Im Oktober 2016 begann ich die Arbeit an meinem fiktiven Familienalbum. Ich dachte sehr intensiv darüber nach, wie einfach es sein kann, Vertrautheit vorzutäuschen. Nachdem ich einige Dokumentarfilme und Werbefilme gedreht hatte, die dokumentarische Erzählungen nachahmten, verspürte ich immer den Druck, für ein Bild etwas zu spielen.
Und als Person hinter der Kamera weiß man, wenn etwas nicht mehr vorhanden ist. Um für die Geschichte das passende Material zu haben, bittet man die Menschen teilweise, auf eine bestimmte Art und Weise zu schauen, zu lächeln, Dinge zu tun, die sie schon einige Zeit nicht mehr getan haben, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht mehr tun würden.
Eine Einladung, etwas vorzutäuschen, eine Chance für ein Ersatzleben, gelebt in Fotografien. Wie weit können wir gehen, wenn wir diese Vereinbarung treffen? Ich suchte nach Charakteren, vorzugsweise zuerst nach Leuten, die „etwas durchgemacht hatten“. Ich landete bei Menschen, die, wie ich es erfahren musste, gerade einmal großzügig genug waren, mir ein wenig ihrer Zeit zu borgen. Ich realisierte, dass ich sie, obwohl ich sie darum bat, mir etwas vorzuspielen, auch nach etwas Wahrem, nach etwas Wirklichem fragte.
Ich fand ein Haus, mein Bruder schloss sich dem Projekt an und dann begannen sich die Fragen zu verändern. Wer war ich, und warum war ich da? Eine Fotografin, ja, aber war ich Familie? Bin ich ein Freund? Was waren unsere gegenseitigen Verpflichtungen? Inwieweit können Erinnerungen abgerufen, neu gebildet oder ersetzt werden?