Ziele der Klimagerechtigkeitsbewegung
Stärke in der Pluralität

Hoffnungsvoll: “Eine andere Welt ist möglich” haben Aktivist*innen in riesigen Buchstaben und Bildern auf die Berliner Oberbaumbrücke gemalt.
Hoffnungsvoll: “Eine andere Welt ist möglich” haben Aktivist*innen in riesigen Buchstaben und Bildern auf die Berliner Oberbaumbrücke gemalt. | © Fridays For Future Berlin

Was will die Klimagerechtigkeitsbewegung? Viele Gruppierungen der Bewegung scheinen unterschiedliche Ziele zu haben. Doch ist dies überhaupt der Fall? Hängen all die Perspektiven nicht zusammen?

Von Asuka Kähler

Was war nochmal Klimagerechtigkeit?

Klimagerechtigkeit betrachtet die Klimakrise, anders als der Klimaschutz oder Umweltschutz, nicht als eine primär ökologische Krise, sondern als Resultat unserer Wirtschaftsweise, ihrer Entstehung und den damit verbundenen Ungerechtigkeiten und Machtverhältnissen, also als eine komplexe Frage der sozialen Gerechtigkeit. Es kommt uns Aktivisti* nicht nur darauf an Klimaziele einzuhalten, sondern auch auf die Art und Weise, wie dies getan wird.

Aber haben nicht alle in der Bewegung dieselben Ziele und Ansätze?

Klimagerechtigkeit bedeutet somit, die Verknüpfungen von beispielsweise Rassismus, unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem, Klassismus, der Klimakrise und vielen weiteren Problemen zu reflektieren. Dass kann umfangreich, komplex und dadurch zum Teil auch schwer verständlich sein. Das führt dazu, dass einige Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung unterschiedliche Schwerpunkte setzen – manche für einzelne Projekte oder Kampagnen, manche grundsätzlich – da es kaum möglich ist, alle Zusammenhänge gleichzeitig zu berücksichtigen. 

Wo liegen die Unterschiede?

Als Beispiel für die inhaltlichen Unterschiede schauen wir uns das Black Earth Kollektiv und Fridays for Future Deutschland an. Das Black Earth Kollektiv beschäftigt sich aus einer dekolonialen und intersektionalen Perspektive mit Klimagerechtigkeit und geht stark auf die historische Entstehung und Verknüpfung dieser Themen ein – eine Perspektive die bei Fridays For Future Deutschland seit der Entstehung zwar an Relevanz gewonnen hat, in der Außenwirkung aber nicht dominant ist. Stattdessen orientieren sich viele Projekte an aktuellen politischen Entwicklungen, Entscheidungen und Veranstaltungen. Explizite Perspektiven zur Klimagerechtigkeit werden selten ausdefiniert. Die fehlende historische und somit antikoloniale Perspektive auf die Klimakrise kann man an dem deutschen Ableger von Fridays For Future  kritisieren – dennoch sind die Unterschiede in der Ausrichtung wichtig. Es existieren einige weitere Unterschiede, sowohl zwischen diesen als auch diversen anderen Gruppen – nicht nur in den Inhalten, sondern beispielsweise auch in den Aktionsformen oder der personellen Zusammensetzung.

Warum sind unterschiedliche Ausrichtungen wichtig?

Durch die verschiedenen Prioritäten können die jeweiligen Gruppen sich stärker auf die Bereiche konzentrieren, in denen sie Expertise mitbringen und zu diesen Themen spezifisch arbeiten. Und trotzdem sollte sich jeder Gruppe mit den verschiedenen Ansätzen und Perspektiven auseinandersetzen: So müssen sich beispielsweise vor allem die von weißen Personen dominierten Gruppen mit antirassistischen Perspektiven bekannt machen – eine Sache, die in der Vergangenheit oft versäumt wurde. Die Gruppierungen der Bewegung müssen in einem aktiven Austausch, in gegenseitiger Solidarität und Unterstützung zusammenstehen. Idealerweise stimmen sie ihre Handlungen aufeinander ab, damit sie voneinander profitieren, und so die Klimabewegung als Ganzes stärker wird. Dieses Vorgehen kann dafür sorgen, dass die unterschiedlichen Perspektiven angemessen repräsentiert werden. 

Die Differenzen, sowohl zwischen verschiedenen Gruppierungen als auch innerhalb einzelner, sind keine Schwäche. Es sollte nicht versucht werden, einer Position ihre Legitimität innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung abzusprechen – sofern sie sich im Rahmen der Klimagerechtigkeit bewegt. 

Nächste Woche zeigt Victoria Berni, wie unterschiedlich die Einstellungen und Hintergründe der Menschen in den Gruppierungen sein können. Wir als Aktivisti müssen lernen, aus dieser Pluralität heraus an Stärke zu gewinnen, indem wir uns ergänzen, und nicht versuchen, einander in irgendeiner Form auszustechen. Ansonsten werden wir als Bewegung nicht langfristig erfolgreich sein. 

*Aktivisti ist eine selbstgewählte, genderneutrale Form für Menschen, die sich aktivistisch engagieren. 
 
Die zweite Staffel von Blog, Engage, Act! wirft einen Blick hinter die Kulissen der Klimabewegung: Was will die Bewegung eigentlich? Welche gemeinsamen Ziele verbinden die vielen unterschiedlichen Gruppierungen? Wir erfahren mehr darüber, wie sich die Bewegungen während der Pandemie organisieren, warum Klimakonferenzen ein guter Ort für Protestaktionen sind – und warum Aktivist*innen die Entwicklung einer sozial gerechten Klimaagenda dennoch nicht allein den internationalen Verhandlungsrunden überlassen wollen. Nicht zuletzt geht es auch um die Rolle von persönlichem Engagement: Was bewirkt ethischer Konsum und wie können wir andere davon überzeugen? Und wie sehr prägt und verändert der Aktivismus eigentlich das Leben der Aktivist*innen?

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