgabe dieser Stimmen an die Einwohnerschaft vor. Ziel ist es, Wissen zu fördern und für die (Wieder-) Entdeckung der Verbindung zwischen Italien und Eritrea zu sorgen, über eine Praxis, die sich in die öffentliche Debatte einschaltet und den Schulunterricht kritisch beleuchtet, der meist noch immer von einer Sprache und Haltungen geprägt ist, die der Dekolonisierung bedürfen.
#5
Nome
Es scheint ein unschuldiges Etikett zu sein, doch die Benennung ist auch ein Akt der Macht: Die koloniale Praxis der Benennung von Orten, menschlichen Gruppen oder botanischen Exemplaren unterstützte den Kolonialismus und seine Erzählung. Beatrice Falcucci reflektiert den Akt der (Um-)Benennung in diesem Licht.
Unter ihren Veröffentlichtungen sind Bringing the Empire to the provinces: colonial museums and colonial knowledge in Fascist Italy in Cahiers François Viète (2021) und Il Museo Coloniale di Roma tra propaganda imperiale, oblio e riallestimento, in Passato e Presente (2021). Im Jahr 2022 soll ihre Monografie über die kolonialen Sammlungen in Italien erscheinen.
#6
Decolonializzazione
Was ist der Unterschied zwischen Kolonialismus und Kolonialität? Wie können Ressourcen und Macht in einem ethnografischen Museum neu verteilt werden? Mackda Ghebremariam Tesfaù denkt über die Entkolonialisierung der Museen und die Bedeutung leerer Räume jenseits der Restitutionspraxis von Werken nach.
Sie ist Dozentin an der Iuav Venezia, der Stanford Florence und der Fondazione UniverMantova. In ihren Kursen beschäftigt sie sich mit und Kolonialismus, mit Blick auf Italien und die internationale Situation, unter soziologischen Gesichtspunkten und unter Anwendung der kritischen postkolonialen und – vor allem – dekolonialen Theorien.
Neben ihrer akademischen Arbeit ist Mackda Ghebremariam Tesfaù leitendes Mitglied von Refugees Welcome, einer Vereinigung, die sich um die Aufnahme von Geflüchteten in Familien bemüht, Teil des des Komitees von Expert*innen und Mitarbeiterin der Vereinigung Il Razzismo è una brutta storia sowie Resident Curator bei Centrale Fies. Sie hat zusammen mit Giovanni Picker den Artikel The postracial Italian archive (Ethnic & Racial Studies 2021) und das Vorwort der italienischen Ausgabe von bell hooks Buch Teaching to Transgress (Insegnare a trasgredire, Meltemi 2020) verfasst. Vor Kurzem hat sie zusammen mit Marie Moïse, Plantation Memories von Grada Kilomba ins Italienische übersetzt (Memorie della piantagione – Episodi di razzismo quotidiano, Capovolte 2021).
#7
The right to opacity
Anhand konkreter Beispiele von Projekten und Workshops spricht Jana Johanna Haeckel über das Konzept der Opazität als Prinzip, das hilft, kulturelle Vielfalt zu erleben und zu teilen, und sich von vereinfachenden und trügerisch „transparenten“ Visionen zu verabschieden.
Vor kurzem hat Haeckel das Buch Everything Passes Except the Past (Sternberg Press, 2021) veröffentlicht, welches ein Ergebnis einer zusammen mit dem Goethe-Institut durchgeführten zweijährigen Arbeit über das koloniale Erbe ist, und die Ausstellung Resistant Faces in der Pinakothek der Moderne (München 2021) kuratiert, eine kritische Betrachtung des Poträts in der digitalen Gegenwart.
#8
Deistituzionalizzazione
Wie kann das ethnografische Museum zu einem Labor der Dekolonisierung werden? Wissal Houbabi spricht die Notwendigkeit an, die eurozentrische Vorstellung vom Museum zu hinterfragen, und betont, wie wichtig es ist, eng mit den Bezugsgruppen zusammenzuarbeiten.
Sie schreibt über Antirassismus, Feminismus, Hip Hop und Identität 2019 war sie Zweitplatzierte beim Premio nazionale di poesia con musica Alberto Dubito. Wissal hat mit ihren Gedichten an Veranstaltungen und Festivals in Italien teilgenommen und ihre Zeichnungen und Gemälde in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt; 2017 wurde sie eingeladen, auf dem Salone del libro in Turin auszustellen.
#9
Cinema
Luca Peretti rezensiert zahlreiche Filme, von Petrolio nelle dune (wörtlich übertragen Erdöl in den Dünen) (1967, produziert von Eni), der den Kolonialismus in Libyen völlig ausblendet, bis zu Tolo Tolo (Checco Zalone, 2020), der die Formen des Kolonialismus offenlegt, die unsere Gegenwart noch immer heimsuchen.
An wen wenden sich ethnografische Museen heute? Ausgehend von der Darstellung der Identität des Anderen reflektiert Adama Sanneh über die Möglichkeit des ethnografischen Museums, den Blick des Besuchers umzukehren, um etwas von uns selbst und unserer Geschichte wiederzuentdecken.
Er hat den Studiengang Mediazione Linguistica e Culturale (Interkulturelle Kommunikation) an der Universität Mailand absolviert und dann an der Bocconi School of Management einen Master in Public Management (MPM) und an der Universität Genf einen Master in Business Administration (MBA) gemacht. Nach seinem Studium hat er als Management- und Strategieberater in den Bereichen Erziehung, soziales Unternehmertum und Innovation für eine Reihe von öffentlichen Einrichtungen und Non-Profit-Organisationen gearbeitet, darunter die Vereinten Nationen. Als CEO der Moleskine Foundation erforscht und nutzt er die Schnittmenge von Bildung, Kultur und Kunst, um einen bedeutenden gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen.