Nachhaltigkeit
Warum Feminismus gut für die Umwelt ist

Warum Feminismus gut für die Umwelt ist
Grafik (Detail): © Colourbox.de

„Vor Greta“ heißt eine Online-Veranstaltung des Goethe-Instituts Rom, bei der Expertinnen aus Kultur und Wissenschaft über die Entwicklung des Feminismus in Europa und die Rolle der Frau in der Nachhaltigkeitspolitik diskutieren werden. Das Goethe-Magazin spricht vorab mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Marcella Corsi darüber, was Geschlechtergerechtigkeit mit Nachhaltigkeit und Klimawandel zu tun hat.

Von Christine Pawlata

In der Wirtschaft gibt es nichts, das nicht auch mit Genderfragen zu tun hat.”

Marcella Corsi

So Corsi, die politische Ökonomie an der römischen Universität La Sapienza unterrichtet und die Forschungswerkstatt Minerva – Laboratorio di studi su diversità e disuguaglianza di genere leitet. „Im traditionellen, leider vorherrschenden Zweig der Wirtschaftswissenschaft, tut man so, als ob alle Personen gleich wären. Tatsächlich trifft aber jeder von uns wirtschaftliche Entscheidungen aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften. Das hängt davon ab, ob man Mann oder Frau ist, jung oder alt, Merkmale wie sexuelle Orientierung, soziale Klasse oder Staatsangehörigkeit spielen alle eine Rolle. Das gilt für alle wirtschaftlichen Entscheidungen, einschließlich der Wahl der Energiequellen oder der Produktionsmethoden, all jenem, was die Umwelt und den Klimawandel beeinflusst.“

Klimawandel nicht gleich für alle

Man könnte annehmen, dass der Klimawandel alle Menschen gleich betrifft. Corsi argumentiert jedoch, dass während Frauen weltweit in den Entscheidungsprozessen der Nachhaltigkeitspolitik unterrepräsentiert sind, die Folgen der Erderwärmung für Frauen oftmals dramatisch anders seien als für Männer. In vielen Entwicklungsländern arbeiten Frauen vorwiegend in der Landwirtschaft, aber nur eine Minderheit besitze das Land, das sie bestellen. Sie seien oft die ersten, die die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen.

„Zum Beispiel führt die Erderwärmung, stark vereinfacht, zum Schmelzen der Eiskappen und dadurch zu einer Erhöhung des Meeresspiegels. Das führt wiederum dazu, dass Salzwasser etwa Reisfelder, in denen überwiegend Frauen arbeiten, überschwemmt und zerstört. Wer soll das mitkriegen, wenn nicht zuallererst die Frauen, die dort arbeiten?“
 
Internationale Organisationen wie die Vereinigten Nationen haben die Rolle von Frauen bei der Wahl der Energieform, und somit bei der Bekämpfung des Klimawandels längst anerkannt, dies spiegele sich aber leider nicht in der aktueller Nachhaltigkeitspolitik wieder, erklärt Corsi.

„Frauen sind oft schwach, was die wirtschaftlichen Entscheidungen betrifft, aber stark in den Entscheidungen der Privatsphäre. Wer ist zum Beispiel meistens für die Küche in einem Haushalt zuständig? Es ist im Allgemeinen immer noch die Frau, die beschließt was gekauft wird, was für die Familie gekocht wird. Sie trifft also die Entscheidungen, die den Energieverbrauch betreffen, den Lebensmittelkonsum, ob biologische Produkte verwendet werden oder nicht, und so weiter“.

Sorge als universelles Gemeingut

Um positiven Einfluss auf den Klimawandel nehmen zu können, plädiert Corsi für einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaftsordnung hin zu einer sogenannte Care-Ökonomie.

„Das bedeutet, dass die Sorge- oder Care-Arbeit als öffentliches und allgemein zugängliches Gemeingut anerkannt werden muss. Mit Care-Arbeit ist nicht nur die Sorge für Kinder oder ältere Menschen gemeint, sondern die Sorge als wirtschaftliche Einstellung, als eine Beziehung zwischen Menschen, die nicht auf Profit basiert, sondern auf der Fähigkeit, eine positive Interaktion herzustellen, die dem Wohlbefinden dieser Menschen dient. Sorge bezieht sich also auf das Gesundheits- und Bildungssystem, damit ist aber auch die Sorge für unsere Umwelt gemeint, denn man kann nicht in Gesundheit leben, wenn die Umwelt um uns herum zusammenbricht.“

Marcella Corsi zweifelt nicht daran, dass Feminismus im Zentrum der Bewältigung der weltweiten sozialen und ökologischen Krise stehen muss. „Feminismus ist eine radikale Antwort auf Missverhältnisse, Ungerechtigkeiten und Diskriminierung, die aus jedem zivilisierten Land verbannt werden müssten. Feminismus ist genau das, und zwar ganz gewiss zum Vorteil der gesamten Gesellschaft,“ so die Wissenschaftlerin. „Als Feministin bin ich davon überzeugt, dass Feminismus eine Chance ist, damit wir das alle gemeinsam, Männer und Frauen, schaffen können.“
 

Marcella Corsi

Marcella Corsi
Foto (Zuschnitt) © Francesca Leonardi
Marcella Corsi ist Professorin für Politische Ökonomie an der römischen Universität La Sapienza. Als Beraterin arbeitet sie außerdem mit der OSZE, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament zusammen. Sie ist Mitbegründerin der Online-Zeitschrift inGenere.it, Herausgeberin der International Review of Sociology und leitet die Forschungswerkstatt Minerva – Laboratorio su diversità e disuguaglianze di genere.

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